Nach vier langen Runden gibt es eine Einigung. Wer bei Bund oder Kommunen angestellt ist, kann sich auf mehr Geld freuen. Doch die Arbeitnehmer haben lange nicht alles durchgesetzt.
Mehr Geld und flexiblere Arbeitszeit im öffentlichen Dienst
Das war eine schwierige Situation. Seit Januar haben Arbeitgeber und Gewerkschaften über die zukünftigen Einkommen und Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen gestritten. Es gab immer wieder Warnstreiks – mal fuhren Busse nicht, mal blieb der Müll liegen, die Kita zu. Schlichter mussten vermitteln. Nun gibt es endlich einen Tarifabschluss. Weitere Streiks sind abgesagt. Und eine mögliche schwarz-rote Koalition hat zumindest einen Konflikt weniger auf der Tagesordnung. Sie muss sich jedoch auf Milliardenkosten einstellen.
«Wir sind an die Grenze dessen gegangen, was wir bei schwieriger Haushaltslage verantworten können», sagte die geschäftsführende Innenministerin Nancy Faeser (SPD), als sie am Sonntagvormittag gemeinsam mit Gewerkschaften und Kommunen die Einigung verkündete. Auch Gewerkschaften meinten: «Ein schwieriges Ergebnis in schwierigen Zeiten». Aber letztlich gelungen.
Welche Berufsgruppen profitieren vom Ergebnis?
Der Tarifabschluss betrifft über 2,5 Millionen Beschäftigte der Kommunen und des Bundes. Dies umfasst Angestellte in den Verwaltungen, Kitas, Schulen, Nahverkehr, Abfallbetrieben, Klärwerken, Bädern, Pflegeeinrichtungen und Flughäfen. Normalerweise wird der Abschluss später auf Beamtinnen und Beamte übertragen, doch dies soll diesmal von der neuen Bundesregierung entschieden werden. Nicht betroffen sind Mitarbeiter der Länder, wie z.B. Lehrer, für die im Herbst separat verhandelt wird.
Wie viel Geld gibt es mehr?
Die Mitarbeiter erhalten in zwei Schritten mehr Geld: Ab dem 1. April 2025 drei Prozent, jedoch mindestens 110 Euro mehr pro Monat. Der zweite Schritt erfolgt ab dem 1. Mai 2026 in Höhe von 2,8 Prozent. Des Weiteren sollen ab dem 1. Juli 2025 Zulagen für Schichtarbeit von 40 auf 100 Euro und für Wechselschichtarbeit von 105 auf 200 Euro erhöht werden. Außerdem ist geplant, dass das 13. Monatsgehalt ab 2026 steigt.
Frank Werneke, der Vorsitzende von Verdi, erklärte, dass das Gehalt für eine Erzieherin oder einen Erzieher während der Laufzeit um etwa 230 Euro steigen würde, für einen Müllwerker um 200 Euro.
Ist das alles?
Nein, es ist geplant, dass die Arbeitszeit deutlich flexibler wird. Mitarbeiter können beispielsweise Teile des erhöhten 13. Monatsgehalts in bis zu drei zusätzliche freie Tage umwandeln. Diese Regelung gilt jedoch nicht für kommunale Krankenhäuser, da es dort schwierig ist, Ersatz zu finden. Ab 2027 wird ein zusätzlicher Urlaubstag gewährt.
Ab dem Jahr 2026 sollen die Mitarbeiter die Option haben, ihre wöchentliche Arbeitszeit freiwillig und zeitlich begrenzt auf bis zu 42 Stunden zu erhöhen, um mehr zu arbeiten und entsprechend auch mehr zu verdienen.
Wer hat sich durchgesetzt?
Das Paket ist vielfältig, sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeber haben einige Punkte gesetzt – und mussten an anderer Stelle Kröten schlucken. Die Gewerkschaften hätten vor allem beim Thema flexible Arbeitszeit gern noch mehr erreicht und wollen in späteren Tarifrunden nachlegen. Die Berufe müssten attraktiver werden, denn es gebe Hunderttausende unbesetzte Stellen, erklärte Werneke. Außerdem mussten sich die Gewerkschaften mit drei sogenannten Leermonaten zufriedengeben, da die Lohnerhöhung erst ab April greift und nicht schon im Januar. Dadurch sparen die Arbeitgeber einiges an Geld.
Als Gegenleistung mussten Bund und Kommunen akzeptieren, dass die Mitarbeiter möglicherweise in Zukunft weniger arbeiten und öfter Lücken füllen müssen. Dies kann in Berufen mit Fachkräftemangel zu einer Herausforderung werden.
Zuletzt hakten die Gespräche am Vorschlag, die Arbeitszeit freiwillig auszudehnen auf 42 Wochenstunden. Die Gewerkschaften befürchteten Nachteile bei Neueinstellungen oder befristeten Verträgen, wenn Beschäftigte zu dieser Aufstockung nicht bereit sind. Nun wurde laut Werneke vereinbart: «Niemand kann gedrängt werden, mehr zu arbeiten.» Und wer freiwillig mehr arbeite, erhalte dafür auch einen Aufschlag. Die Regelung soll nach fünf Jahren überprüft werden.
Kann sich der Staat das Paket leisten?
Die Arbeitgeber Bund und Kommunen werden mit Mehrkosten konfrontiert, die jedoch in unterschiedlicher Höhe liegen. Laut Innenministerium belaufen sich die Mehrkosten für den Bund auf rund 1,94 Milliarden Euro über die gesamte Laufzeit von 27 Monaten. Dies sollte an sich kein großes Problem darstellen. Allerdings ist in dieser Rechnung noch nicht berücksichtigt, dass die Ergebnisse voraussichtlich auf die Beamten übertragen werden – was die Kosten deutlich erhöhen dürfte. Insgesamt scheint der Abschluss für die kommende Koalition unter CDU-Chef Friedrich Merz jedoch verkraftbar zu sein.
Bei den Kommunen ist das schon kritischer. Welge nannte Kosten von mehr als zehn Milliarden Euro jährlich. Und einige Kommunen sind so hoch verschuldet, dass sie schon jetzt bei der Sanierung von Schwimmbädern und Schulen sparen müssen. Dazu kommt die maue Wirtschaftslage, die sie Gewerbesteuer-Einnahmen kosten wird. Die Kommunen seien einfach unterfinanziert, sagte selbst Gewerkschaftschef Werneke. «Sie bluten aus.»
Der Landrat von Meißen, Ralf Hänsel (CDU), äußerte sofort seine Besorgnis, dass das Ergebnis die Städte und Gemeinden überfordern würde. Die Kommunen haben das größte Finanzierungsdefizit seit der Wiedervereinigung. Obwohl der Kommunale Arbeitgeberverband Sachsen gegen den Abschluss gestimmt hat, muss er ihn nun dennoch umsetzen.
Gibt es jetzt keine Streiks mehr?
Der Tarifvertrag gilt rückwirkend ab dem 1. Januar 2025 und hat eine Dauer von 27 Monaten. Daher wird voraussichtlich bis Ende März 2027 Ruhe an der Streikfront herrschen. Diese Regelung betrifft jedoch nur diesen Tarifkonflikt.
In Berlin könnte es bald wieder zu Streiks von Bus- und U-Bahn-Fahrern kommen, da sie eine andere Tarifvertrag erhalten sollen. Gegen Ende des Jahres beginnen auch die Tarifverhandlungen für die Angestellten der Länder – und es besteht die Gefahr von Warnstreiks, beispielsweise von Lehrern.