Nach einer längeren Pause und den schwersten Drohnenangriffen seit Kriegsbeginn sollen die Verhandlungen über einen Frieden in der Ukraine weitergehen. Es bleiben aber Unstimmigkeiten.
Kiew und Moskau verhandeln am Montag über Waffenruhe
Kiew hat dem russischen Vorschlag für eine weitere direkte Gesprächsrunde zur Beendigung des Ukraine-Kriegs zugestimmt. «Am Montag wird unsere Delegation von (Verteidigungsminister) Rustem Umjerow geleitet», schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf der Plattform X. Das Treffen soll wie die erste Runde vor zwei Wochen im türkischen Istanbul stattfinden.
Selenskyj schrieb, dass er die ukrainische Position für das Treffen in Istanbul festgelegt habe: „eine vollständige und bedingungslose Waffenruhe, die Freilassung von Gefangenen und die Rückkehr entführter Kinder.“ Außerdem solle das Treffen auf höchster Ebene vorbereitet werden, um einen verlässlichen und dauerhaften Frieden zu schaffen und Sicherheit zu gewährleisten.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow kündigte am Mittwoch die neue Gesprächsinitiative an. Die russische Delegation sei bereit, in der Türkei dem ukrainischen Team ein Memorandum vorzustellen, sagte er. Das Papier lege die russische Position zu «allen Aspekten einer zuverlässigen Überwindung der Grundursachen der Krise» dar.
Die Ukraine pochte zunächst darauf, das Memorandum sofort zu bekommen. Andrij Sybiha, Außenminister des vor mehr als drei Jahren von Russland angegriffenen Landes, schrieb bei X, man erwarte, dass die russische Seite das nächste Treffen nicht scheitern lasse und «unverzüglich» ihre Vorschläge vorlege, so wie zuvor vereinbart.
Unterschiedliche Positionen
Moskau und Kiew haben insgesamt unterschiedliche Herangehensweisen an die Verhandlungen. Die Ukraine strebt zunächst eine Waffenruhe an, während der dann der weitere Weg zum endgültigen Frieden besprochen werden kann.
Kremlchef Wladimir Putin lehnte im März eine von US-Präsident Donald Trump vorgeschlagene bedingungslose 30-tägige Waffenruhe mit der Begründung ab, dass sich die Ukraine in dieser Zeit neu bewaffnen und an der Front neu ordnen könnte. Putin beabsichtigt, weiter zu kämpfen, bis die Ukraine den Bedingungen für einen endgültigen Frieden zustimmt.
Im UN-Sicherheitsrat signalisierte Russland am Freitag aber Bereitschaft zu einer möglichen Waffenruhe – unter Bedingungen. «Für die Dauer der Waffenruhe ist es zumindest erforderlich, dass die westlichen Länder die Waffenlieferungen an das Kiewer Regime einstellen und die Ukraine ihre Mobilmachung beendet», sagte Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja. Sein Land sei bereit, bei den Verhandlungen am Montag in Istanbul über die Bedingungen für einen Frieden zu reden.
Die Friedensbedingungen der Russen erinnern stark an eine Kapitulation der Ukraine. Moskau erhebt Ansprüche auf große Teile der Ukraine, einschließlich Gebieten, die bisher nicht erobert werden konnten. Der Kreml strebt auch weiterhin Einfluss in Kiew durch die russischsprachige Minderheit im Nachbarland an, weshalb die Ukraine weder der Nato beitreten noch eine schlagkräftige Armee behalten darf.
Ukraine wollte vorab russisches Memorandum
Der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow teilte mit, er habe dem russischen Chefverhandler schon ein Dokument mit der ukrainischen Position übermittelt. «Wir sind nicht gegen weitere Treffen mit den Russen und warten auf ihr „Memorandum“, damit das Treffen nicht ins Leere läuft und uns der Beendigung des Krieges wirklich näher bringt», schrieb er bei X. Umjerow warf Moskau weitere Verzögerungen vor und wiederholte die ukrainische Bereitschaft zu einer vollständigen und bedingungslosen Waffenruhe.
Kreml setzt auf Geheimhaltung
Der Kreml hat diese Forderungen als «nicht konstruktiv» abgelehnt. Russland wollte demnach vermeiden, dass die Vorschläge vor den Verhandlungen öffentlich diskutiert werden. Die Moskauer Boulevardzeitung «Moskowski Komsomolez» witterte gar eine «Kiewer Falle für Russland in den neuen Verhandlungen». Die Forderung nach der Vorab-Übergabe der russischen Bedingungen ziele darauf ab, Moskau mit deren Veröffentlichung zu diskreditieren. Die Bedingungen würden als unannehmbar dargestellt, Russland als Kriegstreiber, schrieb der Kolumnist.
Genau das sei wohl der Grund für die Geheimhaltung, hält der ins Exil geflohene russische Publizist Abbas Galljamow dagegen. Der russischen Führung sei bewusst, dass ihre Forderungen vor der Weltöffentlichkeit, «gelinde gesagt, nicht einwandfrei aussehen». Daher sei es für den Kreml besser, sie nicht öffentlich zu diskutieren.
Kiew fürchtet Großangriff im Nordosten
Die Ukraine hat seit über drei Jahren mit Unterstützung des Westens gegen eine russische Invasion gekämpft. Bei den ersten russisch-ukrainischen Verhandlungen seit 2022 in Istanbul Mitte Mai war ein großer Gefangenenaustausch das einzige Ergebnis.
Moskau hat am vergangenen Wochenende die wohl stärksten Drohnenangriffe seit Kriegsbeginn gestartet. Es gibt keine Anzeichen für ein Abrücken von Maximalforderungen auf russischer Seite. Laut dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj hat Russland etwa 50.000 Soldaten für einen möglichen Vorstoß in die Region Sumy im Nordosten der Ukraine zusammengezogen.