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Studie: Mehr Menschen leben wegen hoher Wohnkosten in Armut

Wer hohe Mieten zahlt, lebt oft ärmer, als die offizielle Statistik erkennen lässt. Das zeigt eine neue Auswertung – und es ruft einen Sozialverband auf den Plan.

Manchen bleibt nach dem Zahlen der Miete nur die Hälfte des Einkommens. (Symbolbild)
Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Laut einer Studie leben in Deutschland aufgrund hoher Mieten und Nebenkosten mehr Menschen in Armut als bisher angenommen. Viele Haushalte geben mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Wohnkosten aus, manche sogar über die Hälfte. Nach Abzug von Miete, Nebenkosten, Kreditzinsen und anderen Ausgaben haben mehr als 17,5 Millionen Menschen ein verfügbares Einkommen im Armutsbereich. Dies ergab die Forschungsstelle des Paritätischen Gesamtverbands bei der Analyse von Daten des Statistischen Bundesamts.

Menschen gelten als arm, wenn sie monatlich weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens zur Verfügung haben. Das Medianeinkommen ist das Einkommen, bei dem genau die Hälfte der Bevölkerung ein höheres und die andere Hälfte ein niedrigeres Einkommen hat.

Kritik: Das Ausmaß von Armut wird übersehen

Bei der üblichen Armutsstatistik blieben Millionen Menschen unsichtbar, weil ihre Wohnkosten nicht berücksichtigt würden, kritisiert der Verband. «Wer nur Einkommen betrachtet, nicht aber, dass Menschen immer weniger Geld zur Verfügung haben, weil sie hohe Wohnkosten aufbringen müssen, übersieht das Ausmaß von Armut in Deutschland», heißt es in der Auswertung. 

In Deutschland leben tatsächlich 5,4 Millionen mehr Menschen unter der Armutsgrenze als bisher angenommen. Bereinigt um die Wohnkosten gelten mehr als ein Fünftel der Bevölkerung als arm. Der Schwellenwert für einen Ein-Personen-Haushalt liegt nach diesen Berechnungen bei 1.016 Euro frei verfügbares Einkommen im Monat.

Gleiches Einkommen heißt nicht gleiche Finanzlage

Die Forschungsgruppe nennt beispielhaft eine Rentnerin mit einer Standardrente von 1.770 Euro. Mit einem langjährigen Mietvertrag und einer Miete von 450 Euro gilt sie nicht als arm. Wenn sie jedoch umziehen muss, zum Beispiel in eine barrierefreie Wohnung, und plötzlich 900 Euro Miete zahlen muss, fällt die Frau unter die Armutsgrenze.

«Über den Lebensstandard entscheidet nicht mehr nur die Höhe des Einkommens, immer wichtiger werden die Fragen, wie viel Geld eine Person fürs Wohnen ausgeben muss und wie viel Geld darüber hinaus noch übrigbleibt», heißt es in der Studie. Gleiches Einkommen suggeriere zwar einen ähnlichen Lebensstandard, tatsächlich sei die finanzielle Situation der Betroffenen möglicherweise aber sehr unterschiedlich. 

Hamburg, Bremen und Sachsen-Anhalt besonders betroffen

Junge Erwachsene unter 25 Jahren – darunter viele Studentinnen und Studenten – sowie Ältere über 65 Jahre sind laut der Auswertung besonders stark von sogenannter Wohnarmut betroffen. Alleinstehende sind stärker betroffen als Paare, da sie in der Regel höhere Wohnkosten pro Person haben. Die Situation sei besonders schlimm für alleinstehende Rentner.

Auch auf regionaler Ebene gibt es Unterschiede: In Bremen, Sachsen-Anhalt und Hamburg ist Wohnarmut am weitesten verbreitet, während sie in Baden-Württemberg und Bayern am wenigsten stark ausgeprägt ist. Der Unterschied zwischen der konventionellen Armutsquote und der Armutsquote nach Bereinigung um Wohnkosten ist in Hamburg und Schleswig-Holstein besonders hoch.

Der Paritätische Gesamtverband ruft die künftige Bundesregierung auf, neue und dauerhaft sozial gebundene Wohnungen zu schaffen. «Eine zielgerichtete Politik zur Vermeidung von Armut in Deutschland braucht gute Löhne, bessere soziale Absicherung und eine Wohnungspolitik, die Mieten bezahlbar hält», erklärte Hauptgeschäftsführer Joachim Rock.

dpa