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Politische Stimmung in Ostdeutschland: AfD auf dem Vormarsch

Die AfD gewinnt weiter an Zustimmung in Ostdeutschland. Die Partei könnte bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern die SPD überholen.

Wenn am Sonntag der Landtag neu gewählt werden würde, wäre die SPD nicht mehr stärkste Kraft im Land. (Archivbild)
Foto: Bernd Wüstneck/dpa

Die AfD gewinnt weiterhin an Beliebtheit bei den Wählern in Ostdeutschland. Ein Jahr vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern erreicht die Partei in einer repräsentativen Umfrage, die vom NDR in Auftrag gegeben wurde, 38 Prozent. Wenn am Sonntag Landtagswahl wäre, würde die AfD ihr Wahlergebnis im Vergleich zur Parlamentswahl 2021 mehr als verdoppeln und die damalige Wahlsiegerin SPD mit Ministerpräsidentin Manuela Schwesig an der Spitze deutlich von Rang eins verdrängen. Die rot-rote Koalition in Schwerin hätte laut Umfrage mit 31 Prozent keine Mehrheit mehr. Die SPD ist in der Wählergunst nur noch halb so stark wie bei der Wahl (19 Prozent).

In Sachsen-Anhalt, wo bereits Anfang September 2026 gewählt wird, betrug der letzte Umfragewert der AfD 39 Prozent. Auch bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen konnte die Partei kürzlich deutlich zulegen. Die anhaltenden Diskussionen über die umstrittene Einstufung als gesichert rechtsextrem, die bis zu einer Gerichtsentscheidung ausgesetzt ist, sowie ein mögliches Parteiverbotsverfahren haben der AfD folglich nicht geschadet.

Wissenschaftler sieht wachsende Skepsis an politischem System

Für den Greifswalder Politikwissenschaftler Jochen Müller sind die hohen Zustimmungswerte Ausdruck einer inzwischen verfestigten Skepsis gegenüber dem politischen System. «Es gibt bei vielen Menschen eine große Unzufriedenheit mit dem, wie Demokratie funktioniert. Weil sie ihre eigene Position – etwa in der Migrationsfrage – nicht wie gewünscht berücksichtigt sehen, lehnen sie Regierungspolitik und -politiker grundsätzlich ab. Das geht durch alle sozialen Schichten», sagte der Universitäts-Professor. 

Dennoch erwartet er bis zur Wahl im Nordosten am 20. September 2026 noch deutliche Verschiebungen im Wählerverhalten. «Da kommt noch viel Dynamik rein. Vor allem, wenn dann zum Ende des Wahlkampfes die Personen in den Mittelpunkt rücken und die Frage steht, wer das Land denn künftig regieren soll», vermutet Müller. 

Schwesig will weiterregieren

Darauf setzt auch Schwesig, die nach eigenen Angaben ihre SPD wieder zum Wahlsieg führen will, um weiterregieren zu können. Die aktuelle Umfrage spiegele wie auch das Ergebnis der Bundestagswahl Anfang 2025 im Osten die große Unzufriedenheit in der Bevölkerung wider. Ihre Regierung arbeite hart für Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze, für gute Kitas und Schulen, für stabile Renten. «Deshalb bin ich zuversichtlich für die Landtagswahl in einem Jahr. Denn dann geht es um die Zukunft des Landes Mecklenburg-Vorpommern und nicht um Bundespolitik», sagte Schwesig. Die AfD setze auf Hass und Hetze und gefährde die Stabilität des Landes. 

Der AfD-Landesvorsitzende Leif-Erik Holm seinerseits schickte bereits eine Kampfansage an Schwesig. Er tritt in ihrem Schweriner Wahlkreis gegen sie an, will ihr dort das Direktmandat abnehmen und dann selbst Ministerpräsident werden. «Für mich ist klar: Wenn wir den Wahlkreis gewinnen, werden wir Mecklenburg-Vorpommern regieren», gab sich Holm nach seiner parteiinternen Nominierung demonstrativ zuversichtlich. Die Umfrage zeige, dass immer mehr Bürger die «trantütige Schwesig-Regentschaft» leid seien und einen Politikwechsel wollten. «Wir sind klar für die Wende im kommenden Jahr», sagte Holm. Bislang lehnen alle anderen Parteien eine Koalition mit den Rechtspopulisten ab. 

