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Trump und die Verschwörer, die er rief

Jeffrey Epstein ist seit sechs Jahren tot – doch der Fall lässt Amerika nicht los. Weil Donald Trump selbst Zweifel schürte, droht ihm nun der Kontrollverlust über seine eigene Bewegung.

Fixpunkt für viele Verschwörungstheoretiker: Jeffrey Epstein. (Archivfoto)
Foto: ---/AP/dpa

Donald Trump hat in seinem beruflichen Werdegang mit verschiedenen Parteien konfrontiert: den Medien, der Justiz, politischen Gegnern. Aber jetzt steht er einer Kraft gegenüber, die er persönlich ins Leben gerufen hat: seine loyalsten Anhänger.

Der Grund: Trump hatte versprochen, Licht ins Dunkel zu bringen und die geheimen Ermittlungsakten im Fall des Sexualstraftäters Jeffrey Epstein zu veröffentlichen – ein Versprechen, das tief in die Welt seiner verschwörungsgläubigen Basis hineinreichte.

Nun, nach seiner Rückkehr an die Macht, möchte der Präsident nichts mehr davon hören. Der Widerstand unter seinen Anhängern ist stark, es droht eine Zerreißprobe. Was überwiegt, der Glaube an die große Verschwörung oder die Loyalität zu Donald Trump?

Warum ist der Fall Epstein besonders?

Der Fall verbindet schwerwiegende Sexualverbrechen mit den höchsten Kreisen der amerikanischen Elite. Finanzier Jeffrey Epstein, ein mehrfacher Millionär, soll zwischen 2002 und 2005 minderjährige Mädchen – teilweise erst 14 Jahre alt – mit Geld angelockt und unter anderem in New York, Florida und auf seiner Privatinsel sexuell missbraucht haben. Dabei wurde er von seiner langjährigen Partnerin Ghislaine Maxwell unterstützt, die später verurteilt wurde.

Epstein hatte enge Beziehungen zu bekannten Persönlichkeiten: Bill Clinton, Bill Gates, Prinz Andrew – aber auch Michael Jackson, Stephen Hawking und David Copperfield wurden laut Gerichtsakten bei mindestens einer Veranstaltung von ihm gesehen. Videos zeigen auch Epstein und Trump beim Feiern.

Schon im Jahr 2008 hatte Epstein durch einen für ihn günstigen Deal ein Bundesverfahren in Florida vermieden – was ihn für viele zum Symbol einer moralisch und juristisch unantastbaren Elite machte. Der Fall erreichte seinen Höhepunkt im Jahr 2019, als Epstein nach seiner erneuten Verhaftung tot in seiner Gefängniszelle in New York gefunden wurde.

Hat er sich wirklich umgebracht?

Die Untersuchungen haben ergeben, dass es sich um Selbstmord handelte. Die Untersuchung der New Yorker Gerichtsmedizin unterstützte dies. Minister und hohe Beamte von drei US-Regierungen haben immer wieder betont, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass andere Personen an Epsteins Tod beteiligt waren.

Trotzdem bleiben Spekulationen bestehen – je nach politischer Ausrichtung wurden entweder die Clintons oder Donald Trump verdächtigt. Die Umstände nährten das Misstrauen: In der Todesnacht versäumten die Wärter ihre Kontrollgänge, obwohl Epstein einen Monat zuvor bereits einen mutmaßlichen Suizidversuch unternommen hatte.

Was hatte Trump mit Epstein zu tun?

Trump und Epstein feierten gemeinsam in den 1990er-Jahren, wie Videoaufnahmen zeigen. Laut Protokollen flog Trump mindestens siebenmal in Epsteins Privatjet. In einem Interview von 2002 nannte er Epstein einen «großartigen Mann» – und sagte über ihn: «Es wird sogar erzählt, dass er schöne Frauen genauso mag wie ich. Und viele von denen sind eher von der jüngeren Sorte.» 2019 distanzierte sich Trump als Präsident von Epstein und erklärte, nichts vom Missbrauch gewusst zu haben. Epstein bezeichnete Trump laut Journalist Michael Wolff später als seinen ehemals «besten Freund» und erhob schwere, aber unbelegte Vorwürfe. 

