Das Thema Gaza-Krieg birgt Konfliktpotenzial. Erdogan sieht sich als Fürsprecher der Palästinenser und pflegt enge Beziehungen zur Hamas.
Trump und Erdogan: Knackpunkte bei Treffen im Weißen Haus
«Freund», «geschätzter Kollege» – mit warmen Worten umschmeicheln sich US-Präsident Donald Trump und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im Vorfeld ihres Gesprächs in Washington. Erstmals seit 2019 wird der Präsident aus Ankara im Weißen Haus empfangen. Doch die beiden Präsidenten trennt vieles. Um diese fünf Knackpunkte könnte es bei ihrem Treffen gehen:
Gaza-Krieg
Besonders das Thema Gaza-Krieg birgt Konfliktpotenzial. Während Trump eng an der Seite Israels steht, geht Erdogan den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu scharf an. Regelmäßig vergleicht er ihn mit Hitler und nennt ihn «Schlächter von Gaza». Vor der UN-Vollversammlung in New York warf Erdogan der israelischen Regierung erneut «Genozid» und die gezielte Vertreibung der Palästinenser vor.
Erdogan betrachtet sich als Unterstützer der Palästinenser in der muslimischen Welt. Er pflegt auch enge Beziehungen zur islamistischen Hamas, die von Israel im Gazastreifen bekämpft wird. Es wird angenommen, dass Mitglieder dieser Terrorgruppe auch in der Türkei präsent sind.
Nach dem Angriff auf Hamas-Führer in Katar Anfang September wurde die Frage aufgeworfen, ob auch ein israelischer Angriff auf die Hamas in der Türkei möglich wäre. Die Frage, ob die Türkei Hamas-Funktionären weiterhin Unterkunft gewähren wird, könnte Gegenstand der Gespräche mit Trump sein.
Ukraine-Krieg
Die Türkei unterhält enge Beziehungen zu Russland und der Ukraine, lehnt westliche Sanktionen gegen Moskau ab und importiert weiterhin große Mengen günstiger Energie. Trump stört es, dass Russland seinen Krieg durch den Verkauf von Energie finanzieren kann. Daher erhöhte er den Druck und verknüpfte kürzlich neue US-Sanktionen gegen Moskau mit harten Bedingungen: Europäische Partner – und ausdrücklich auch die Türkei – sollen russische Energie boykottieren und höhere Zölle auf chinesische Waren erheben.
Die Türkei sieht sich gleichzeitig als Vermittler in dem Konflikt. Sie hat bereits mehrfach Friedensverhandlungen ausgerichtet. Erdogan strebt auch danach, Gastgeber für direkte Gespräche zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu sein. Dies würde Prestige versprechen und von einer Verhaftungswelle gegen Oppositionspolitiker ablenken.
Rüstung
Laut Trump wird es beim Thema Rüstung um den langjährigen Konflikt über Kampfjet-Programme gehen. Die Türkei war ursprünglich Partner beim US-geführten F-35-Projekt, wurde jedoch 2019 nach dem Kauf des russischen Luftabwehrsystems S-400 ausgeschlossen – aus Sicht Washingtons ein unvereinbares Sicherheitsrisiko für die Nato. Ankara hofft nun auf eine Wiederaufnahme und drängte außerdem auf den Erwerb neuer Maschinen für die F-16-Flotte. Nach langem Zögern gaben die USA dem milliardenschweren Geschäft grünes Licht, kurz nachdem die Türkei den Nato-Beitritt Schwedens ratifiziert hatte.
Syrien
In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Spannungen zwischen Washington und Ankara über Syrien. Die Türkei war verärgert über die Unterstützung der syrischen Kurdenmiliz YPG durch Washington im Kampf gegen den IS. Ankara betrachtet sie als Terrorgruppe und Ableger der verbotenen PKK. Nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien haben sich jedoch die Interessen beider Länder überschnitten. Beide wollen die Stabilisierung Syriens vorantreiben und ein Erstarken des IS verhindern. Für Trump ist die Türkei ein wichtiger Nato-Partner in der Region, als Gegengewicht zum Iran oder Russland.
Boeing-Deal
Trump hat auch den Verkauf mehrerer Flugzeuge des US-Konzerns Boeing an die halbstaatliche Fluggesellschaft Turkish Airlines geplant. Die türkische Opposition beschuldigte Erdogan, das Treffen mit Trump, das als politisches Kapital für den umstrittenen Staatschef angesehen wird, durch einen Deal über 300 Flugzeuge erlangt zu haben. Erdogan bestritt dies. Turkish Airlines teilte mit, dass die Verhandlungen schon lange im Gange seien und es noch keine Entscheidung gebe.