Die Ukraine wird ihr Land nicht dem Besatzer schenken. Die Antwort auf territoriale Fragen steht in der Verfassung.
Trump und Putin planen große Gebietsabtretungen der Ukraine, Kiew lehnt strikt ab
US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin scheinen bei ihren Überlegungen für ein Kriegsende große Gebietsabtretungen der Ukraine einzupreisen – Kiew lehnt dies strikt ab. «Die Ukrainer werden ihr Land nicht dem Besatzer schenken», sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft in Kiew. «Die Antwort auf die territorialen Fragen der Ukraine steht in der Verfassung der Ukraine. Davon wird niemand abweichen, und niemand kann abweichen.»
Laut US-Medienberichten hat Kremlchef Wladimir Putin vor einem Gipfel mit US-Präsident Donald Trump gefordert, dass Russland die volle Kontrolle über die ostukrainischen Gebiete Donezk und Luhansk erhält. Dies würde bedeuten, dass die ukrainische Armee mehrere Tausend Quadratkilometer Fläche und strategisch wichtige Städte aufgeben müsste.
Berichte: Moskau will Donezk und Luhansk ganz
Einem Bericht der Zeitung «Wall Street Journal» zufolge machte Putin diesen Vorschlag bei dem Besuch von US-Unterhändler Steve Witkoff am Mittwoch in Moskau. Am Freitag bestätigten das Weiße Haus und der Kreml, dass ein Gipfeltreffen Trumps mit Putin am 15. August im nördlichen US-Bundesstaat Alaska stattfinden soll.
Russland hat Teile der Gebiete Donezk und Luhansk im Kohle- und Industrierevier Donbass bereits 2014 besetzt und sie in Volksrepubliken umbenannt. Kurz vor der Invasion am 24. Februar 2022 erkannte Moskau die Gebilde als unabhängig an und erklärte sie nach Scheinreferenden im Herbst 2022 zu russischem Staatsgebiet.
In Luhansk halten die ukrainischen Verteidiger nur noch wenige Quadratkilometer. Doch im heftig umkämpften Gebiet Donezk kontrolliert die ukrainische Armee noch ein Viertel der Fläche. Die russische Armee rückt allmählich, aber unter Verlusten vor. Eine Räumung würde bedeuten, dass die Ukraine die Kette gut befestigter Städte Slowjansk, Kramatorsk und Kostjantyniwka aufgeben müsste und anschließend wehrloser wäre.
Trump spricht von Gebietsaustausch
Trump sprach in Washington vage von einem Austausch von Gebieten, die bislang entweder von russischen oder ukrainischen Truppen gehalten würden, «zum Wohl beider Seiten». Details nannte er nicht. «Wir schauen auf Territorium, das seit dreieinhalb Jahren umkämpft ist.» Es solle auch etwas zurückgegeben werden.
Möglicherweise handelt es sich um kleine Brückenköpfe der russischen Armee in den ukrainischen Frontgebieten Sumy und Charkiw. Es scheint, dass russische Soldaten auch die Grenze zum Gebiet Dnipropetrowsk überschritten haben. Die Ukraine behauptet, als Rest einer Offensive von 2024 noch Soldaten im russischen Gebiet Kursk zu haben.
Laut dpa hat Trump auch die europäischen Partnerländer nach dem Besuch von Witkoff über mögliche Tauschgeschäfte informiert. Es ist unklar, was die russische Gegenleistung über eine reine Einstellung der Kämpfe hinaus sein könnte, und auch die Frage nach Sicherheitsgarantien für die Ukraine bleibt offen.
Was wird aus Saporischschja und Cherson?
Das Schicksal der südukrainischen Gebiete Saporischschja und Cherson bleibt ebenfalls unklar. Russland hat sie auch annektiert, kontrolliert sie jedoch nur teilweise. Der breite Fluss Dnipro trennt die beiden Seiten. Durch die Eroberungen im Süden hat Russland eine Landbrücke zur bereits 2014 annektierten Halbinsel Krim geschaffen.
Selenskyj kritisierte den von Trump und Putin gewählten Gipfelort Alaska. «Sehr weit weg von diesem Krieg, der in unserem Land tobt, gegen unser Volk, und der sowieso nicht ohne uns beendet werden kann, ohne die Ukraine», sagte er. Die Ukraine fürchtet genau wie die europäischen Staaten, als Hauptbetroffene bei den Entscheidungen der großen Atommächte außen vor zu bleiben.
Bei den ersten Erwähnungen eines Gipfels hatte das Weiße Haus angekündigt, dass nach dem Zweiertreffen von Trump mit Putin ein Dreiertreffen mit Selenskyj stattfinden solle. Im Gegensatz dazu lädt Moskau Trump zu einem zweiten Treffen in Russland ein – damit ist Selenskyj erneut ausgeladen.
Trump sieht Hindernisse bei Selenskyj
Trump strebt das Ende des Krieges an. Seit er im Januar sein Amt angetreten hat, hat er jedoch nicht Druck auf Russland als Angreifer ausgeübt, sondern auf die Ukraine als Angegriffene. Trumps Ultimatum an Putin, den Krieg zu beenden, lief am Freitag ab und wurde in den Vorbereitungen für den Gipfel aufgelöst.
Bei einem Auftritt im Weißen Haus mit den Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans deutete Trump die Hürden der ukrainischen Verfassung als Hindernis für eine Lösung. Selenskyj müsse sich beeilen, politische Zustimmung in seinem Land zu organisieren «denn wir stehen kurz vor einem Deal». Der ukrainische Präsident solle aber alles bekommen, was er brauche, «denn er muss sich vorbereiten, etwas zu unterschreiben».
Die ukrainische Bevölkerung ist nach dreieinhalb Jahren unter pausenlosen russischen Angriffen kriegsmüde. Eine Abtretung von Gebieten würde jedoch schwerwiegende innenpolitische Unruhen verursachen.