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«Trump ist inakzeptabel» – Republikaner werben für Harris

Applaus für die Demokratin Harris im wichtigen Swing State Arizona: Republikaner wollen dort und anderswo ihren eigenen Kandidaten Trump verhindern. Was motiviert die abtrünnigen Republikaner?

Die Demokratin Harris umwirbt Konservative. (Archivbild)
Foto: Ross D. Franklin/AP/dpa

Es ist schwül, als die Anhänger von Kamala Harris bei 37 Grad in der Sonne Schlange stehen. Wasser und Schirme werden verteilt, um Schatten zu spenden. Glücklicherweise dauert es nicht lange, bis sie im Veranstaltungsraum eines Golfclubs in Scottsdale ankommen. Die exklusive Veranstaltung in Arizona ist für die demokratische Präsidentschaftskandidatin Harris ungewöhnlich, da sie hier auf konservative Unterstützer trifft, die normalerweise Republikaner sind und Trump als zu extrem empfinden.

Unterstützung für Harris aus dem konservativen Lager

Arizona im Südwesten der USA ist ein hart umkämpfter Bundesstaat bei Wahlen – jede Stimme zählt. Trump gewann hier 2016, Biden siegte knapp 2020. In Umfragen für die Wahl am 5. November in Arizona liegen Harris und ihr republikanischer Rivale Trump ungefähr gleichauf, wobei Trump einen leichten Vorsprung innerhalb der Fehlertoleranz hat.

Gemäß einer aktuellen landesweiten Umfrage hat die 59-jährige Demokratin zuletzt bei Republikanern an Zustimmung gewonnen. Während drei Prozent der befragten Demokraten angaben, ihre Stimme Trump zu geben, erklärten neun Prozent der befragten Republikaner, für Harris stimmen zu wollen. Einen Monat zuvor waren es nur fünf Prozent.

Trump hat einige Anhänger in der eigenen Partei mit seiner harschen Rhetorik und seinen radikalen Positionen verängstigt – ein bekanntes Beispiel ist Liz Cheney, die aus der Parteiführung entfernt wurde. Es ist jedoch unklar, ob die konservativen Trump-Gegner den Ausschlag für Harris geben können. Harris kämpft hart um jede Stimme, da das Rennen äußerst knapp sein könnte.

«Land über Partei»

Im Golfclub in Scottsdale bei Phoenix wird die US-Vize euphorisch empfangen. «Kamala, Kamala, Kamala», ruft das Publikum. Das Motto heißt «Country over Party» – also «Land über Partei». Harris umwirbt die Konservativen: «Jeder von Ihnen hatte den Mut zu sagen: Hey, wir sind vielleicht nicht in allen Punkten einer Meinung.» Aber bestimmte Prinzipien dürften nicht infrage gestellt werden. Harris spricht mit Bewunderung über den republikanischen Senator John McCain aus Arizona, der 2018 starb. In seinen letzten Jahren war er zu einer Art Intimfeind Trumps geworden. Harris warnt davor, dass die USA unter Trump in der Welt nicht mehr ernst genommen würden. Dabei brauche es ein starkes Amerika. Applaus.

Am Ende ihrer kurzen Rede nimmt sich die Demokratin viel Zeit für Fotos. Das Publikum ist weiß und wirkt eher wohlhabend. Eine ältere Frau berichtet, dass sie ihre Unterstützung für Harris in ihrem Freundeskreis nicht öffentlich macht, da die Stimmung einfach zu aufgeladen sei. Drei Abtrünnige aus Arizona, die sich aus der Kirche kennen und sich gegen Trump engagieren, berichten, was Republikaner zu Harris treibt.

Amy Wudel:

«Ich war mein ganzes Wahlleben lang eine konservative Republikanerin. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal nicht für die Republikaner stimmen würde», sagt die Mormonin. Das habe sich 2016 geändert, als Trump das erste Mal für die Republikaner antrat – und die Präsidentschaftswahl gewann. «Er war völlig ungeeignet und inakzeptabel.» Während des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021 seien «die schlimmsten Alpträume» wahr geworden, sagt Wudel. Trump sei nicht nur eine Gefahr für die Demokratie, sondern für die ganze Welt, da er sich von Diktatoren leiten lasse. 