Die Mischung aus reichen und mächtigen Männern, einer offenbar laschen Strafverfolgung und einem dubiosen Tod bereiteten den idealen Nährboden für Argwohn. Zumal der Missbrauch Minderjähriger im Zentrum weiterer breitenwirksamer rechter Verschwörungstheorien der jüngeren US-Geschichte steht, darunter das (längst widerlegte) sogenannte «Pizzagate», das behauptete, hochrangige Demokraten betrieben in einer Pizzeria in Washington einen Phädophilenring.

Was versprach Trump vor der Wahl? Was sagt er jetzt?

Nach Epsteins Tod hat Trump öffentlich immer wieder die Selbstmordversion angezweifelt – trotz des Zugangs zu allen Ermittlungsergebnissen als Präsident. Vor der Wahl 2024 war er grundsätzlich offen für die Freigabe der Akten, was viele Verschwörungstheoretiker in seiner Anhängerschaft begeisterte.

Es wurde als Signal gewertet, als er Kash Patel und Dan Bongino, zwei Anhänger unbelegter Theorien, an die Spitze des FBI berief. Doch nun die Kehrtwende: Patel und Bongino bestätigten die offizielle Version vom Suizid, Akten würden nicht freigegeben.

Auch Justizministerin Pam Bondi ruderte zurück – obwohl sie zuvor behauptet hatte, eine «Kundenliste» Epsteins liege auf ihrem Schreibtisch. Das Weiße Haus erklärte das mit einem Missverständnis. Trump selbst forderte seine Anhänger derweil auf, Epstein zu vergessen und nannte den Fall einen «Schwindel».

Wieso hat Trump seine Meinung geändert?

Das ist unklar – und genau das befeuert Spekulationen. Denn wer ruft «Hier gibt es nichts zu sehen», steht selbst schonmal vor etwas, das sich sehr wohl zu betrachten lohnt. Unter Trumps Anhängern, scharf gemacht durch ihn selbst, fragen sich nun viele, ob ihr Präsident selbst etwas zu verbergen hat.

Nach dem Bruch zwischen Trump und Berater Elon Musk schrieb dieser vor einigen Wochen auf X: «Zeit, die wirklich große Bombe platzen zu lassen: @realDonaldTrump ist in den Epstein-Akten.» Belege lieferte er nicht.

Es ist durchaus plausibel, dass Trumps Name als Bekannter von Epstein in Ermittlungsunterlagen auftaucht, ohne dass daraus automatisch Schuld folgt. Er wurde auch in Gerichtsdokumenten in einem unverdächtigen Kontext erwähnt. Ob die geheimen FBI-Akten mehr Informationen enthalten, ist unklar. Trumps Verhalten trägt jedoch nicht dazu bei, den Verdacht zu entkräften. Einige spekulieren, dass er möglicherweise andere mächtige Personen schützen will.

Warum ist die Wende so brisant?

Die Affäre um Epstein berührt den Kern des von Trump geschürten Selbstverständnisses seiner «Maga»-Koalition: Trump als Kämpfer des kleinen Mannes gegen eine korrupte Elite, die das Land ausbeutet. Dieses Narrativ war so wirkmächtig, dass es zu seiner Rückkehr ins Weiße Haus beitrug – seine Anhänger glaubten ihm nahezu bedingungslos.

Nun jedoch besteht der Verdacht, dass Trump möglicherweise selbst Teil des Systems ist, das er versprochen hat zu bekämpfen. Dies hat politische Sprengkraft, da zwei zentrale Antriebskräfte seiner Bewegung aufeinanderprallen – die Wut auf die Eliten und die Loyalität zum Präsidenten.

Wie gefährlich ist das für Trump?

Der Druck steigt auf jeden Fall. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, sowie einige konservative Abgeordnete spüren den Unmut in ihren Wahlkreisen und fordern Transparenz – ebenso wie zahlreiche rechte Influencer. Angesichts ihrer sonst fast bedingungslosen Loyalität gegenüber Trump ist das bemerkenswert.

Im Jahr 2016 behauptete Trump, dass er jemanden auf offener Straße erschießen könnte, ohne Wähler zu verlieren. Doch der Bruch mit Teilen seiner treuesten Anhänger in der Epstein-Affäre könnte schwerwiegender sein. Der 79-Jährige riskiert tiefe Risse im Fundament seiner Bewegung – und seine Partei könnte möglicherweise eine herbe Niederlage bei den Kongresswahlen erleiden und damit Machtverlust. Um Vertrauen zurückzugewinnen, müsste Trump reagieren. Nur anders als bisher.

dpa