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Ukraine-Treffen wegen Bidens Absage in der Schwebe

US-Präsident Biden verschiebt wegen eines Hurrikans seinen Besuch in Deutschland. Doch an dieser Reise hängen wichtige Beschlüsse für die Ukraine, die dringend weitere Militärhilfe bräuchte.

Die ukrainische Großstadt Charkiw wird von Russland immer wieder bombardiert.
Foto: George Ivanchenko/AP/dpa

Der Hurrikan «Milton» in den USA und die Verschiebung des Deutschlandbesuchs von US-Präsident Joe Biden wirbeln die westlichen Strategie-Treffen zur Unterstützung der Ukraine durcheinander. Das Weiße Haus sagte wegen des erwarteten Wirbelsturms die Reise des Präsidenten nach Berlin am kommenden Wochenende ab. Auch an einem Treffen der militärischen Unterstützer der Ukraine im US-Stützpunkt Ramstein am Samstag werde Biden nicht persönlich teilnehmen, teilte das Pentagon mit. Zu diesem Treffen mit vielen Staats- und Regierungschefs wurde bislang auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet, um dort über seinen sogenannten Siegesplan zu sprechen. 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte Verständnis für Bidens Entscheidung. «Wenn in meinem Land solche Unwetter wüteten, dann würde ich auch diese Entscheidung treffen», sagte er in der Sendung «RTL Direkt spezial – Am Tisch mit Olaf Scholz». Es wäre «ein sehr wichtiges Treffen» geworden, aber es werde ja nachgeholt. Biden kündigte ein Telefonat mit Scholz an, um einen Ersatztermin zu finden. Wie der US-Präsident sagte auch Außenminister Antony Blinken seine Reise nach Deutschland ab.

In der südlichen Ukraine begann die Nacht auf Mittwoch erneut mit Luftalarm, da laut Militärangaben zahlreiche russische Kampfdrohnen in der Luft waren. In der Großstadt Charkiw im Osten der Ukraine warfen russische Flugzeuge am Dienstagabend erneut Gleitbomben ab. Durch Angriffe mit diesen schweren Bomben wurden am Tag mindestens zwei Menschen getötet und etwa zwei Dutzend Menschen verletzt.

Wann bekommt Selenskyj eine Antwort auf seinen «Siegesplan»?

Selenskyjs sogenannter Siegesplan ist nicht im Detail öffentlich. Er sieht jedoch vor, durch westliche Hilfe den militärischen Druck auf Russland zu erhöhen. Moskau soll erkennen, dass der Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht gewinnbar ist. Daher fordert Kiew, dass es umfangreiche Waffen aus den USA und Großbritannien auch gegen Militärziele im russischen Hinterland einsetzen darf. Die Ukraine hofft auch auf die Aufnahme in die Nato oder ähnlich starke Sicherheitsgarantien.

Doch aufgrund von Bidens Absage sind die internationalen Treffen mit einer Antwort der Unterstützerländer entweder abgesagt oder ihr Format ist unklar. In Berlin sollte nicht nur der Bundeskanzler und der US-Präsident zusammenkommen. Die Regierung in London bestätigte, dass eigentlich für Samstagmorgen in Berlin ein Vierertreffen mit Biden, Scholz, dem britischen Premier Keir Starmer und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron geplant war. Vor der Absage Bidens hatten auch der polnische Präsident Andrzej Duda und der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau ihre Teilnahme in Ramstein angekündigt.

Kiew erwartet Friedensgipfel nicht mehr für November 

Militärisch ist die Ukraine unter Druck, im Osten rücken russische Truppen trotz hoher Verluste in eine Ortschaft nach der anderen vor. Zugleich hofft die Ukraine mit diplomatischen Initiativen voranzukommen, solange in Washington noch der ihr wohlgesonnene Biden amtiert. Allerdings rechnet Kiew bereits mit einer Verschiebung des für November erhofften zweiten Friedensgipfels. Eine Beraterin im Präsidialamt, Darija Sariwna, sagte dem Nachrichtenportal «Telegraf», dass ein Novembertermin wohl nicht zu halten sei. Derzeit liefen Konferenzen zur inhaltlichen Vorbereitung. Der Gipfeltermin könne erst danach festgelegt werden.

Die Ukraine hatte über 100 Länder und Organisationen zu einem ersten Friedensgipfel Mitte Juni in der Schweiz eingeladen. Russland wurde nicht eingeladen, da es eine Teilnahme von vornherein abgelehnt hatte. Das nächste Treffen, diesmal mit Moskau, sollte vor der US-Wahl am 5. November stattfinden. Es ist unklar, ob und in welchem Maße Ex-Präsident Donald Trump dem von Russland angegriffenen Land helfen wird, falls er wieder ins Weiße Haus einzieht.

Selenskyj: Halten in Kursk Druck auf Russland aufrecht

Selenskyj betonte in seiner abendlichen Videobotschaft am Dienstag, wie wichtig der Vorstoß ukrainischer Truppen in das russische Gebiet Kursk weiterhin sei. «Die Kämpfe in der Region Kursk gehen jetzt in den dritten Monat», sagte er. «Wir halten den notwendigen Druck auf Russland in diesem Gebiet aufrecht.» Mobile Einheiten der ukrainischen Armee waren am 6. August über die Grenze in die Region Kursk vorgestoßen und hatten am 8. August die Kleinstadt Sudscha erobert. Die Ukrainer halten nach eigenen Angaben mehr als 1.000 Quadratkilometer besetzt. Russlands Präsident Wladimir Putin ordnete eine Rückeroberung des Gebiets an, die aber kaum vorankommt. Selenskyj betrachtet die Eroberung als Faustpfand für einen möglichen Tausch.

Bundeswehr sieht Fortschritte bei Rekrutierung in der Ukraine

Die Bundeswehr sieht bei der Ukraine große Fortschritte bei der Rekrutierung neuer Soldaten. «Wir haben einen Einblick in die ukrainischen Rekrutierungszahlen. Und die sind seit dem Frühjahr signifikant gestiegen, nämlich im fünfstelligen Bereich», sagte Christian Freuding, Leiter des Sonderstabs Ukraine im Bundesverteidigungsministerium, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die ukrainische Armee erhalte auch mehr Munition. «Die artilleristische Überlegenheit der Russen ist nicht mehr so hoch wie noch im Frühjahr, sie hat sich von acht zu eins auf circa drei zu eins verringert.»

In der Ukraine wird die aktuelle Mobilmachung weniger optimistisch betrachtet. Roman Kostenko, Mitglied des Verteidigungsausschusses des Parlaments, äußerte sich in einem Interview mit Radio NV besorgt über rückläufige Rekrutierungszahlen. Er warnte davor, dass die ukrainische Armee bald nicht mehr in der Lage sein könnte, die Verluste auszugleichen. In einem anderen Interview schlug Kostenko vor, das Rekrutierungsalter von 25 auf 20 Jahre zu senken.

dpa