Finanzen, Migration, Bürgergeld: In einigen zentralen Streitfragen sind sich Union und SPD nun einig. Viele haben sie aber noch gar nicht behandelt. Der Weg zur Koalition ist noch lang und steinig.
Union und SPD nehmen große Hürde – aber auch nicht mehr
Union und SPD haben die erste bedeutende Hürde auf dem Weg zu einer gemeinsamen Regierung genommen, indem sie sich in den Sondierungsgesprächen geeinigt haben. Die Finanzfragen wurden geklärt, der Migrationskurs festgelegt und die Reform des Bürgergelds beschlossen. Dies bildet die Grundlage für Koalitionsverhandlungen, die heute beziehungsweise morgen von den Spitzen der CDU, CSU und SPD beschlossen werden sollen. Es gibt jedoch noch viele Hindernisse zu überwinden, bevor CDU-Chef Friedrich Merz als Kanzler und seine Minister vereidigt werden können.
Grün kann Schwarz-Rot den Start verhageln
Das beginnt mit den Finanzen. Die Unterhändler erzielten bereits am Dienstag einen Durchbruch in den zentralen Finanzfragen durch die Lockerung der Schuldenbremse und die Schaffung eines riesigen Sondervermögens für die Infrastruktur. Die Union kam der SPD dabei sehr entgegen und brach sogar Wahlkampfversprechen.
Aber auch die Grünen sind noch da, die für die erforderliche Grundgesetzänderung durch den alten Bundestag bis zum 25. März unbedingt benötigt werden. Wenn sie nicht überzeugt werden können, ist die Grundlage für die Koalitionsverhandlungen dahin, bevor sie überhaupt richtig begonnen haben. Denn im neuen Bundestag bräuchte man für eine Zwei-Drittel-Mehrheit AfD (Zusammenarbeit ausgeschlossen) oder Linke (Zusammenarbeit extrem schwierig).
Die Grünen werfen Union und SPD vor, ihre Wahlversprechen durch die neuen Finanzmittel finanzieren zu wollen, statt das Geld für tatsächliche Verbesserungen einzusetzen. «Das ist Gift für unser Land», sagte Parteichefin Franzisika Brantner am Samstag. Co-Parteichef Felix Banaszak betonte: «Von einer Zustimmung sind wir heute weiter entfernt als in den letzten Tagen.»
Fallstrick bei Migration: die Nachbarländer
Auch die zweite große Grundsatzeinigung – beim Thema Migration – beinhaltet einen Fallstrick. Die Union hat zwar ihren Willen bekommen, dass auch Asylbewerber an den Grenzen zurückgewiesen werden sollen. Ob das aber für die von ihr geforderte Wende in der Asylpolitik sorgen wird, muss sich noch erweisen. Denn die Zurückweisungen, für die mehr Polizisten an den Grenzen kontrollieren sollen, sind «in Abstimmung mit den europäischen Nachbarn» geplant. Und wie die darauf reagieren, ist offen.
Vieles ist ungeklärt
Und es gibt auch noch einige weitere schwierige Fragen, die bisher noch nicht oder nur oberflächlich behandelt wurden. Ein paar Beispiele:
- Laut Sondierungspapier wollen Union und SPD «im Rahmen der Haushaltsberatungen auch Einsparungen vornehmen». Welche Bereiche das betreffen könnte, wird für heftige Kontroversen sorgen. Außerdem offen: Ob nach dem riesigen Schuldenpaket noch Steuern erhöht werden.
- Was wird aus dem Heizungsgesetz, einem hoch umstrittenen Erbe der Ampel-Koalition? Die CDU hatte im Wahlkampf versprochen, es rückgängig zu machen. Daran hängt auch die Förderung für den Einbau von Wärmepumpen. Im Sondierungspapier ist all das kein Thema.
- Bei der Rente haben beide Seiten zwar die Sicherung des Niveaus vereinbart, aber nicht auf welcher Höhe.
- Die Außen- und Sicherheitspolitik ist im Sondierungspapier praktisch kein Thema. Offene Fragen sind: Werden kurzfristig Waffenlieferungen für drei Milliarden Euro in die Ukraine genehmigt? Bleibt das Nein zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern? Was ist mit der Wehrpflicht? Und wie steht Deutschland zu einem europäischen nuklearen Schutzschirm und einer europäischen Friedenstruppe für die Ukraine?
- Auch die innere Sicherheit und die Befugnisse von Polizei und Verfassungsschutz finden sich nicht im Ergebnispapier.
- Offen ist, ob man noch über einen Weiterbetrieb der stillgelegten Atomkraftwerke nachdenkt. Die CDU hatte im Wahlprogramm versprochen, das zumindest zu prüfen. Im Sondierungspapier taucht das nicht auf.
- Das gerade erst reformierte Wahlrecht soll überprüft werden. Wie es geändert werden könnte, wäre noch zu klären.
- Deutschlandticket: Über «den Fortbestand» über das Jahresende hinaus soll beraten werden. Das zielt vor allem auf die weitere Finanzierung mit staatlichen Zuschüssen, aber wie genau?
«Basst scho»
Es bleibt also spannend. Ein gutes Zeichen für die kommenden Verhandlungen ist, dass die Sondierungsrunden ziemlich reibungslos verlaufen sind. Es gab Frühlingsbilder von gut gelaunten Sondierern bei Sonnenschein auf Balkonen – als Kontrastprogramm zu den düsteren Tagen des Ampel-Niedergangs im vergangenen Herbst.
Unions-Fraktionschef Merz sprach von einer «guten und sehr kollegialen Atmosphäre». Auch SPD-Chef Lars Klingbeil nannte die Gespräche «konstruktiv». Und selbst CSU-Chef Markus Söder meinte: «Basst scho» (Passt schon).
Einigung bis Ostern?
Die Führungsgremien der CSU und SPD planen, am Sonntag über die Sondierungsergebnisse zu beraten, die CDU am Montag. Dann können die Koalitionsverhandlungen beginnen. Merz strebt einen Abschluss bis Ostern an. Die SPD hat sich bisher noch nicht konkret zu Zeitplänen geäußert.