Das 2015 gegründete Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine galt als eine Vorzeigeorganisation. Nun geht der Präsident Selenskyj unterstehende Geheimdienst SBU mit Razzien gegen die Behörde vor.
Ukrainischer Geheimdienst geht gegen Antikorruptionsbüro vor
Der ukrainische Geheimdienst SBU hat gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft Dutzende Razzien bei Ermittlern des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU) durchgeführt. Laut den Behörden haben sie unter anderem Informationen an den russischen Geheimdienst über Exil-Ukrainer in Russland weitergegeben. Einem festgenommenen NABU-Ermittler wurden außerdem Geschäfte mit Russland vorgeworfen.
NABU-Ermittler haben angeblich mehreren ukrainischen Geschäftsleuten bei der Flucht aus dem Kriegsland geholfen. Anderen wurden angeblich Verkehrsunfälle zur Last gelegt. In einer Stellungnahme informierte der NABU über mindestens 70 Hausdurchsuchungen, von denen nicht weniger als 15 Mitarbeiter der Behörde betroffen waren. NABU-Chef Semen Krywonos brach eine Dienstreise in Großbritannien ab.
Der SBU hat auch Hausdurchsuchungen bei der Spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP) durchgeführt. Ihr Leiter Olexander Klymenko befand sich ebenfalls in Großbritannien. Der SBU hat die Vorwürfe der Antikorruptionsbehörden bestritten, dass er bei den Razzien Zugriff auf Informationen aus Ermittlungsverfahren erlangt habe.
Machtkampf der Sicherheitsorgane vermutet
Die Nichtregierungsorganisation Transparency International schrieb in einer Erklärung von einem «Versuch der Demontage des Systems zur Korruptionsbekämpfung». Die versuchte Druckausübung auf die Antikorruptionsorgane sei unzulässig. «Wir rufen Präsident Wolodymyr Selenskyj auf, öffentlich die Unabhängigkeit der Antikorruptionsorgane zu garantieren und rufen den SBU und die Generalstaatsanwaltschaft dazu auf, den gesetzwidrigen Druck einzustellen», hieß es. Medien vermuten als Hintergrund der Razzien eine Reaktion von Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Korruptions-Ermittlungen von NABU und SAP gegen Ex-Vizeregierungschef Olexij Tschernyschow. Dieser soll Selenskyj nahestehen.
Der Geheimdienst SBU wird von Selenskyj kontrolliert. NABU und verschiedene andere Behörden wurden nach dem prowestlichen Umsturz im Jahr 2014 mit ausländischer Hilfe gegründet, um insbesondere gegen die weit verbreitete Korruption unter hochrangigen Staatsbeamten vorzugehen. Trotzdem wird die Ukraine laut Transparency International weiterhin als eines der korruptesten Länder Europas angesehen.