In Grönland möchte kaum jemand, dass die Insel ein US-Territorium wird, auch die allermeisten Politiker nicht. Dafür wird die Wahlsieger eine andere große Frage zur Zukunft beschäftigen.
Trumps Wunschinsel Grönland vor Regierungswechsel
Die Insel Grönland, die von US-Präsident Donald Trump umworben wurde, steht vor einem Regierungswechsel. Bei den Parlamentswahlen auf der größten Insel der Erde, Initsisartut, wurden zwei Oppositionsparteien zu den neuen stärksten Kräften im grönländischen Parlament gewählt. Beide Parteien haben verschiedene Vorstellungen darüber, wie eine mögliche Unabhängigkeit vom Königreich Dänemark erreicht werden kann.
Die sozialliberale Demokraatit (Demokraten) erzielte nach vorläufiger Auszählung aller Stimmen einen Anteil von 29,9 Prozent. Naleraq, die sich für eine schnelle Loslösung von Dänemark einsetzt, erreichte 24,5 Prozent. Der Rundfunksender KNR erklärte Demokraatit bereits am frühen Morgen zum Wahlsieger. Etwa 40.000 Grönländerinnen und Grönländer waren wahlberechtigt.
Dem 33-jährigen Demokratiechef Jens-Frederik Nielsen wird es nun obliegen, sich an der Bildung der nächsten grönländischen Regierung zu versuchen. Er kündigte noch in der Nacht an, seine Hand in Richtung aller anderen Parteien auszustrecken – auch zur Naleraq. Diese wird in weiten Teilen des politischen Spektrums kritisch betrachtet. Einige ihrer Politiker hatten sich zwischenzeitlich positiv über Trumps Begehrlichkeiten geäußert.
«Wir werden natürlich mit ihnen reden, genau wie mit allen anderen», sagte Nielsen nach Angaben des dänischen Rundfunksenders DR in der Wahlnacht. «Das ist die zweitgrößte Partei, daher kommen wir um sie nicht herum.» Er sprach sich demnach gleichzeitig für einen «ruhigen Kurs» gegenüber den USA aus und dafür, dass zunächst «ein Fundament» geschaffen werden müsse, ehe man über eine Staatsgründung sprechen könne. Auch Naleraq-Chef Pele Broberg wollte eine Zusammenarbeit der beiden Parteien nicht ausschließen.
Trump-Debatte prägt Wahl
Die Parlamentswahl wurde stark von Trumps Besitzansprüchen beeinflusst. In den letzten Monaten hatte er immer wieder erklärt, die Kontrolle über die größte Insel der Erde übernehmen zu wollen. Er begründet diese Forderung entweder mit nationaler oder internationaler Sicherheit.
Zuletzt hatte sich Trump in die heiße Phase des Wahlkampfes eingemischt, indem er den Grönländern über seine Plattform Truth Social neue Arbeitsplätze und Reichtum versprach. In dem Beitrag lud er die knapp 57.000 Einwohner der Insel kurz vor der Wahl noch einmal ein, «ein Teil der großartigsten Nation der Welt» zu werden, wenn sie das wollten.
So unkompliziert, wie Trump es sich vorstellt, ist es jedoch nicht. Im Gegensatz zum Beispiel von Alaska im Jahr 1867 können die USA heutzutage kein Territorium einfach von anderen Ländern kaufen. Laut einer Umfrage ist eine klare Mehrheit der Grönländer zudem gegen eine Zugehörigkeit zu den USA. Angesichts dieser Situation ist es derzeit völlig unrealistisch, dass die nächste Regierung Grönlands dem Wunsch von Trump in irgendeiner Weise nachkommt.
Herbe Verluste für Regierungsparteien
Im Rahmen der Trump-Debatte ist Regierungschef Múte B. Egede zu einem internationalen Gesicht Grönlands geworden. Er hat wiederholt betont, dass Grönland nicht zum Verkauf steht, aber durchaus Interesse an einer verstärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den USA hat, beispielsweise beim Abbau der enormen Rohstoffvorkommen auf der Insel.
Egede hatte gezeigt, dass er ein besonnener und um Einheit bemühter Anführer ist – etwas, das die Wähler offensichtlich nicht genug zu schätzen wussten. Seine linke Partei Inuit Ataqatigiit (IA) und ihr sozialdemokratischer Koalitionspartner Siumut verloren jeweils rund 15 Prozentpunkte, sodass sie noch auf 21,4 beziehungsweise 14,7 Prozent kamen.
«Wir respektieren den Ausgang der Wahl», schrieb Egede auf Facebook. «Jetzt beginnt die Arbeit in der neuen Wahlperiode. Und wir sind gespannt zu hören, was die Parteien für die Verhandlungen anbieten werden – wir sind bereit.»
Die große Unabhängigkeitsfrage
Bei der Regierungsbildung wird besonders interessant sein zu beobachten, wie sich die beteiligten Parteien in der Frage der Unabhängigkeit und der Zukunft des angespannten Verhältnisses zu Dänemark verhalten. Die meisten der sechs Parteien, die angetreten sind, waren sich im Wahlkampf grundsätzlich einig, dass Grönland eines Tages unabhängig von seiner früheren Kolonialmacht Dänemark werden sollte.
Uneins sind sie sich aber, wann der richtige Zeitpunkt dafür gekommen sein könnte: Während Naleraq für eine schnelle Abspaltung der Insel von Dänemark einsteht, möchte Demokraatit wie andere Parteien deutlich langsamer vorgehen. In ihrem Wahlprogramm machen die Demokraten zwar klar, dass die Unabhängigkeit «das Ziel» sei – aber auch, dass dafür zunächst die richtigen Bedingungen geschaffen werden müssten.
Hauptknackpunkt ist dabei Grönlands nach wie vor starke finanzielle Abhängigkeit von Kopenhagen. «Wir müssen unsere Wirtschaft um etwa fünf Milliarden Kronen (670 Mio. Euro) pro Jahr verbessern, wenn wir politische Unabhängigkeit anstreben und gleichzeitig das derzeitige Wohlstandsniveau aufrechterhalten wollen», heißt es dazu im Demokraatit-Wahlprogramm. Ein Weg dorthin – das haben nicht zuletzt Egedes Aussagen gezeigt – könnte eine stärkere wirtschaftliche Kooperation mit den USA sein.