Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Tag der Entscheidung: Wer in der EU bald wichtig sein könnte

Ähnlich wie die neue Regierungsmannschaft von Donald Trump sorgen auch designierte Mitglieder der nächsten EU-Kommission von Ursula von der Leyen für hitzige Diskussionen. Heute wird nun abgestimmt.

Hat die ersten fünf Jahre im Amt bereits hinter sich: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. (Archivbild)
Foto: Kay Nietfeld/dpa

Wird es eine klare Angelegenheit oder wird es noch einmal knapp? Das Europäische Parlament stimmt heute nach wochenlangem Streit über die neue EU-Kommission unter der Leitung der deutschen Präsidentin Ursula von der Leyen ab – und entscheidet damit, ob sie am 1. Dezember ihre Arbeit aufnehmen kann.

Der Einfluss der 27 Frauen und Männer auf die europäische Politik ist bedeutend, da in der EU nur die Kommission Gesetze vorschlagen kann und sie auch überwacht, ob die Staaten die Gesetze einhalten. Die Brüsseler Behörde mit etwa 32.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern regelt somit viele Angelegenheiten, die im täglichen Leben von fast 450 Millionen EU-Bürgern relevant sein können. Vor allem die folgenden zehn Personen könnten in den kommenden Jahren wichtige Entscheidungen treffen:

Kaja Kallas (47), Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik

Die ehemalige estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas steht vor der Herkulesaufgabe, die EU in der Außenpolitik effektiver zu gestalten, als Nachfolgerin des Spaniers Josep Borrell. Dies ist besonders herausfordernd aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips und der unterschiedlichen Ansichten der Mitgliedstaaten zur weiteren militärischen Unterstützung für die Ukraine und den Konflikt im Nahen Osten. Kallas’ Vorteil liegt darin, dass die Politik praktisch in ihrer DNA liegt: Ihr Vater Siim Kallas war früher Ministerpräsident Estlands und lange Jahre EU-Kommissar. Sie selbst verbrachte auch vier Jahre in Brüssel – als Europa-Abgeordnete von 2014 bis 2018.

Raffaele Fitto (55) – Vizepräsident, zuständig für Kohäsion und Reformen

In Brüssel wurde in den letzten Wochen viel über die Personalie Raffaele Fitto gestritten. Der Italiener wird zukünftig als einer der Vizepräsidenten für milliardenschwere Fördermitteltöpfe und Reformen verantwortlich sein. Wenige zweifelten an seiner Kompetenz und proeuropäischen Ausrichtung, aber viele an seinen politischen Überzeugungen. Der Grund dafür ist, dass er der rechten Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni angehört. Die Sozialdemokraten und andere Parteien links der Mitte haben sich heftig gegen einen rechten Vizepräsidenten gewehrt, jedoch erfolglos.

Stéphane Séjourné (39) – Vizepräsident, zuständig für Wohlstand und Industriestrategie

Für den Franzosen ist es in diesem Jahr schon der dritte Posten: Séjourné war zunächst Vorsitzender der liberalen Renew-Fraktion im EU-Parlament, bevor er im Januar als Außenminister nach Paris wechselte. Nun soll er als EU-Kommissar zurück nach Brüssel gehen. Als französischer Kandidat war eigentlich der bisherige Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton gesetzt. Der warf allerdings wegen Differenzen mit von der Leyen im September das Handtuch. Séjourné soll künftig eine Schlüsselrolle bei der Frage zukommen, wie Europas Unternehmen im globalen Wettbewerb weiter gestärkt werden können.

Maroš Šefčovič (58) – Vizepräsident, zuständig für Handel und wirtschaftliche Sicherheit

Maroš Šefčovič, ein Slowake, ist seit 2009 EU-Kommissar und zählt somit zu den erfahrensten Politikern im Team. In den nächsten fünf Jahren wird er die schwierigen Handelsbeziehungen mit China und den USA managen und neue Handelsabkommen abschließen müssen. Besonders gefragt wird er sein, wenn die USA unter der Führung von Donald Trump zusätzliche Zölle auf EU-Produkte einführen sollten.

