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«Tag der Trauer»: Hamas will Leichen von Geiseln übergeben

Aufnahmen einer zutiefst verängstigten Mutter und ihrer rothaarigen Söhne – beide noch Kleinkinder – gingen nach der Entführung im Oktober 2023 um die Welt. Gibt es jetzt Klarheit über ihr Schicksal?

Die Aufnahmen von Schiri Bibas und ihren Söhnen gingen um die Welt.
Foto: Maya Alleruzzo/AP/dpa

Zum ersten Mal seit Beginn des Gaza-Kriegs vor fast anderthalb Jahren plant die islamistische Hamas am Donnerstag, die Leichen von Menschen zu übergeben, die aus Israel entführt wurden. Laut Angaben der Hamas und israelischen Medienberichte sollen unter den vier Toten eine Mutter und zwei Kleinkinder sein, die alle auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Die vierte Geisel-Leiche soll laut den Angaben die eines älteren Mannes sein.

Am Vorabend der Übergabe teilte das Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit, dass die Liste der Toten vorliegt und die Familien informiert wurden. Die Leichen sollen zunächst dem Roten Kreuz im Gazastreifen übergeben werden, bevor sie an Israel weitergeleitet werden. In einem forensischen Institut in der Nähe von Tel Aviv soll die Identität festgestellt werden, danach werden die Angehörigen über das Ergebnis informiert.

Gibt es nun Klarheit über das Los der Bibas-Familie? 

Das Schicksal von Schiri, Ariel und Kfir Bibas ist nach wie vor unklar. Die Videoaufnahmen der verängstigten Mutter und ihrer beiden rothaarigen Söhne, die nach dem Massaker der Hamas-Terroristen im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober 2023 entführt wurden, sorgten weltweit für Aufsehen.

Die Hamas hatte angekündigt, dass die drei im November 2023 bei israelischen Bombardierungen im Gazastreifen ums Leben gekommen seien. Israel hat bisher den angeblichen Tod nicht bestätigt. Die Armee äußerte jedoch mehrmals große Besorgnis über das Schicksal der Mutter und ihrer beiden Söhne.

Der Vater der Kinder, Jarden Bibas, wurde kürzlich von der Hamas freigelassen. «Unglücklicherweise ist meine Familie nicht zu mir zurückgekehrt», teilte er nach seiner Rückkehr nach Israel mit. «Mein Licht ist immer noch dort (im Gazastreifen), und solange sie dort sind, ist hier alles düster.» 

Netanjahu spricht von «schwerem Tag» für Israel

Regierungschef Netanjahu sagte, Israel stehe ein «schwerer Tag» bevor. «Ein erschütternder Tag, ein Tag der Trauer.» Es zerreiße der ganzen Nation das Herz, aber «es sollte der ganzen Welt das Herz zerreißen, weil hier zu sehen ist, mit wem wir es zu tun haben, mit welchen Monstern».

Es könnte eine Weile dauern, bis es eine endgültige Gewissheit über die Identität der übergebenen Leichen gibt. Laut israelischen Medienberichten, die sich auf Gesundheitsminister Uriel Busso berufen, könnte der Identifizierungsprozess einige Zeit in Anspruch nehmen. Es wird auch die Todesursache überprüft werden.

Der genaue Ablauf der Übergabe, die am Morgen in Chan Junis erwartet wird, war zu Beginn unklar. Bisherige Geisel-Freilassungen hatte die Hamas immer als Machtdemonstration und Spektakel für Schaulustige inszeniert.

Rotes Kreuz ruft zu würdiger Übergabe auf 

Die israelischen Medien berichteten, dass ein Fahrzeug der Hamas die Leichen voraussichtlich zu Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) bringen werde. Diese würden die Leichen dann noch im Gazastreifen an die israelische Armee übergeben, in Anwesenheit eines Rabbiners. Die sterblichen Überreste sollten dann in Särge gelegt werden, die mit blau-weißen israelischen Flaggen eingewickelt würden.

Das Rote Kreuz rief dazu auf, die Übergabe «auf private und würdige Weise» zu gestalten. Jegliche erniedrigende Behandlung sei inakzeptabel. 

Als Gegenleistung für die vier Leichen wird Israel angeblich alle Frauen und Minderjährigen freilassen, die seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 festgenommen wurden und angeblich nicht am bewaffneten Kampf gegen Israel beteiligt waren.

Übergabe von sechs weiteren Geiseln am Samstag erwartet

Sechs weitere israelische Geiseln sollen am Samstag freikommen, in der kommenden Woche dann vier weitere Leichen übergeben werden. Seit Beginn der Waffenruhe im Gaza-Krieg am 19. Januar ließen die Islamisten in mehreren Runden 19 Geiseln frei. Zusätzlich kamen fünf aus Israel entführte Thailänder unabhängig von der Vereinbarung frei.

Das Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht vor, dass in einer ersten sechswöchigen Phase insgesamt 33 Geiseln im Austausch gegen 1.904 palästinensische Häftlinge freikommen. Laut Hamas sind acht dieser Geiseln bereits verstorben.

Hamas-Mann misshandelt? Reservisten in Israel angeklagt

Die Militärstaatsanwaltschaft Israels hat gemäß Angaben der Armee Anklage gegen fünf Reservisten erhoben, die angeblich an der schweren Misshandlung eines palästinensischen Gefangenen beteiligt waren. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, dem Inhaftierten schwere, auch sexualisierte Gewalt zugefügt zu haben. Laut israelischen Medien haben die Reservisten ein Hamas-Mitglied so brutal misshandelt, dass der Mann verletzt ins Krankenhaus gebracht werden musste. Er soll Berichten zufolge aus dem Gazastreifen stammen.

Die Angeklagten hätten am 5. Juli 2024 die Anweisung erhalten, den Häftling bei seiner Ankunft in der Militärbasis Sde Teiman nahe der Wüstenstadt Beerscheva zu durchsuchen, teilte Israels Militär mit. Dafür seien dem Gefangenen die Augen verbunden und seine Hände und Fußgelenke gefesselt worden. Die in halbjährigen Ermittlungen gesammelten Beweise seien «umfangreich und umfassten medizinische Unterlagen und authentisches Filmmaterial der installierten Überwachungskameras», teilte die Armee mit.

Israelische Militärpolizisten hatten zunächst zehn Soldaten in dem Fall festgenommen, aber später wurden fünf von ihnen wieder freigelassen. Berichte über schreckliche Bedingungen für palästinensische Häftlinge in israelischem Gewahrsam sind weit verbreitet und sorgen immer wieder für Schlagzeilen.

dpa