Die Wagenknecht-Partei hat friedenspolitische Forderungen zur Bedingung für Koalitionsverhandlungen gemacht. In Erfurt und Potsdam verkünden die Verhandler nun Kompromisse.
Thüringen und Brandenburg vor Koalitionsgesprächen mit BSW
In Brandenburg und Thüringen wird über Koalitionsverhandlungen mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) diskutiert. In Erfurt haben die Landesvorsitzenden von CDU, BSW und SPD nach schwierigen Verhandlungen einen Kompromiss zu umstrittenen außenpolitischen Forderungen der Wagenknecht-Partei für die Präambel eines möglichen Regierungsvertrags verkündet. Die Koalitionsgespräche sollen am Dienstag beginnen. Die Zustimmung des BSW-Landesvorstands steht jedoch noch aus.
In Brandenburg haben die Landesvorsitzenden von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ministerpräsident Dietmar Woidke und Robert Crumbach, ihren Parteigremien empfohlen, Verhandlungen zur Regierungsbildung aufzunehmen. Die Gremien trafen sich am Abend zu Beratungen.
Das BSW und seine Bundesparteichefin Wagenknecht hatten während der Verhandlungen auch gefordert, dass die möglichen Koalitionspartner ihre friedenspolitischen Forderungen unterstützen – insbesondere in Bezug auf diplomatische Bemühungen im Ukraine-Krieg und die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. In Erfurt war daher das Vorhaben einer sogenannten Brombeer-Koalition zeitweise gefährdet.
Brandenburger Entwurf kritisiert Raketenpläne
Die nun in den beiden Ländern gefundenen Kompromisse unterscheiden sich. Die Verhandler von SPD und BSW in Brandenburg schrieben in ihren Entwurf, dass sie die – von SPD-Kanzler Olaf Scholz mit den USA vereinbarten – Raketenpläne kritisch sähen. Das Erfurter Papier erkennt dagegen nur an, dass «viele Menschen in Thüringen» die Stationierung kritisch sähen beziehungsweise ablehnten. «Die künftige Regierung des Freistaates Thüringen fördert eine breit angelegte Debatte und verleiht auch dieser Haltung im Sinne eines nachhaltigen Einsatzes für Frieden eine öffentliche Stimme.»
Zudem heißt es dort: «Im Rahmen der europäischen und bundesstaatlichen Ordnung unterstützen wir alle diplomatischen Initiativen, den von Russland gegen die Ukraine entfesselten Angriffskrieg zu beenden.» Unterschiede werden offen ausgesprochen: CDU und SPD sähen sich in der Tradition von Westbindung und Ostpolitik. «Das BSW steht für einen kompromisslosen Friedenskurs.»
Im Brandenburger Entwurf heißt es: «Wir sind übereingekommen, dass wir uns (…) dafür einsetzen, eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts und den Abbau der damit verbundenen Spannungen innerhalb Europas durch Verhandlungen mit den Konfliktparteien mit dem Ziel von Waffenstillstand und dauerhaftem Frieden voranzutreiben.» Zugleich bekennt sich das Papier aber zur «Verteidigungsfähigkeit unseres Landes» und zur Stärkung der Bundeswehr.
Thüringer Einigung laut BSW-Landeschefin intensiv mit Wagenknecht diskutiert
«Es ist uns gelungen einen Konsens zu finden», sagte Thüringens CDU-Chef Mario Voigt. Die Verhandlungen waren am Freitag zunächst gestoppt und am Sonntag wieder aufgenommen worden. BSW-Landeschefin Katja Wolf sagte mit Blick auf Bundes-Parteichefin Sahra Wagenknecht, die Einigung sei intensiv diskutiert worden. «Zustimmung ist rein formal nicht vorgesehen.»
Der Vorstand des Thüringer BSW und insbesondere Wagenknecht hatten vor mehr als einer Woche die Vereinbarung einer Friedensformel für die Präambel eines potenziellen Koalitionsvertrages als Voraussetzung für den Beginn von Koalitionsverhandlungen in Erfurt festgelegt. Bevor es zum Streit kam, hatten die drei Parteien bereits ein Sondierungspapier vereinbart, dem auch die Parteivorstände bereits zugestimmt hatten.
Schwierige Gemengelage nach Landtagswahlen
CDU, BSW und SPD haben zusammen nur die Hälfte der Sitze im Thüringer Landtag – um das Patt zu lösen, bräuchte es mindestens eine Stimme aus der Opposition. Trotz des Ergebnisses der Landtagswahl scheint eine Brombeer-Koalition kaum vermeidbar zu sein, da alle Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ablehnen, einschließlich der CDU mit der Linken. Die einzige Möglichkeit wäre eine Minderheitsregierung der CDU möglicherweise in Zusammenarbeit mit der SPD, die jedoch sowohl die BSW als auch die Linke für Mehrheiten benötigen würde. Bei der Landtagswahl in Thüringen wurde die AfD erstmals in Deutschland mit 32,8 Prozent zur stärksten Partei.
In Brandenburg ist die Lage etwas einfacher, dort hätte ein Bündnis aus SPD und BSW eine Mehrheit im Landtag. «Es ist jetzt die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass Brandenburg ein Land ist, das eine sichere Regierung bekommt», sagte Woidke. Das Sondierungsergebnis sei eine «Zwischenetappe». «Die richtige Herausforderung kommt mit den Koalitionsverhandlungen.»
Sondierungen in Sachsen gehen weiter
Auch in Sachsen gehen Bemühungen um eine Regierungsbildung von CDU, BSW und SPD weiter, nachdem die Sozialdemokraten sie zwischenzeitlich ausgesetzt hatten. Grund dafür war, dass die Mehrheit der BSW-Abgeordneten im Landtag einem AfD-Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Corona-Pandemie zugestimmt hatte. Die Spitzen der drei Parteien einigten sich nun auf eine Fortsetzung der Sondierungen. «Das Abstimmungsverhalten im Plenum sowie Missverständnisse im Umgang miteinander wurden dabei angesprochen und ausgeräumt», teilten die Parteien mit.