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Umsetzung von Bidens Gaza-Friedensplan ungewiss

Erstmals seit Beginn des blutigen Gaza-Kriegs hat der UN-Sicherheitsrat einen konkreten Plan für eine Waffenruhe unterstützt. Gibt es Grund zur Hoffnung, dass nun bald die Waffen schweigen?

Sein Entwurf eines Deals sieht zunächst eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen vor: Joe Biden.
Foto: Alex Brandon/AP/dpa

Seit über acht Monaten herrscht Krieg im Gazastreifen, der zu vielen Opfern und schwerwiegenden globalen Störungen geführt hat. Die USA setzen sich mit aller Kraft für eine Waffenruhe in dem verheerenden Konflikt zwischen Israel und der islamistischen Terrororganisation Hamas ein, der die Stabilität in der gesamten Region gefährdet. US-Außenminister Antony Blinken ist bereits zum achten Mal seit Beginn des Krieges mit diesem Ziel auf diplomatischer Mission im Nahen Osten und führt intensive Gespräche.

Der von US-Präsident Joe Biden vorgestellte mehrstufige Plan für eine Gaza-Waffenruhe erhält nun starken Rückenwind vom UN-Sicherheitsrat. Das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen hat für den Vorschlag gestimmt und somit erstmals seit Beginn des Krieges für einen konkreten Plan für eine Waffenruhe votiert. Der Beschluss für das Konzept, das eine Beendigung der Kämpfe im Gazastreifen in drei Phasen vorsieht, ist völkerrechtlich verbindlich. Aufgrund der gegensätzlichen Ziele von Israel und der Hamas im Krieg bleibt jedoch die Umsetzung des Plans weiterhin unsicher.

Was sieht Bidens Plan vor?

Der ehrgeizige Plan, den Biden Ende Mai vorgestellt hat, sieht vorerst eine sechswöchige vollständige und bedingungslose Waffenruhe vor. Innerhalb dieser Zeit würden bestimmte Geiseln freigelassen werden. Im Gegenzug sollen Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. In einem weiteren Schritt würden die Kämpfe dauerhaft beendet und die restlichen Geiseln freigelassen. Schließlich soll gemäß dem Plan mit dem Wiederaufbau des Gazastreifens begonnen werden.

Was hat Israel zu dem Biden-Plan gesagt?

US-Repräsentanten haben mehrmals betont, dass Israel dem Biden-Plan zugestimmt hat, während die Hamas dies nicht getan hat. Blinken erklärte, dass der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu bei einem Treffen in Jerusalem seine Unterstützung für den Plan bekräftigt hat. Bisher hat Netanjahus Regierung jedoch noch keine klare öffentliche Zustimmung zu dem Plan geäußert.

Ein israelischer Regierungsvertreter sagte lediglich, der Entwurf widerspreche nicht den Kriegszielen Israels. «Israel wird den Krieg nicht beenden, bevor alle seine Kriegsziele erreicht sind: die Zerstörung der militärischen und Regierungsfähigkeiten der Hamas, die Freilassung aller Geiseln und die Gewährleistung, dass Gaza für Israel künftig keine Bedrohung darstellen wird», sagte er. «Der Vorschlag ermöglicht es Israel, diese Ziele zu erreichen, und Israel wird dies tatsächlich tun.»

Nach der Veröffentlichung des Plans hatte Netanjahu vor einer Woche nach Angaben seines Büros gesagt: «Die Behauptung, dass wir einer Waffenruhe zugestimmt haben, ohne dass unsere Bedingungen erfüllt werden, ist nicht richtig.»

Auch in der neuen Resolution heißt es jedoch, Israel habe den Plan akzeptiert. Sie fordert die Hamas auf, dies ebenfalls zu tun und drängt alle Beteiligten zu einer Umsetzung des Plans «ohne Verzögerungen und ohne Bedingungen».

Warum äußert Israel sich nicht eindeutig zu dem Biden-Plan?

Netanjahus rechtsextreme Koalitionspartner haben damit gedroht, die Regierung zu stürzen, falls Israel das von Biden unterstützte Abkommen umsetzt. Sie betrachten die Vereinbarung als eine Kapitulation vor der Hamas. Netanjahus politisches Überleben, trotz des seit Jahren laufenden Korruptionsprozesses gegen ihn, hängt von diesen Partnern ab. Seit dem Rücktritt des gemäßigteren Benny Gantz aus der Notstandsregierung, die nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober gebildet wurde, ist dies noch deutlicher geworden.