CDU verharrt auf niedrigem Niveau

Das gilt auch für die CDU, die nicht von der Schwäche der SPD profitieren kann. In der Umfrage verharrt die Union bei 13 Prozent und damit auf dem historisch niedrigen Wahlergebnis vom Herbst 2021. «Unser Wahlziel ist ein Politikwechsel für Mecklenburg-Vorpommern, also das Ende linker Politik. Es darf keine Regierungsmehrheit gegen die CDU geben», formulierte CDU-Landeschef Daniel Peters das Ziel seiner Partei. Mit Themen wie Wirtschaft, Innere Sicherheit, Migration und Gesundheitspolitik will er Wähler gewinnen und die CDU nach fast drei Jahrzehnten wieder zur stärksten Kraft in MV machen.

Die Linke, seit 2021 Juniorpartner der SPD in Schwerin, könnte laut Umfrage gegenüber der letzten Wahl leicht zulegen und würde auf 12 Prozent kommen. Für Parteichef Hennis Herbst ist dies eine gute Ausgangslage für die Vorbereitung auf den Wahlkampf, in dem seine Partei steigende Mieten, teure Lebensmittel, Heizkosten, geringe Löhne und knappe Renten thematisieren möchte. Herbst macht die schwarz-rote Bundesregierung maßgeblich verantwortlich für die wachsende Zustimmung für die AfD: «Wo demokratische Parteien es nicht schaffen Alltagssorgen zu lösen und so Vertrauen zurückzugewinnen, profitieren die Faschisten der AfD von der wachsenden Unzufriedenheit.»

Für kleinere Parteien wird es laut Umfrage eng

Für die Grünen und die FDP im Schweriner Landtag könnte es schwierig werden, wieder ins Parlament einzuziehen. Beide Parteien sind derzeit von internen Konflikten betroffen. Die Grünen liegen in Umfragen bei 5 Prozent, genau an der Schwelle zur Wiedereinzug, während die FDP deutlich darunter liegt. Das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wird in Umfragen bei 7 Prozent gesehen, was einen erstmaligen Einzug in den Landtag bedeuten würde. Es ist jedoch unklar, wer für das BSW kandidieren wird. Die bisherigen Landesvorsitzenden Friedrich Straetmanns und Melanie Dango haben am Donnerstag ihren Rücktritt zum 11. Oktober angekündigt.

Wie in den anderen ostdeutschen Bundesländern erwartet der Politikwissenschaftler Müller auch in Mecklenburg-Vorpommern im kommenden Jahr eine schwierige Regierungsbildung. «Die Wählerschaft ist heterogener geworden und damit auch die Parteienlandschaft. Bei den teilweise großen programmatischen Unterschieden ist es eine riesige Herausforderung, tragfähige Bündnisse zu schließen», sagte er.

Für Umfrage mehr als 1.000 Wahlberechtigte befragt 

Im Auftrag des NDR hat Infratest dimap zwischen dem 18. und 23. September 1.151 wahlberechtigte Personen aller Altersgruppen, Bildungsabschlüsse und Geschlechter in Mecklenburg-Vorpommern mittels computergestützter Telefon- und Online-Interviews befragt. Es wurden insgesamt 674 Telefoninterviews und 477 Online-Befragungen durchgeführt.

Wahlumfragen sind grundsätzlich immer mit Unsicherheiten verbunden. Unter anderem machen nachlassende Parteibindungen und immer kurzfristigere Wahlentscheidungen es den Meinungsforschungsinstituten schwer, die erhobenen Daten zu gewichten. Im Grunde genommen geben Umfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wieder und sind keine Prognosen für den Wahlausgang.

dpa