Andrius Kubilius (67) – Kommissar für Verteidigung und Raumfahrt

Mit dem ehemaligen litauischen Ministerpräsidenten Andrius Kubilius wird es in der EU erstmals einen Kommissar für Verteidigung geben – der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dürfte ein maßgeblicher Grund dafür sein. Soldaten und Soldatinnen unterstehen dem 67-Jährigen jedoch nicht. Vielmehr soll er sicherstellen, dass die europäische Rüstungsindustrie den Bedarf deckt und genügend Geld hat, um ihre Produktionskapazitäten zu erweitern.

Olivér Várhelyi (52) – Kommissar für Gesundheit und Tierschutz 

Aufgrund seiner Nähe zum umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban wird der Karrierediplomat Várhelyi in Brüssel mit viel Misstrauen konfrontiert. Er war der einzige, der im Bestätigungsverfahren des Parlaments schriftliche Zusatzfragen beantworten musste. Trotzdem gibt es letztlich wenig Zweifel an seiner Eignung für einen Kommissarsposten – Várhelyi ist kein Neuling in Brüssel, er war bereits Mitglied in der ersten Kommission von Ursula von der Leyen und war dort für Nachbarschaft und Erweiterung zuständig.

Magnus Brunner (52) – Kommissar für Inneres und Migration

Der österreichische Konservative Magnus Brunner wird damit beauftragt, die Umsetzung der im Frühjahr beschlossenen EU-Asylreform zu überwachen und ein neues Konzept zur beschleunigten Abschiebung irregulär eingewanderter Migranten vorzulegen. Des Weiteren soll er die Verbesserung des Schutzes der EU-Außengrenzen verantworten. Es wird erwogen, die ständige Reserve von Frontex auf 30.000 Einsatzkräfte aufzustocken.

Teresa Ribera (55) – Vizepräsidentin, zuständig für Wettbewerbspolitik und grünen Wandel

Teresa Ribera, eine Spanierin, soll sicherstellen, dass fairer Wettbewerb auf dem europäischen Binnenmarkt gewährleistet wird und gleichzeitig sicherstellen, dass heimische Unternehmen gegenüber Konkurrenz aus Ländern wie China und den USA bestehen können – beispielsweise durch die Nutzung von preiswerter Energie aus erneuerbaren Quellen. In der Politik hatte die Sozialistin zuletzt schwierige Wochen, da Konservative und rechte Abgeordnete ihr Fehler im Umgang mit den schweren Überschwemmungen in der spanischen Region Valencia vorwarfen, mit denen sie als Umweltministerin konfrontiert war.

Wopke Hoekstra (49) – Kommissar für Klimaschutz

Der neue Klimakommissar ist gleichzeitig der alte. Als Wopke Hoekstra mitten in der vergangenen Legislaturperiode auf Frans Timmermans folgte, gab es zunächst Zweifel an seinen Ambitionen: Der Niederländer war in der Vergangenheit unter anderem beim Öl-Konzern Shell angestellt. Inzwischen hat die Skepsis nachgelassen. Nun wird Hoekstra erneut dafür verantwortlich sein, den «Green Deal» umzusetzen, mit dem die EU bis 2050 klimaneutral werden will. Der Klimaschutz dürfte zwar keine so große Rolle mehr spielen wie in der vergangenen Legislaturperiode. Insbesondere das Verbrenner-Aus, das ab 2035 in der EU gelten soll, sorgt aber für großen Unmut, sodass Hoekstra weiter im Zentrum hitziger Diskussionen stehen könnte.

Ursula von der Leyen (66), die Präsidentin

Ein möglicher Handelskrieg mit den USA und China, anhaltender Streit über die Migrationspolitik, ungeklärte Finanzierungsfragen und der ungewisse Ausgang des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine: Die ganz großen Themen werden auch weiterhin auf dem Tisch der früheren deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen landen. Erfahrung als Kommissionspräsidentin hat die CDU-Politikerin mittlerweile: Die aus Niedersachsen stammende Mutter von sieben erwachsenen Kindern hat bereits fünf Jahre im Amt hinter sich und sitzt bei fast allen großen internationalen Gipfeltreffen wie denen der G7 und G20-Staaten als EU-Repräsentantin mit am Tisch. Im Ranking des US-Magazins «Forbes» ist sie derzeit die «mächtigsten Frau der Welt».

dpa