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Ukraine hält seit sechs Monaten ein Stück Russland besetzt

In der Ostukraine haben sich russische Angriffe nach Monaten des Vorrückens spürbar verlangsamt. Auch im Gebiet Kursk kommt Moskaus Gegenoffensive kaum voran. Kiew behält sein kleines Faustpfand.

Russland hat es in sechs Monaten nicht geschafft, eingedrungene ukrainische Truppen aus dem Grenzgebiet Kursk zu vertreiben. (Archivbild)
Foto: Uncredited/Rusian Defense Ministry Press Se/AP/dpa

Ukrainische Truppen verteidigen seit einem halben Jahr ihren Brückenkopf auf gegnerischem Territorium im russischen Gebiet Kursk. Der überraschende Vorstoß vom 6. August 2024 könne nicht hoch genug eingeschätzt werden, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.

«Irgendwann, wenn der Krieg auf eine diplomatische Lösung zusteuert, wird man sehen, wie wichtig diese Operation war», schrieb er im sozialen Netzwerk X. «Russland wird uns in nächster Zukunft nicht aus Kursk vertreiben.» Die russische Gegenoffensive mit 60.000 Soldaten stecke fest, sagte er.

Nachdem die Ukraine 2024 viele militärische Rückschläge hinnehmen musste, ermöglichte das unerwartete Vordringen auf russisches Gebiet ihrer Armee wieder Raum für Manöver. Die Ukrainer eroberten laut Militärexperten mehr als 1.000 Quadratkilometer russisches Territorium. Moskauer Gegenangriffe führten später dazu, dass die Fläche wieder auf die Hälfte schrumpfte. Allerdings machen russische Truppen derzeit aufgrund geschickt gewählter Verteidigungsstellungen der Ukrainer nur langsam Fortschritte.

https://x.com/ZelenskyyUa/status/1887214925782606180

Die Besetzung hat politische Bedeutung, da Kiew als Faustpfand für mögliche Gespräche über ein Ende der Kämpfe mit Russland dient. Laut Moskauer Medien will Kremlchef Wladimir Putin verhindern, dass eigenes russisches Territorium in Verhandlungen einbezogen wird.

Wo sind die nordkoreanischen Soldaten in der Region Kursk?

Selenskyj wies darauf hin, dass seine Truppen im Gebiet Kursk auch gegen die von Russland zu Hilfe gerufenen Nordkoreaner kämpfen mussten. «Ihre nordkoreanischen Söldner sind schon geflohen», schrieb er auf X. Tatsächlich wurden die Soldaten aus dem abgeschotteten kommunistischen Land nach hohen Verlusten seit Mitte Januar nicht mehr an der Front beobachtet.

Die ukrainischen Streitkräfte gehen indes nicht davon aus, dass die Nordkoreaner in ihre Heimat zurückbeordert wurden. «Ich glaube, dass sie wieder an der Front auftauchen werden. Sie werden sich angepasst haben», sagte der Offizier Anton Sachartschuk von der 95. Luftlandebrigade den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Seine Truppe hatte ab Dezember im Nordosten der Kursk-Front gegen nordkoreanische Einheiten gekämpft. Die Nordkoreaner seien als Sturmtruppen eingesetzt worden, sagte Sachartschuk. Er vermute, dass sie nun ein Stück hinter der Front umgruppiert würden.

Weniger Kämpfe an der ukrainischen Ostfront

An der Front in der Ostukraine kommen die russischen Truppen nach Monaten heftiger Kämpfe und unablässigen Vorrückens derzeit ebenfalls langsamer voran. «Der russische Raketenterror geht weiter, aber ihre Bodentruppen werden schwächer», sagte Selenskyj. 

Der ukrainische Militärblog «DeepState» verwies darauf, dass die berichtete Zahl russischer Sturmangriffe zuletzt stark gesunken sei. Im Dezember hatte der ukrainische Generalstab bis zu 292 Attacken am Tag verzeichnet. Im Januar ging die Zahl bereits zurück. Am Dienstag und Mittwoch wurde von jeweils 80 Gefechten berichtet. Uneinig waren sich Militärbeobachter aber darin, ob dies eine operative Pause bedeutet oder ob die seit Herbst 2022 ununterbrochene russische Offensive sich wegen hoher Verluste totgelaufen hat.

Russland griff in der Nacht zum Donnerstag mehrmals die Großstadt Charkiw in der Ostukraine an. Bei einem Drohnenangriff am späten Mittwochabend setzten herabstürzende Trümmer örtlichen Behörden zufolge zahlreiche Buden auf einem Markt in Brand.

Selenskyj: Brauchen gemeinsame Garantien der USA und Europas 

In Kiew und Moskau wird weiterhin auf die angekündigte diplomatische Initiative von US-Präsident Donald Trump gewartet. Trump strebt ein Ende des seit fast drei Jahren andauernden Krieges an, jedoch ist der genaue Weg dorthin noch unklar. Selenskyj erwähnte weitere Kontakte mit den Amerikanern.

Er stellte erneut klar, dass die Ukraine für ein Ende der Kämpfe tragfähige Sicherheitsgarantien gegenüber Russland brauche. Daran sollten die USA, die EU-Staaten und Großbritannien beteiligt sein. «Ob das ein Truppenkontingent ist, Waffen, Marinepräsenz, Soldaten oder Flugabwehrsysteme – es muss eine gemeinsame Anstrengung zwischen den USA und Europa sein», schrieb er auf X. Und er kam zu dem Schluss: «Um ehrlich zu sein, eine Nato-Mitgliedschaft wäre für alle günstiger.»

Bis jetzt sind wichtige Nato-Länder wie die USA und Deutschland nicht bereit, die Ukraine einzuladen. Moskau lehnt entschieden ab, dass die Ukraine dem westlichen Bündnis beitritt oder dass Nato-Truppen auf ukrainischem Gebiet stationiert werden.

Strafmaßnahmen gegen Schiffsführer der Schattenflotte

Die Ukraine erhöht den Druck auf die sogenannte Schattenflotte Russlands, indem sie Sanktionen gegen Kapitäne verhängt. Selenskyj hat in Kiew einen Erlass unterzeichnet, der Strafmaßnahmen gegen mehr als 50 russische Schiffsführer und einen Kapitän aus dem Iran vorsieht.

Die Tanker, die sie führen, werden zur Schattenflotte gezählt, mit der Moskau Öl umgeht, um es auf den Weltmarkt zu bringen. Die meisten der im Erlass genannten Schiffe stehen bereits auf Sanktionslisten, berichtete die Nachrichtenagentur Interfax Ukraina. Bei den Kapitänen soll nicht nur mögliches Vermögen in der Ukraine beschlagnahmt werden. Es wird ihnen untersagt, die Ukraine mit ihren Schiffen anzulaufen oder ins Land einzureisen.

dpa