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Umstrittenes Personal für neue EU-Kommission

Nach erbittertem Streit haben sich die Fraktionen im EU-Parlament auf die künftige Besetzung der Europäischen Kommission geeinigt. Unter den designierten Ressortchefs sind gleich mehrere Reizfiguren.

Nun kann von der Leyen lachen - ihr Vorschlag wurde angenommen. (Archivbild)
Foto: Kay Nietfeld/dpa

Trotz heftiger Kritik aus dem EU-Parlament werden voraussichtlich mehrere politische Kontroversen der zukünftigen Europäischen Kommission angehören. Neben dem rechten italienischen Politiker Raffaele Fitto als designiertem Vizepräsidenten der mächtigen Institution stieß auch die Ernennung eines Anhängers des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban auf Widerstand. Dennoch haben sich die großen Fraktionen im EU-Parlament auf diese und weitere Personalien im Team von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geeinigt. Darunter ist auch der neu geschaffene Posten des Verteidigungskommissars, den ein früherer Regierungschef aus Russlands Nachbarstaat Litauen besetzen soll.

Nach einer hitzigen Debatte genehmigten die Vertreter der zuständigen Parlamentsausschüsse die Pläne am späten Mittwochabend in Brüssel. Insgesamt werden 26 EU-Kommissare unter der Leitung von der Leyens arbeiten, jeweils einer pro Mitgliedsstaat. Die Brüsseler Behörde ist die einzige EU-Institution, die Gesetze für die Staatengemeinschaft vorschlägt und die Einhaltung des europäischen Rechts überwacht.

In den letzten Wochen wurden die Kommissionskandidaten von den entsprechenden Ausschüssen des Europaparlaments angehört. Besonders Widerstand gab es bei den Anhörungen der designierten Vizepräsidentinnen und -präsidenten. Am nun erzielten Kompromiss waren neben den Konservativen und Sozialdemokraten auch die liberale Renew-Fraktion beteiligt.

Protest gegen rechten Italiener und Orban-Getreuen

Die Nominierung des Italieners Raffaele Fitto, der künftig unter anderem für Reformen zuständig sein soll – also auch für den Europäischen Sozialfonds und einen Fördertopf für regionale Entwicklung, sorgte für besonderes Aufsehen. Obwohl Fitto von vielen in Brüssel als politisch gemäßigt und proeuropäisch angesehen wird, haben die Sozialdemokraten im Parlament heftig dagegen protestiert, dass ein rechter Politiker aus der Regierung von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine herausgehobene Position wie die des Vizepräsidenten erhält.

Als Gegenleistung blockierte das Mitte-Rechts-Bündnis EVP, zu dem auch CDU und CSU gehören, zunächst die Berufung der Sozialistin Teresa Ribera. Konservative und rechte Abgeordnete werfen der derzeitigen spanischen Umweltministerin Versagen bei den schweren Überschwemmungen in der Region Valencia vor. Durch den Deal der großen Fraktionen kann Ribera nun als Kommissions-Vize das Portfolio für Wettbewerbspolitik und grünen Wandel übernehmen.

Auch der Ungar Oliver Varhelyi war umstritten, da er wegen seiner Loyalität gegenüber dem autoritär regierenden ungarischen Ministerpräsidenten Orban kritisiert wurde. Die großen Fraktionen haben schließlich vereinbart, Teile seines Portfolios Gesundheit und Tierschutz anderen Kommissaren zu übertragen – nach dpa-Informationen etwa jene zur sexuellen Diskriminierung und Selbstbestimmung. Kritiker beschuldigen Orban, die Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten in Ungarn beschnitten und unter anderem das Abtreibungsrecht verschärft zu haben.

Schlüsselrollen für Politiker aus Baltenstaaten

In Zukunft wird auch besonderes Augenmerk auf den Österreicher Markus Brunner liegen, der als Kommissar für Migration die umstrittene Asylreform umsetzen soll. Litauens Ex-Ministerpräsident Andrius Kubilius wird sich als erster Chef des Verteidigungsressorts einem Schlüsselthema widmen: Von der Leyen möchte in ihrer zweiten Amtszeit die Verteidigungs- und Rüstungspolitik auf EU-Ebene stärken, Investitionen in Rüstungsprojekte erleichtern und Europa militärisch unabhängiger machen – insbesondere vor dem Hintergrund des Wiedereinzugs Donald Trumps ins Weiße Haus.

Kubilius wird voraussichtlich eng mit der Estin Kaja Kallas zusammenarbeiten. Sie soll EU-Außenbeauftragte werden und als Chefdiplomatin der Staatengemeinschaft für die Außenpolitik in Zeiten von Kriegen zwischen Russland und der Ukraine sowie in Nahost zuständig sein.

Wie sich die EU bei möglichen Handelskonflikten mit den USA oder China verhält, dürfte auch vom künftigen Kommissar Maros Sefcovic abhängen: Das Portfolio des Slowaken umfasst auch «wirtschaftliche Sicherheit» und die Zollpolitik. Weiter eine große Rolle spielen dürfte ferner der polnische Haushaltskommissar Piotr Serafin, da in den kommenden zwei Jahren mutmaßlich harte Verhandlungen über das mehrjährige Budget der EU stattfinden. Und mit Dan Jørgensen bekommt die Kommission erstmals einen Kommissar für Wohnen.

Wie es jetzt weitergeht

Der Kompromiss muss in den kommenden Tagen noch offiziell genehmigt werden. Es wird erwartet, dass die Abgeordneten am Mittwoch im Plenum in Straßburg über das gesamte Personalpaket abstimmen. Aufgrund der erwarteten Zustimmung sollte die neue EU-Kommission am 1. Dezember ihre Arbeit aufnehmen können.

dpa