Jane Andersen:

«Ich werde für Harris stimmen, und ich bin immer noch eine eingetragene Republikanerin», sagt die Ende 40-Jährige, die sich bei verschiedenen konservativen Initiativen engagiert. Letztendlich höre sie bei Entscheidungen auch aufmerksam auf religiöse Führungspersönlichkeiten. Diese würden ihr mit auf den Weg geben, dass wichtige Kriterien für einen Präsidenten Integrität, Mitgefühl und der Dienst am Nächsten seien – eine Führungsfigur müsse vereinen. «Das sehe ich bei Trump nicht, und deshalb werde ich definitiv nicht für ihn stimmen.» Die Republikaner hätten sich von ihr entfernt. Doch sie lasse sich nicht aus der Partei verjagen, auch wenn ihr manchmal Wut entgegenschlage.

Clint Smith:

Der Wendepunkt für Smith war der Sturm auf das Kapitol. «Ich bin im Herzen ein Konservativer», sagt der Anwalt, der sich 2022 als Unabhängiger erfolglos für einen Sitz im US-Repräsentantenhaus bewarb. «Die gesamte republikanische Führung ist einfach auf den Zug aufgesprungen ist, obwohl sie es besser wusste», sagt er über die Zeit nach dem 6. Januar. Die Führung habe die Partei damit im Stich gelassen. Smith fürchtet, dass Trump nach einer zweiten Amtszeit seinen Posten nicht verlassen würde. «Und wenn man darüber nachdenkt, was ist dann noch wichtig?» Man könne über alles streiten – Abtreibung oder Migration. «Aber für mich ist es ein No-Go, wenn man die Rechtsstaatlichkeit nicht achten kann.»

Trump-Getreue Lake will in den Senat

Smith bemerkt auch, dass die Republikaner in ihrer Bewunderung für Trump den Fokus darauf verloren haben, wie man Wahlen gewinnt. Ein herausragendes Beispiel ist die Kandidatin der Partei in Arizona für den US-Senat, Kari Lake. Die ehemalige Fernsehmoderatorin zählt zu den leidenschaftlichsten Unterstützern Trumps, sie strebte bereits das Amt der Gouverneurin von Arizona an – und verlor. Sie leugnet die Niederlage und verbreitet Verschwörungstheorien. Lake symbolisiert die radikale Ausrichtung der Partei.

Lake nimmt am Rennen um den wichtigen Senatssitz teil, über den auch am 5. November abgestimmt wird. Trump hat die Partei fest im Griff, da Lake in Umfragen deutlich hinter dem Demokraten Ruben Gallego liegt, der als bemerkenswert liberaler Kandidat für das moderate Arizona gilt. Trotzdem kann Lake nicht überzeugen, da sie wie Trump einigen als zu extrem erscheint.

Nicht jedoch allen: Ein Wochenende lang kann man sie in einer Sporthalle in der Stadt Tempe östlich von Phoenix antreffen. Lake erscheint 45 Minuten zu spät. Sie ist zugänglich und beobachtet die Turnübungen der Kinder, schüttelt Hände und posiert für Fotos. Ihr Auftreten unterscheidet sich von ihren Reden auf großen Bühnen, in denen sie gegen alles und jeden wettert. Viele Eltern sind gekommen, deren Kinder in der Sporthalle trainieren.

«Lieber ehrlich und gemein als nett und verlogen»

Doch nicht nur: Der 20 Jahre alte Austin Andrews ist Lake-Anhänger. Am meisten beschäftigen ihn die Themen Abtreibung und Migration. Arizona grenzt an Mexiko – die Lage an der Grenze ist angespannt. Harris wirft er vor, bei der Wahl betrügen zu wollen – und wiederholt damit haltlose Behauptungen Trumps. Lake sei eine «gute Kämpferin», sagt er. Andrews schreckt Lakes oder Trumps harsche Rhetorik nicht ab: «Ich habe lieber ehrliche Menschen, die gemein sind, als nette Menschen, die lügen.»

dpa