Israel greift die Hamas-Spitze in Doha an, sechs Menschen werden getötet. Die USA und Katar verurteilen das Vorgehen und warnen vor Folgen für die Verhandlungen über eine Gaza-Waffenruhe.
Trump nicht begeistert über Israels Angriff in Katar
Die USA haben einen Überraschungsangriff Israels auf die Führungsspitze der islamistischen Terrororganisation Hamas in Katar deutlich kritisiert. «Ich bin nicht begeistert davon», sagte US-Präsident Donald Trump in Washington. Das Weiße Haus hatte bereits zuvor mitgeteilt, Trump bedauere, dass der Golfstaat Ort eines israelischen Angriffs auf die Hamas geworden sei. Der Republikaner betrachte Katar als engen Verbündeten und Freund der USA. Derweil will sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen heute (21.00 Uhr MESZ) in einer Dringlichkeitssitzung mit dem Angriff beschäftigen.
Hamas: Israels Angriff auf Verhandlungsteam in Katar gescheitert
Die Hamas bezeichnete den Angriff in der katarischen Hauptstadt Doha als «gescheitert». Kein Mitglied ihres Verhandlungsteams sei dabei getötet worden, hieß es in einer Mitteilung der Palästinenserorganisation. Bei dem Angriff seien aber sechs Menschen ums Leben gekommen. Darunter seien der Sohn des höchstrangigen Hamas-Anführers im Ausland, Chalil al-Haja, sowie dessen Büroleiter.
Al-Haja ist der führende Hamas-Vertreter im Ausland, der auch die Hamas-Delegation bei den indirekten Verhandlungen mit Israel über eine Waffenruhe leitet. Al-Haja verbrachte größtenteils seine Zeit in Katar. Andere ranghohe Hamas-Beamte im Ausland leben hauptsächlich ebenfalls in Katar oder in der Türkei. Israel hatte zuletzt mit Angriffen auf Hamas-Führer im Ausland gedroht.
Netanjahu: Angriff auf Hamas-Spitze «optimal und präzise»
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte den Luftangriff, an dem nach Medienberichten mehrere Kampfjets und Drohnen beteiligt waren, «optimal und präzise». Es sei eine Reaktion auf den tödlichen Anschlag zweier Hamas-Mitglieder in Jerusalem, bei dem am Montag sechs Menschen getötet worden waren, und einen tödlichen Hamas-Angriff auf Soldaten im Gazastreifen.
«Die Tage, an denen Terroranführer an irgendeinem Ort der Welt Immunität genossen haben, sind vorbei», sagte Netanjahu. Israels Feinde müssten wissen, dass Juden seit Einrichtung des Staates Israel nicht mehr schutzlos ausgeliefert seien. Der israelische Armeesender berichtete, der Angriff mit dem Codenamen «Feuergipfel» habe der verbliebenen Führungsriege der Islamistenorganisation gegolten.
Katar: Wurden über Israels Angriff nicht vorab informiert
Der Sprecher des katarischen Außenministeriums, Madschid al-Ansari, nannte Berichte, Katar sei vor dem Angriff informiert worden, «komplett falsch». Ein US-Regierungsvertreter habe in dem Moment in Katar angerufen, als die Explosionen bereits zu hören waren. Al-Ansari widersprach damit einer ersten US-Darstellung. Die US-Regierungssprecherin Karoline Leavitt sagte, Trump habe seinen Nahost-Sondergesandten Steve Witkoff angewiesen, Katar über den bevorstehenden Angriff zu informieren.
Der US-Präsident ergänzte später in einem Post auf seiner Plattform Truth Social, dass Witkoff Katar informiert habe. Es sei aber zu spät gewesen, um den Angriff aufzuhalten. Auf die Frage, wie er von dem Angriff erfahren habe, sagte der Republikaner am Dienstagabend (Ortszeit), er werde an diesem Mittwoch eine vollständige Erklärung abgeben. «Aber ich sage Ihnen Folgendes: Ich war sehr unglücklich darüber. Sehr unglücklich über jeden Aspekt.»
Der katarische Sprecher Al-Ansari sagte, es handle sich bei dem Angriff um einen «eklatanten Verstoß gegen alle internationalen Rechte und Normen» und eine «ernsthafte Gefahr für die Sicherheit» der Bevölkerung in Katar. Sein Land setzte vorerst seine Rolle als Vermittler zwischen den beiden Konfliktparteien, Israel und Hamas, im Gaza-Krieg aus.
