Russland erleidet bei seiner Offensive in der Ostukraine hohe Verluste, dennoch rücken Putins Soldaten immer weiter vor. Die Ukrainer müssen Schritt um Schritt zurückweichen.
Ukrainische Front im Donbass bröckelt
Die Verteidiger im Osten der Ukraine sehen sich unter dem ständigen Druck russischer Angriffe mit einer zunehmend schwierigen Lage konfrontiert. Laut dem neuesten Lagebericht des ukrainischen Generalstabs gab es allein am Sonntag 142 russische Sturmangriffe. Es wurde allgemein gesagt, dass alle Angriffe auf allen Frontabschnitten abgewehrt wurden. Dennoch scheinen laut inoffizieller Frontbeobachterberichte russische Truppen in den letzten Tagen mehrere kleine Ortschaften erobert zu haben. Ein russischer Militärblog berichtete über den Zusammenbruch der ukrainischen Front im Süden des Donezk-Gebiets. Es ist jedoch schwer, die Angaben beider Kriegsparteien zu überprüfen.
Seit über zweieinhalb Jahren wehrt sich die Ukraine gegen eine groß angelegte russische Invasion. Präsident Wolodymyr Selenskyj bat nach einer weiteren Woche russischer Luftangriffe erneut die westlichen Verbündeten um Hilfe bei der Flugabwehr. In der vergangenen Woche gab es allein über 1.100 Angriffe mit Gleitbomben und mehr als 560 Drohnenattacken, so schrieb er im Kurznachrichtendienst X. Zudem wurden etwa 20 Raketen und Marschflugkörper von den Russen abgefeuert. Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe bedrohten in der Nacht zum Montag erneut mehrere Schwärme russischer Kampfdrohnen die Ukraine.
Gefahr für den Süden des Gebietes Donezk
Im Süden des Kohle- und Industriereviers Donbass hat die ukrainische Front seit Beginn der Invasion 2022 standgehalten. In diesem Jahr fielen jedoch zunächst die Stadt Awdijiwka und später auch Wuhledar an die russischen Truppen. Seitdem konnten die erschöpften ukrainischen Streitkräfte den Vormarsch der Russen nicht stoppen, obwohl diesen hohe Verluste zugefügt wurden. Besonders gefährdet sind nun die Städte Kurachiwka, Kurachowe und Pokrowsk weiter im Norden.
Die vollständige Eroberung des ukrainischen Verwaltungsgebietes Donezk ist ein erklärtes Kriegsziel des Kremls. Das Gebiet wurde schon 2022 für Russland annektiert, auch wenn es nicht vollständig besetzt war. Sollten die letzten Industriestädte im Donbass fallen, schließt sich nach Westen eine offene und schwer zu verteidigende Steppe an bis an den Strom Dnipro. Dort liegen die ukrainischen Großstädte Dnipro und Saporischschja.
Kremlchef Putin warnt vor Angriffen auf Russland
Die ukrainische Luftverteidigung meldete allein am Sonntag 80 russische Drohnenangriffe. Diese Angriffe wurden abgewehrt. Präsident Selenskyj betonte die Notwendigkeit von Hilfe beim Schutz der Bevölkerung und veröffentlichte ein weiteres Video von den Zerstörungen in seinem Land. Die Ukraine hat seit Monaten darum gebeten, ausländische Waffen mit großer Reichweite gegen militärische Ziele im russischen Hinterland einsetzen zu dürfen.
Der russische Präsident Wladimir Putin, der am 24. Februar 2022 den Angriffskrieg gegen die Ukraine angeordnet hat, warnte erneut den Westen davor, Langstreckenwaffen für solche Angriffe freizugeben. Putin sagte in einem Fernsehinterview, dass Russland die Beteiligung des Westens sehen würde, da die Ukraine solche Angriffe nicht ohne Hilfe von Offizieren und Satellitendaten aus Nato-Staaten durchführen könne. Das russische Verteidigungsministerium arbeite an verschiedenen Antwortmöglichkeiten für diesen Fall, so Putin. Er nannte keine Details.
Selenskyj reist zu Freunden in Nordeuropa
Vor einer Reise zum Nordischen Rat betonte Selenskyj die Bedeutung der Unterstützung durch die Länder im Norden Europas. «Sie alle verstehen gleichermaßen, wie wichtig es ist, entschlossen zu handeln», sagte der Präsident in einer Videobotschaft. «Sie verstehen, dass wir dem Aggressor Probleme bereiten müssen, damit Russland die Möglichkeit verliert, das Leben in der Welt zu stören.»
Der Rat gab bekannt, dass Selenskyj am kommenden Dienstag (29.10.) zu einer Sitzung des Nordischen Rates in Reykjavik erwartet wird. Der Präsident plant, mit Finnland, Schweden, Dänemark, Norwegen und Island zu besprechen, wie der militärische und diplomatische Druck auf Russland verstärkt werden kann.
Laut Daten der Universität Kiel unterstützen Dänemark, Finnland und Schweden sowie die baltischen Staaten die Ukraine im Verhältnis zu ihrer Wirtschaftskraft stärker als Deutschland. Die nordischen Länder zeigen dabei auch politisch weniger Rücksicht auf Moskau als Berlin. Dänemark investiert beispielsweise direkt in ukrainische Rüstungsbetriebe.