Ungeachtet des harten Vorgehens der Polizei will die Opposition die Proteste im Land sogar noch ausweiten. Ihr Ziel: Die Freilassung des Istanbuler Bürgermeisters aus der Haft.
Türkische Opposition kündigt Ausweitung der Proteste an
Eine Woche nach dem Start der Demonstrationen in der Türkei gegen die Inhaftierung des populären Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu ruft die türkische Opposition zu einer Ausweitung der Proteste auf. «In jede Stadt, in die wir kommen, werden wir die größten Kundgebungen in ihrer Geschichte abhalten», sagte der Chef der Partei CHP, Özgür Özel, dem britischen Sender BBC. Die landesweiten Proteste würden auch eine sehr große Demonstration am Samstag in Istanbul umfassen.
Özel erklärte, dass die Proteste so lange andauern würden, bis entweder vorgezogene Präsidentschaftswahlen angesetzt würden oder Imamoglu aus dem Gefängnis entlassen werde. Die für Samstag geplante Demonstration in Istanbul markiere den Beginn der Kampagne der Partei, die darauf abzielt, dass Imamoglu bei den anstehenden Wahlen im Jahr 2028 zum nächsten Präsidenten des Landes gewählt wird. Der Glaube an Imamoglu und an die Demokratie werde die Proteste größer und stärker machen.
Imamoglu wird als Erdogans möglicherweise aussichtsreichster Herausforderer bei der für 2028 geplanten Präsidentschaftswahl angesehen und wurde von der größten Oppositionspartei als Kandidat nominiert. Er wurde am 19. März unter Korruptions- und Terrorvorwürfen festgenommen und am Sonntag als Bürgermeister der Millionenstadt Istanbul abgesetzt. Imamoglu leugnet alle Anschuldigungen und wirft der Regierung vor, ihn mit den Untersuchungen politisch zum Schweigen bringen zu wollen.
Imamoglu in Einzelhaft, aber in guter Verfassung
Seit der Verhaftung von Imamoglu hat die Opposition Hunderttausende Menschen auf die Straße gebracht – so viele wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Die sogenannten Gezi-Proteste von 2013 hatten sich damals zunächst gegen ein Bauprojekt im Istanbuler Gezi-Park und später gegen die autoritäre Politik des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gerichtet. Die Regierung sprach von einem Umsturzversuch und ließ die Proteste brutal niederschlagen.
Özel sagte, Imamoglu befinde sich im Silivri-Hochsicherheitsgefängnis bei Istanbul in Einzelhaft, sei aber in guter Verfassung und nicht misshandelt worden. Das Korruptionsverfahren gegen Imamoglu sei «eine Masche, um ihn zu diskreditieren». Imamoglu sei verhaftet worden, um zu verhindern, dass er der nächste Präsident der Türkei werde.
Seit dem Beginn der Proteste wurden laut des türkischen Innenministeriums über 1.400 Menschen bei Demonstrationen festgenommen, von denen fast 1.000 weiterhin in Haft sind. Unter den Verhafteten befinden sich mehrere Journalisten.