Was ist der Standpunkt der Hamas?

Die Hamas hat seit Monaten eine konstante Position. Sie verlangt ein vollständiges Ende des Krieges als Voraussetzung für einen Geisel-Deal. Die islamistische Organisation hat die Resolution des Sicherheitsrats begrüßt und bekräftigt den Willen, die indirekten Verhandlungen für eine Übereinkunft fortzusetzen. Die positive Reaktion schien jedoch keine formelle Annahme des Plans darzustellen.

Katar, Ägypten und die USA sind seit Monaten als Vermittler bemüht, ein Abkommen für eine Feuerpause im Gaza-Krieg, die Befreiung der Geiseln und die Freilassung palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen zu erreichen.

Nach der Entscheidung der UN hat die Hamas die Ziele einer langfristigen Waffenruhe, eines vollständigen Abzugs israelischer Truppen und des Wiederaufbaus des Küstenstreifens bekräftigt. In einer Erklärung nannte die Organisation auch das Ende der israelischen Besatzung und die Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt sowie das Recht auf Rückkehr für palästinensische Flüchtlinge als weitere Ziele.

Der UN-Sicherheitsrat hat in der Resolution auch die Betonung der Vision einer Zweistaatenlösung bekräftigt, bei der Israel und die Palästinenser friedlich nebeneinander leben können. Es sei wichtig, das Westjordanland und den Gazastreifen wieder unter der Führung der palästinensischen Autonomiebehörde zu vereinen. Israel ist gegen eine solche Lösung.

Welche Ziele verfolgt die Hamas im Gaza-Krieg?

Die islamistische Terrororganisation strebt danach, ihre Macht im Gazastreifen zu behalten und sich als Sieger zu präsentieren. Für den Hamas-Chef Jihia al-Sinwar ist es offensichtlich vorteilhaft, Zeit zu gewinnen. Angesichts der schrecklichen humanitären Situation in dem Küstenstreifen und der hohen Opferzahl nimmt der internationale Druck auf Israel weiter zu. Al-Sinwar hofft möglicherweise darauf, dass die internationale Gemeinschaft Israel dazu bringt, den Krieg zu beenden – ohne dass Hamas die 120 verbliebenen Geiseln freilassen muss.

Die US-Zeitung «Wall Street Journal» hatte eigenen Angaben zufolge Zugang zu Dutzenden von Nachrichten Al-Sinwars. Aus ihnen gehe hervor, dass der Hamas-Chef sich von anhaltenden Kämpfen und steigenden Opferzahlen unter palästinensischen Zivilisten Vorteile verspricht. «Wir haben die Israelis genau da, wo wir sie haben wollen», soll er demnach kürzlich in einer Mitteilung an Hamas-Vertreter erklärt haben, die an den Verhandlungen über eine Waffenruhe beteiligt seien. In vielen Nachrichten habe Al-Sinwar «eine kalte Missachtung von Menschenleben an den Tag gelegt und deutlich gemacht, dass er glaubt, dass Israel durch den Krieg mehr zu verlieren hat als die Hamas».

Was bedeutet eine völkerrechtlich bindende Resolution in der Praxis?

Im Unterschied zu anderen Organen der Vereinten Nationen (UN) sind die Entscheidungen des Sicherheitsrates völkerrechtlich verbindlich. Das bedeutet, dass sie für alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen rechtlich verpflichtend sind und umgesetzt werden müssen. Die Bedingung dafür ist, dass keines der fünf ständigen Mitglieder China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA sein Veto einlegt. Israel ist ein Mitgliedsstaat der UN, während die Hamas als Terrororganisation kein legitimer Vertreter ihres Volkes ist.

Der Sicherheitsrat hat die Befugnis, Maßnahmen zu ergreifen, um den internationalen Frieden und die Sicherheit zu gewährleisten. Dazu können Sanktionen auf wirtschaftlicher Ebene, Waffenembargos oder sogar militärische Maßnahmen gehören, die auf Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen basieren. Es wird jedoch als praktisch ausgeschlossen angesehen, dass die internationale Gemeinschaft ohne Zustimmung Israels in den blutigen Konflikt militärisch eingreift.

dpa