Zusammen mit Ägypten und den USA vermittelt Katar im Gaza-Krieg zwischen Israel und der Hamas. Die Verhandlungen um eine Waffenruhe kommen jedoch seit Monaten nicht voran.
Nach Angaben aus Katar richtete sich der Angriff auf ein Wohnhaus von Hamas-Vertretern. In der Nähe befinden sich laut Angaben auch mehrere Schulen, Kindergärten, eine Tankstelle, ein Park sowie die Botschaften Polens, Russlands und der Philippinen.
USA: Bombardierung dient weder Israels noch Amerikas Zielen
In der Stellungnahme, die US-Sprecherin Leavitt vortrug, hieß es, eine «einseitige Bombardierung innerhalb Katars als souveränem Staat und engem Verbündeten der Vereinigten Staaten», diene weder Israels noch Amerikas Zielen. Das Land habe sich gemeinsam mit den USA «engagiert und mutig» für den Frieden eingesetzt. Der Präsident wolle, dass der Krieg ende und alle Geiseln aus dem Gazastreifen freigelassen würden.
Es gibt immer noch 48 Geiseln im Gazastreifen, von denen nach israelischen Informationen 20 noch am Leben sind. Auch nach dem Angriff in Katar äußerten Angehörige große Besorgnis über das Schicksal der Geiseln.
Die Hamas sagte, dass der Angriff auf ihre Verhandlungsdelegation, die gerade über einen Vermittlungsvorschlag Trumps beraten wollte, einmal mehr beweise, dass Netanjahu und seine Regierung nicht die Absicht hätten, ein Abkommen zu erzielen.
Merz nennt israelischen Angriff «nicht akzeptabel»
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nannte die Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität Katars in einem Telefonat mit Emir Tamim bin Hamad Al Thani «nicht akzeptabel», wie Regierungssprecher Stefan Kornelius mitteilte. Auch Außenminister Johann Wadephul verurteilte den Angriff. Der britische Premier Keir Starmer bezeichnete Israels Vorgehen als einen «eklatanten Verstoß gegen die Souveränität Katars» und warnte vor einer weiteren Eskalation der Lage.
Provokative Äußerungen des Hamas-Anführers
Al-Haja hatte das Abkommen über eine Waffenruhe zu Jahresbeginn als Triumph über Israel beschrieben. Die im Januar in Kraft getretene Waffenruhe brach nach zwei Monaten zusammen. Israel hatte sich geweigert, im Zuge einer nächsten Phase der Waffenruhe über eine Beendigung des Krieges zu verhandeln, so wie es ursprünglich vereinbart gewesen war. Ziel Israels ist es weiterhin, die Hamas zu zerschlagen.
Die Angriffe auf Israelis vom 7. Oktober 2023, bei denen etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 weitere entführt wurden, wurden von al-Haja als historischer Wendepunkt in der palästinensischen Sache bezeichnet. Israel sei schwer getroffen worden. Al-Haja sagte, dass das Ziel der Hamas weiterhin sei, Israel die Stadt Jerusalem und die Al-Aksa-Moschee zu entreißen.
Nach den Unruhen der arabischen Aufstände in der Region eröffnete die Hamas 2012 ein politisches Büro in Katar. Schon zuvor war aus dem Golfemirat viel Geld an die Hamas geflossen, die 2007 gewaltsam die Macht im Gazastreifen übernommen hatte. Nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 auf Israel wurden Forderungen an die Regierung Katars lauter, das Büro zu schließen.
Israels Armee ruft Einwohner der Stadt Gaza zur Flucht auf
Israels Regierung beabsichtigt, die Stadt Gaza militärisch vollständig einzunehmen. Die Armee rief die Einwohner am Dienstag zur Flucht auf. Die Menschen sollten sich nach Al-Mawasi in den Süden begeben, hieß es in einem in arabischer Sprache veröffentlichten Aufruf. Israels Armee werde in der Stadt Gaza «mit großer Intensität vorgehen», um die Hamas zu besiegen, teilte das Militär weiter mit. Es ist die erste Fluchtaufforderung der Armee für die gesamte Stadt.