Wenn die letzten lebenden Geiseln aus Gaza heimkehren, dürfte es bewegende Szenen geben. Derweil erwarten Palästinenser die Freilassung Hunderter Häftlinge aus Israel. Für Trump ist der Krieg vorbei.
Israel erwartet Geiseln – Trump: Gaza-Krieg ist vorbei
Die ganze Welt hat auf diesen Moment gewartet: In den nächsten Stunden soll im Gazastreifen unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Übergabe der letzten noch lebenden Geiseln durch die islamistische Hamas beginnen. Sie sollen an drei verschiedenen Orten an Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) übergeben werden, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Hamas-Kreisen erfuhr. Israelischen Angaben zufolge handelt es sich um 20 Entführte. Im Gegenzug muss Israel gemäß dem Waffenruhe-Abkommen knapp 2.000 palästinensische Häftlinge aus seinen Gefängnissen freilassen. Darunter sind bis zu 250, die zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurden.
Ein Vertreter des israelischen Militärs gab bekannt, dass die Hamas wahrscheinlich nicht in der Lage sein wird, alle 28 toten Geiseln innerhalb der vereinbarten 72-Stunden-Frist der Waffenruhe zu übergeben. Es gibt Bedenken in Israel, dass die Hamas nicht alle Leichen im weitgehend zerstörten Gazastreifen finden oder dies behaupten kann. Neben der Hamas waren auch andere islamistische Terrorgruppen an dem Angriff am 7. Oktober 2023 in Israel beteiligt. Dabei wurden rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 als Geiseln nach Gaza gebracht. Dies war der Auslöser für den Krieg.
Trump: «Der Krieg ist vorbei»
Nach Auffassung von US-Präsident Donald Trump ist der Krieg im Gazastreifen ungeachtet der noch ausstehenden weiteren Friedensverhandlungen vorbei. «Der Krieg ist zu Ende», sagte der Republikaner an Bord der Air Force One zu Journalisten auf dem Weg nach Israel. Er gehe davon aus, dass die Waffenruhe halte. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte dagegen zuvor gesagt, der Kampf sei noch nicht vorbei. «Es liegen noch große Sicherheitsherausforderungen vor uns.» Einige Feinde versuchten, sich zu erholen, um erneut anzugreifen, hatte der israelische Regierungschef gesagt.
Netanjahu sprach am Vorabend der erwarteten Übergabe der Geiseln von einem «historischen Ereignis». Es sei «der Beginn eines neuen Weges. Ein Weg des Aufbaus, ein Weg der Heilung», sagte er in einer Videoansprache. Der Tag werde neben der Freude über die Rückkehr der entführten Geiseln aber auch von Trauer über «die Freilassung der Mörder» geprägt sein, fügte er mit Blick auf die freizulassenden palästinensischen Häftlinge hinzu.
Nachdem die Geiseln an Mitarbeiter des IKRK übergeben wurden, sollen sie dann innerhalb des Küstenstreifens an das israelische Militär übergeben werden. Im Militärlager Reim am Rande des Gazastreifens ist ein erstes Treffen mit Angehörigen, eine medizinische Untersuchung und die Möglichkeit zum Duschen und Kleiderwechsel geplant. Anschließend werden die Menschen in Krankenhäuser zur weiteren Behandlung gebracht. Israel soll auch die sterblichen Überreste von 27 weiteren Geiseln der Hamas und eines bereits 2014 getöteten israelischen Soldaten übergeben werden.
Trump vor Abflug nach Israel: «Alle jubeln gleichzeitig»
Trump will am Vormittag (Ortszeit) in Israel zunächst Angehörige der Geiseln treffen und dann vor der Knesset – dem israelischen Parlament – eine Rede halten. Am Nachmittag will er dann zu einer «Nahost-Friedenszeremonie» anlässlich des von ihm vermittelten Abkommens zwischen Israel und der Hamas in den ägyptischen Küstenort Scharm el Scheich weiterreisen. Dort werden mehr als 20 Staats- und Regierungschefs erwartet, unter anderem aus Europa und der arabischen Welt. Anreisen wird auch Bundeskanzler Friedrich Merz.
Kurz vor seinem Abflug nach Nahost sagte Trump Journalisten über den Verhandlungserfolg: «Alle jubeln gleichzeitig. Das ist noch nie zuvor passiert. Normalerweise jubelt nur einer, während der andere das Gegenteil tut.» Es sei das erste Mal, dass alle begeistert seien, sagte der Republikaner.
Lage im Gazastreifen verzweifelt
Nach zwei Jahren Krieg ist die Situation für die Palästinenser im von Israel abgeriegelten Gazastreifen verzweifelt. Hunderttausende Menschen müssen sich in einer weitgehend zerstörten Trümmerlandschaft zurechtfinden, die vermutlich von Blindgängern übersät ist und in der sie nur durch anhaltende externe Hilfe überleben können.
Seit Beginn der Waffenruhe hat Israel die Einfuhr von mehr Hilfsgütern in das Gebiet erlaubt: Täglich sollen rund 600 Lastwagen einfahren. Das ist nach UN-Angaben die Mindestmenge, um die Bevölkerung zumindest mit dem Nötigsten zu versorgen. Laut israelischen Sicherheitskreisen soll auch die Reparatur von Wasserleitungen, Abwassersystemen und Bäckereien möglich sein.
Israels Präsident Izchak Herzog hatte am Vortag der geplanten Übergabe der Entführten auf dem sogenannten Geiselplatz in Tel Aviv gesagt, viele der Feinde und Kritiker Israels neigten dazu, dem Land zu unterstellen, den konstanten Kampf gegen die Gegner zu suchen. Das sei nicht wahr. «Sobald die Geiseln zurück sind, wird Israel keinen Krieg führen. Israel ist verpflichtet, dieses Abkommen einzuhalten, und will nach Frieden mit seinen Nachbarn streben und endlich eine Wende in der Zukunft der Region herbeiführen», sagte er.
Es ist jedoch unklar, ob das Abkommen zu einem langfristigen Ende der Kämpfe in Gaza führen wird. Zwei der größten Streitpunkte bleiben die Entwaffnung der Hamas, wie sie im Friedensplan von Trump vorgesehen ist, und der vollständige Abzug der israelischen Armee aus dem Gebiet. Nach einem vereinbarten Rückzug bleibt sie jedoch weiterhin etwa die Hälfte von Gaza besetzt. Die Hamas bestreitet weiterhin das Existenzrecht Israels, während Netanjahu und seine rechtsextremen Regierungspartner die Hamas vollständig vernichten wollen.