Am späten Donnerstagabend endet der Frühjahrsgipfel der EU in Brüssel. Und damit auch der womöglich letzte für Kanzler Olaf Scholz. Der Abschied fällt ganz anders aus als der seiner Vorgängerin.
Abschied aus Brüssel: Scholz sagt «Tschüss»
«Tschüss» – mit diesem knappen Wort hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Pressekonferenz nach seinem wohl letzten regulären EU-Gipfel verabschiedet. Zum Abschluss des Treffens zog der SPD-Politiker eine sachliche Bilanz seiner Zeit an Brüsseler Gipfeltischen. Er habe in den Jahren «viel gelernt über die politischen Verhältnisse in anderen Ländern», sagte Scholz. Das helfe, «immer locker zu bleiben bei all dem, was einem selbst begegnen kann».
Der Kanzler verwies auf die Unterstützung der Ukraine und darauf, dass große Krisen wie die Energiekrise bewältigt wurden, als er nach seiner größten Errungenschaft gefragt wurde. Obwohl viele anfangs nicht daran geglaubt hätten, sei dies gelungen, so Scholz. Ebenso richtig sei die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems gewesen.
Merkel bekam große Verabschiedung
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erwähnte, dass er beim Treffen die Möglichkeit hatte, Scholz zu danken. Es gibt vorerst keine weiteren Details über eine offizielle Verabschiedung des deutschen Bundeskanzlers.
Bei EU-Gipfeln werden scheidende Staats- und Regierungschefs manches Mal mit besonderen Gesten verabschiedet. So wurde Angela Merkel nach 16 Jahren als Kanzlerin und einer rekordverdächtigen Zahl von 106 EU-Gipfeln mit stehenden Ovationen und einer Videopräsentation geehrt. Der damalige EU-Ratspräsident Charles Michel würdigte Merkel als «Monument» Europas und sagte: «Der Europäische Rat ohne Angela ist wie Rom ohne den Vatikan oder Paris ohne den Eiffelturm.»
Scholz wird nicht als großer Europäer in die Geschichte der EU eingehen, da er nicht genug Bereitschaft zeigte, eine wirkliche Führungsrolle zu übernehmen. Zudem kam der deutsch-französische Antrieb ins Stocken, da Scholz und Macron sich nicht gut verstanden.
Macron lobt Scholz als wertvollen Partner
Trotzdem lobte der Franzose Scholz im Anschluss des Gipfels vor Journalisten als «sehr wertvollen Partner». «Ich möchte ein ganz persönliches Wort an Bundeskanzler Scholz richten, der mir über die Jahre hinweg ein Kamerad, ein Weggefährte und ein politischer Partner war», sagte er.
Die nächste reguläre Sitzung der europäischen Staats- und Regierungschefs findet erst Ende Juni statt. Es wird erwartet, dass bis dahin Friedrich Merz (CDU) vom Bundestag zum nächsten deutschen Bundeskanzler gewählt wurde.
EU will bis 2030 massiv aufrüsten
Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Weltlage wesentlich entspannen wird, daher wird der Sicherheits- und Verteidigungskurs der EU voraussichtlich weiterhin im Mittelpunkt stehen. Beim Treffen in Brüssel haben sich die Spitzenpolitiker bereits darauf geeinigt, die Verteidigungsfähigkeit Europas bis 2030 deutlich zu erhöhen.
Die Aufrüstungspläne umfassen EU-Kredite in Höhe von 150 Milliarden Euro sowie eine Ausnahmeregelung, die es erlaubt, Verteidigungsausgaben von den strengen EU-Schuldenregeln auszunehmen. In den nächsten vier Jahren sollen insgesamt 800 Milliarden Euro mobilisiert werden.
Die Europäische Kommission schätzt ein, dass die EU sich schnell auf die Möglichkeit eines großangelegten Krieges mit Russland vorbereiten muss. Besonders gefährlich ist die Situation, da US-Präsident Donald Trump angekündigt hat, dass die USA als atomare Supermacht zukünftig nicht mehr bedingungslos als Garant für Frieden in Europa zur Verfügung stehen werden. Die Pläne sehen auch vor, die Ukraine, die von Russland angegriffen wurde, künftig noch stärker militärisch zu unterstützen.
Keine gemeinsame Linie in Ukraine-Politik
Es gab keine neuen größeren Hilfszusagen für die Ukraine. In einem Videoappell forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die EU auf, sein Land weiterhin zu unterstützen. Er bat konkret um mindestens fünf Milliarden Euro für Artilleriegeschosse. Diese Forderung geht auf eine Initiative der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas zurück, die zu Beginn des Treffens erneut dazu aufgefordert hatte, die Summe für Munitionslieferungen an die ukrainischen Streitkräfte bereitzustellen.
Überschattet wurde der Gipfel von der Ankündigung Ungarns, keinerlei neue EU-Entscheidungen zugunsten der Ukraine zu akzeptieren. Wie schon beim Sondergipfel am 6. März konnte deswegen kein gemeinsamer EU-Text dazu angenommen werden. Die anderen 26 Mitgliedsstaaten bekräftigten daraufhin in einer Erklärung ohne ihn, dass sie die «Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen» weiterhin und uneingeschränkt unterstützen.