Der Rentenstreit ist längst zur Existenzfrage für die schwarz-rote Koalition geworden. Was machen die 18 Rebellen in der Union? Ein erster Test in der Fraktion bringt noch keine Klarheit.
Union stimmt für Rentenpaket – aber zahlreiche Gegenstimmen

Die Mehrheit der Unionsfraktion hat sich für die Zustimmung zum umstrittenen Rentenpaket im Bundestag ausgesprochen, aber es gab auch viele Gegenstimmen. Laut Teilnehmern einer Fraktionssitzung der Deutschen Presse-Agentur blieb die genaue Anzahl der Nein-Stimmen und Enthaltungen bei der Test-Abstimmung zunächst unklar. Es wurde jedoch von etwa 15 Gegenstimmen und einigen Enthaltungen berichtet. Das Rentenpaket stößt insbesondere bei jungen Abgeordneten in der Fraktion auf Ablehnung.
Die Abstimmung im Bundestag ist für Freitag geplant. Bis Donnerstag 12.00 Uhr müssen die Abgeordneten der Fraktionsführung endgültig mitteilen, wenn sie dem Gesetz nicht zustimmen wollen. Erst dann herrscht weitgehende Klarheit. Im Gegensatz zur im ersten Anlauf gescheiterten geheimen Richterwahl im Juli wird diesmal namentlich abgestimmt. Mit verdeckten Karten können die Abgeordneten also nicht spielen. Sie müssen Farbe bekennen.
Es kommt darauf an, wie viele Abgeordnete am Freitag anwesend sind, wie viele Gegenstimmen aus den eigenen Reihen die Koalition verkraften kann. Wenn alle anwesend wären, würde die Koalition 316 von 630 Stimmen für eine eigene Mehrheit benötigen. CDU, CSU und SPD haben zusammen 328 Stimmen.
Spahn mahnt zur Disziplin
Kanzler und CDU-Chef Friedrich Merz forderte in der Fraktionssitzung nach Angaben von Teilnehmern erneut eindringlich die jungen Rentenrebellen auf, dem Paket zuzustimmen. Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hatte bereits vor der Sitzung alle Abgeordneten aufgefordert, sich an das Mehrheitsvotum zu halten.
«Ich weiß, wie viele Kolleginnen und Kollegen mit sich ringen in der Abwägung unterschiedlicher Aspekte», sagte er. Wenn aber mehrheitlich eine Zustimmung empfohlen werde, «gibt es die klare Erwartung auch in unserer Arbeitsordnung, dass dann diejenigen, die es anders gesehen haben in dieser Abstimmung, dann gemeinsam mit der Mehrheit der Fraktion im Deutschen Bundestag abstimmen». Vor den Abgeordneten sagte Spahn laut Teilnehmern, es gehe jetzt konkret um die Stabilität der Regierung. Bei einem Scheitern gäbe es keinen Applaus mehr. 90 Prozent der Unionswähler würden dann fragen: «Was macht ihr da.»
Junge Gruppe hat Abstimmung freigegeben
Der Widerstand gegen das Rentenpaket kommt hauptsächlich von der jungen Gruppe der Unionsfraktion, die sich seit Monaten gegen das Rentenpaket wehrt. Es handelt sich um 18 Abgeordnete, die zu Beginn der Legislaturperiode höchstens 35 Jahre alt waren.
Das Rentenniveau, das im Gesetzentwurf angestrebt wird – also das Verhältnis der gesetzlichen Rente eines Standardrentners mit 45 Beitragsjahren zum Durchschnittsverdienst aller Erwerbstätigen – von 48 Prozent über 2031 hinaus würde nach ihrer Überzeugung unannehmbare Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe verursachen.
Koalitionsspitze hat sich festgelegt: Keine Änderungen
Die Führungsspitzen von Union und SPD haben sich trotzdem am Freitag im Koalitionsausschuss darauf verständigt, den Gesetzentwurf nicht mehr zu ändern. Nach einem Kompromissangebot soll jedoch die bereits beschlossene Rentenkommission noch in diesem Jahr mit den Vorbereitungen für eine umfassende Reform beginnen. Bis Mitte 2026 soll sie demnach Vorschläge vorlegen und auch mit Vertretern der jungen Generation besetzt werden – beispielsweise aus der Jungen Gruppe. Zusätzlich soll sie auch Themen angehen, die für die SPD bisher tabu waren, wie beispielsweise ein späteres Renteneintrittsalter als 67.
Der Jungen Gruppe reicht das Kompromissangebot nicht aus. Nach drei Tagen Bedenkzeit veröffentlichte sie am Montag ein Positionspapier, in dem das Gesetz nach wie vor als «nicht zustimmungsfähig» bezeichnet wird. Darin erklärte die Gruppe aber, die Mitglieder seien in ihrem Abstimmungsverhalten frei. Sie müssen sich nun zwischen ihrer inhaltlichen Überzeugung und dem Koalitionsfrieden entscheiden.
Ein Junger hat sein Ja schon öffentlich angekündigt
Der CDU-Abgeordnete Daniel Kölbl hat sich am Montag als Erster öffentlich erklärt. «Ich möchte keine Regierungskrise. Deswegen werde ich mein Abstimmungsverhalten im Zweifel entgegen meiner inhaltlichen Überzeugung so ausrichten, dass meine Stimme nicht die entscheidende Stimme für ein Scheitern des Rentenpakets wäre», sagte er dem «Spiegel».
Neben ihm hat bisher nur der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel, seine Position festgelegt – jedoch hinter verschlossenen Türen. In der CDU-Vorstandssitzung am Montag kündigte er laut Teilnehmern ein Nein an.
Es wird allgemein gesagt, dass Abgeordnete aus Bundesländern, in denen im nächsten Jahr Wahlen stattfinden, am wahrscheinlichsten für das Rentenpaket stimmen werden. Philipp Amthor (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Digitalministerium und Mitgliederbeauftragter im CDU-Vorstand, gehört dazu. Es wird schon seit einiger Zeit über ihn gesagt, dass er die Koalition nicht scheitern lassen würde.
Spahn macht seit Tagen Druck
Besonders Unionsfraktionschef Spahn hat in den letzten Tagen systematisch die jungen Leute angesprochen und versucht, sie zu überzeugen. Es wird berichtet, dass er dabei subtil mit hinteren, wenig erfolgversprechenden Listenplätzen bei der nächsten Bundestagswahl gedroht hat.
«So konkret habe ich das nicht», sagte Spahn am Sonntag in der ARD-Sendung «Miosga» dazu. «Ich führe einfach freundliche, klare Gespräche, ich drohe nicht.» Es sei aber klar, dass «über Szenarien und Konsequenzen» gesprochen werde.
Kein Plan B für ein Scheitern
Die Unionsführung schließt eine Verschiebung der Abstimmung aus, da dies nur mit einer Verkürzung der vorgeschriebenen Fristen möglich wäre. Der Bundesrat soll am 19. Dezember gemäß dem Plan der Koalitionsspitzen zustimmen und das Gesetz am 1. Januar in Kraft treten lassen.
Wenn alles schief läuft am Freitag, dann steckt die Koalition ganz tief in einer existenziellen Krise. Über einen Plan B möchte noch niemand so recht reden. Spahn sagte vor der Fraktionssitzung auf die Frage, über er politische Konsequenzen ziehen werde, wenn das Gesetz scheitert: «Das ist ganz einfach. Wenn wir ein Gesetz zur Abstimmung stellen, dann muss und wird es eine Mehrheit bekommen.» Nachfrage: Und wenn nicht: «Das wird es.»








