Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Türkei fliegt weiter Angriffe in Nordsyrien

Aktivisten melden weiter türkischen Beschuss in Nordsyrien. Internationaler Kritik sieht sich Ankara dafür bisher kaum ausgesetzt. Auch die USA halten sich zurück.

Zwei Männer begutachten Schäden in einem Gebiet um ein Elektrizitätswerk in Nordsyrien nach türkischen Luftangriffen.
Foto: Baderkhan Ahmad/AP/dpa

Die Türkei hat Aktivisten zufolge den fünften Tag in Folge kurdische Ziele im Norden Syriens angegriffen. Streitkräfte Ankaras hätten am Donnerstag mehrere Dörfer beschossen sowie ein Gebiet per Drohne attackiert, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Auch ein Militärstützpunkt der syrischen Regierungskräfte in der Nähe von Kobane soll bombardiert worden sein. Ob es sich dabei um gezielten Beschuss gehandelt haben soll, war nicht klar.

Die Türkei geht der eigenen Darstellung nach nur gegen Stellungen der syrischen Kurdenmiliz YPG vor. In den vergangenen Tagen sind nach Angaben von Aktivisten und den Kurdenmilizen auch mehrfach Zivilisten getötet worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Seit Sonntag geht die Türkei im Nordirak und in Nordsyrien mit Luftangriffen gegen die YPG und die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK vor. Ankara macht sie für einen Anschlag auf der Istanbuler Einkaufsstraße Istiklal vor fast zwei Wochen verantwortlich. Beide Gruppen hatten dies jedoch zurückgewiesen. Die USA sehen die YPG als Partner im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien, deren Zellen im Land noch immer aktiv sind.

Kritik an Ankara bleibt aus

Washington blieb in einem Statement von Mittwochabend erneut zurückhaltend und verurteilte die militärische Eskalation in Nordsyrien, ohne sich damit direkt an Ankara zu wenden. Man spreche sein Beileid für den Verlust von Zivilistenleben in Syrien und der Türkei aus. In der Südtürkei waren am Montag drei Menschen getötet worden. Laut türkischer Darstellung starben sie durch Raketen, die aus Syrien abgefeuert wurden. Auch Moskau, das im syrischen Bürgerkrieg fest an der Seite des Präsidenten Baschar al-Assad steht, hat bisher nur zurückhaltende Kritik an dem türkischen Vorgehen geäußert.

Die Türkei hat seit Sonntag eigenen Angaben zufolge hunderte Ziele angegriffen und dabei insgesamt «254 Terroristen neutralisiert».

Derweil nährt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan weiter die Sorge vor einer Bodenoffensive. Die hatte der türkische Präsident in den vergangenen Tagen mehrfach angedroht. Erdogan sagte am Donnerstag: «Bis die Terrorgefahr für unser Land vollständig endet, werden wir unseren Kampf innerhalb und außerhalb unserer Grenzen ununterbrochen fortsetzen.»

Weg des geringsten Widerstands

Hürcan Asli Aksoy vom Centrum für Türkeistudien (CATS) in Berlin geht davon aus, dass Erdogan die Truppen auch entsendet: «Wenn er es ankündigt, wird es wohl auch passieren.» Sollte die Türkei mit Bodentruppen in Syrien einmarschieren, werde das vermutlich hauptsächlich Kobane treffen, so Aksoy. Die Region ist bislang fest in der Hand der von der YPG angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF). Hier müsse sich die Türkei auf den wenigsten Widerstand Russlands, der USA und Irans einstellen. Russland sei beschäftigt in der Ukraine. «Und die USA warten offenbar darauf, dass Ankara den Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands durchwinkt.» Den blockiert das Nato-Mitglied bisher, unter anderem mit Verweis auf deren angebliche Unterstützung für die YPG.

Für Aufsehen sorgten in den vergangenen Tagen Berichte über türkische Luftangriffe auf das berüchtigte Flüchtlingslager Al-Hol sowie ein Gefängnis in Al-Kamischli. Beide beherbergen IS-Anhänger. Bei dem Angriff auf das Camp starben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge acht Aufseher. Menschen hätten versucht, zu entkommen. Die SDF warnten, damit würde der Kampf gegen den IS aufs Spiel gesetzt. Der Hintergrund der Angriffe war zunächst unklar.

Die Türkei hält nach vier früheren Militäroffensiven bereits Grenzgebiete im Norden Syriens besetzt. Im Irak unterhält Ankara seit 2016 mehrere Militärstützpunkte.

dpa