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Union und SPD stellen letzte Weichen für Regierungswechsel

Die neuen Koalitionäre stehen in den Startlöchern, ein paar Dinge sind aber noch zu klären. Es fehlen noch vier Unterschriften, sechs Ministerinnen und Minister und eine pannenfreie Wahl im Bundestag.

Der designierte Kanzler Merz spricht von «Arbeitskoalition». Am Dienstag soll das schwarz-rote Regierungsbündnis seine Arbeit aufnehmen. (Archivbild)
Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Am Tag vor der Kanzlerwahl im Bundestag bereiten CDU, CSU und SPD heute den Regierungswechsel vor. Die vier Vorsitzenden der drei Parteien werden am Mittag den Koalitionsvertrag unterzeichnen, um das fünfte schwarz-rote Bündnis in der Geschichte der Bundesrepublik zu besiegeln.

Direkt davor präsentiert die SPD in letzter Minute ihre Ministerinnen und Minister für die neue Regierung. Am Nachmittag klärt auch die Union noch zwei Personalien in der Bundestagsfraktion. Und nach Sonnenuntergang verabschiedet sich jemand von der Macht, der in Zukunft keine bedeutende Rolle mehr in der deutschen Politik spielen wird.

Die SPD und ihre Männer aus Niedersachsen

Die Union hat bereits vor einer Woche ihr Personaltableau vorgestellt, während die SPD damit deutlich mehr Mühe hat. Bisher hat sie lediglich offiziell bekannt gegeben, dass Parteichef Lars Klingbeil Vizekanzler und Finanzminister werden soll und somit der zweitmächtigste Mann in der Regierung neben dem designierten Kanzler Friedrich Merz von der CDU. Ebenfalls gesetzt ist Verteidigungsminister Boris Pistorius, der als konstant beliebtester Politiker in den Umfragen sicher bleiben darf.

Beide stammen aus Niedersachsen und da Regionalproporz bei der Regierungsbildung wichtig ist, geht ein Landsmann von ihnen leer aus: Arbeitsminister Hubertus Heil. Er hat auch im Kampf um den Fraktionsvorsitz am Sonntag aufgegeben. Diesen soll nun ein vierter Niedersachse erhalten, der im Gegensatz zu Heil den Vorteil hat, dem linken Parteiflügel anzugehören, im Gegensatz zu den gesetzten Ministern Klingbeil und Pistorius. Auch das ist für das interne Gleichgewicht der Partei von Bedeutung.

Vier SPD-Frauen sollen ins Kabinett 

Die SPD plant, vier Frauen und drei Männer ins Kabinett zu schicken. Neben Klingbeil und Pistorius wird voraussichtlich der bisherige Ost-Beauftragte Carsten Schneider aus Thüringen, der für Umwelt zuständig sein soll, als einziger Mann vertreten sein. Es wird davon ausgegangen, dass Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ziemlich sicher Heil im Arbeitsministerium nachfolgen wird.

Für das Justizressort wurde zuletzt die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig genannt. «Politico» meldete am Abend, die Entscheidung für sie sei gefallen. Auch die stellvertretende Fraktionschefin Verena Hubertz wird seit langem für einen Top-Posten gehandelt – entweder Bauministerin oder SPD-Generalsekretärin.

Die spannendste Frage beim SPD-Tableau wird aber sein: Was wird aus der viel kritisierten Parteichefin Saskia Esken? Wechselt sie aus dem Willy-Brandt-Haus ins Kabinett? Vielleicht als Entwicklungsministerin? Oder bleibt sie draußen? Letzteres meldet «Politico» und nennt die bisherige Integrationsbeauftragte Reem Alabali-Radovan für das Entwicklungsressort. Dann bliebe noch die Frage, ob Esken um den Parteivorsitz kämpfen will.

Spahn soll Unionsfraktion führen – CSU wählt Dobrindt-Nachfolger

Bisher gab es bei der CDU/CSU keine größeren Personalquerelen. Am Nachmittag (16.00 Uhr) wollen die Bundestagsabgeordneten der Union den ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als Nachfolger von Merz zu ihrem neuen Vorsitzenden wählen.

Spahn, 44 Jahre alt, ist schon über 20 Jahre im Bundestag tätig. Als Gesundheitsminister aus dem Münsterland geriet er während der Corona-Pandemie wegen des Kaufs angeblich überteuerter Schutzmasken in die Kritik.

Die CSU-Abgeordneten im Bundestag planen, den bisherigen parlamentarischen Geschäftsführer Alexander Hoffmann um 14.30 Uhr zu ihrem neuen Vorsitzenden zu wählen. Der 50-jährige Unterfranke soll Alexander Dobrindt als Landesgruppenchef nachfolgen, der zum Innenminister ernannt werden soll. Von den insgesamt 208 Unionsabgeordneten im Bundestag sind 44 der CSU zugehörig.

Union und SPD geben sich das Ja-Wort

Mit der feierlichen Unterzeichnung des Koalitionsvertrags am Mittag (12.00 Uhr) geben sich Union und SPD endgültig das Ja-Wort. Früher wurden Bündnisse von CDU, CSU und SPD «große Koalition» oder GroKo genannt, weil die drei Parteien eine besonders große Mehrheit im Bundestag hatten. Bei der ersten solchen Koalition 1966 bis 1969 stellten sie 90 Prozent der Abgeordneten. Heute sind es nur noch 52 Prozent.

Merz hat das neue Bündnis nun «Arbeitskoalition» getauft. Am Dienstag muss sie ihre erste Bewährungsprobe bestehen. Der CDU-Chef benötigt in geheimer Wahl die Zustimmung der Mehrheit aller Abgeordneten, um Kanzler zu werden. Das sind 316 Stimmen. Dem Bundestag gehören 328 Politiker von Union und SPD an. Trotz des dünnen Polsters gilt die Wahl Merz‘ im ersten Wahlgang als ziemlich sicher und die neue Regierung kann auf den Tag genau ein halbes Jahr nach dem Bruch der Ampel-Koalition an die Arbeit gehen. 

Scholz wird mit Bach, Beatles und «Respect» verabschiedet 

Mit der Übergabe der Ernennungsurkunde an Merz durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier endet die Kanzlerschaft von Olaf Scholz nach 1245 Tagen. Am Abend zuvor ehrt die Bundeswehr den SPD-Politiker mit einem großen Zapfenstreich vor dem Verteidigungsministerium.

Der «Spiegel» hatte bereits am Donnerstag berichtet, dass Scholz sich vom Stabsmusikkorps für die Zeremonie «In My Life» von den Beatles gewünscht hat. Die Pilzköpfe haben in seiner Heimatstadt Hamburg den Grundstein für ihre Karriere gelegt. Außerdem wird für den hauptsächlich in Brandenburgs Hauptstadt Potsdam lebenden Scholz ein Auszug aus dem «2. Brandenburgischen Konzert» von Johann Sebastian Bach gespielt. 

Den Abschluss bildet der Song «Respect», der in der Version von Aretha Franklin ein Welthit wurde. Respekt war das zentrale Schlagwort von Scholz‘ erfolgreichem Bundestagswahlkampf 2021. Dem Bundestag wird Scholz auch nach seinem Ausscheiden als Kanzler angehören. Er hat ein Direktmandat in Potsdam gewonnen und will es bis zum Ende der Wahlperiode wahrnehmen.

dpa