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Unionsfraktionsspitze für U-Ausschuss zu Atom-Laufzeit

Ein Bundestags-Untersuchungsgremium zur möglichen Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken vor zwei Jahren rückt näher. Kommen die Grünen-Minister Habeck und Lemke im Bundestagswahlkampf unter Druck?

Die Unionsfraktionsspitze wirft Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Bundesumweltministerin Steffi Lemke fehlende Transparenz vor.
Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die Spitze der Unionsfraktion im Bundestag plant, die Entscheidungsfindung der Ampel-Regierung über eine mögliche Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken vor zwei Jahren mittels eines Untersuchungsausschusses des Bundestags zu untersuchen. Dies wurde vom Fraktionsvorstand von CDU und CSU in Berlin beschlossen – die Fraktion muss noch darüber abstimmen.

Der Bundestag muss auf Antrag von mindestens einem Viertel der Abgeordneten ein solches Gremium einsetzen. Bei 733 Abgeordneten bedeutet das, dass mindestens 184 Parlamentarier für den Untersuchungsausschuss stimmen müssen. Die Union hat 195 Sitze im Bundestag.

Die Grünen-Minister Robert Habeck (Wirtschaft) und Steffi Lemke (Umwelt) waren nach einem Bericht des Magazins «Cicero» unter Druck geraten, wonach sowohl im Wirtschafts- als auch im Umweltministerium im Frühjahr 2022 interne Bedenken zum damals noch für den folgenden Jahreswechsel geplanten Atomausstieg unterdrückt worden sein sollen. Beide Ministerien bestreiten dies. Damals hatte kurz zuvor Deutschlands wichtigster Gaslieferant Russland die Ukraine angegriffen, was in Deutschland Überlegungen zur Sicherung der Energieversorgung auslöste.

Merz und Dobrindt: Entscheidungen nach grüner Parteilogik

In einem der dpa vorliegenden Brief des Unionsfraktionsvorsitzenden Friedrich Merz (CDU) und des CSU-Landesgruppenchefs Alexander Dobrindt an die Unionsabgeordneten heißt es, die «uns vorliegenden Informationen drängen die Schlussfolgerung auf, dass die Bundesregierung in einer entscheidenden Frage unserer nationalen Energiesicherheit nicht zum Wohle Deutschlands, sondern ausschließlich nach der Logik grüner Parteipolitik entschieden hat». Fachliche Erwägungen aus der Arbeitsebene des Ministeriums seien von den führenden politischen Beamten bewusst ignoriert und teilweise verfälscht worden. 

«Offenkundig gibt es ein grünes System, das Parteiideologie über die Interessen des Landes stellt», schreiben Merz und Dobrindt. Es gelte zu klären, inwieweit dies in Kenntnis oder auf Weisung oder Billigung der Führung des Wirtschafts- und des Umweltministeriums stattgefunden habe.

«Die deutsche Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf zu erfahren, wie die Entscheidungsprozesse der Bundesregierung in einer Lage von Krieg in Europa zu einer Frage der nationalen Energiesicherheit gelaufen sind bzw. beeinflusst oder gesteuert waren», heißt es weiter. Zudem müsse geklärt werden, ob es von der politischen Führung in den betroffenen Ministerien bewusste Einflussnahmen gegeben habe, um der Öffentlichkeit das Ergebnis einer fachlichen Prüfung vorzuenthalten und sie damit falsch zu informieren.

«Habeck und Lemke haben Gelegenheit zur Transparenz verpasst»

Vor dem Hintergrund von Sondersitzungen der Ausschüsse für Klimaschutz und Energie sowie für Umwelt Ende April schreibt die Spitze der Unionsfraktion, Habeck und Lemke hätten «die Gelegenheit verpasst, die Vorgänge in ihren Ministerien und vor allem auch ihre eigene Rolle transparent und vollumfänglich aufzuklären». Seit Veröffentlichung der «Habeck-Akten» habe die Union alle parlamentarischen Instrumente ausgeschöpft, «um Licht in die Schatten dieses intransparenten Vorgangs zu bringen». Viele Fragen seien aber unbeantwortet geblieben, zugesagte Unterlagen allenfalls lückenhaft übersandt und entsprechende Belege nicht geliefert worden. Daher empfehle man der Fraktion die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

Der energiepolitische Sprecher der Koalitionsfraktion FDP, Michael Kruse, erklärte am Montagabend, die Enthüllungen hätten zu «spürbarer Verunsicherung in der Bevölkerung geführt». «Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss kann die Transparenz bringen, die notwendig ist, damit Habeck verloren gegangenes Vertrauen wiederherstellen kann.»

Bundestagsantrag: Experten, Verbände und Unternehmen einbezogen?

Im Antrag der Union mit vier Seiten zur Einsetzung des Untersuchungsgremiums wird unter anderem festgehalten, dass der Ausschuss prüfen soll, ob und welche Informationen über die Energieversorgung und ihre Entwicklung sowie die nukleare Sicherheit verfügbar waren und in die Entscheidungsprozesse einbezogen wurden. Des Weiteren möchte die Union wissen, ob und welche deutschen Behörden, Forschungseinrichtungen, Sachverständige, Experten, Verbände oder Unternehmen, die sich mit Fragen der Energieversorgung und nuklearen Sicherheit befassen, Kontakt zu den obersten Bundesbehörden hatten und einbezogen wurden. Eine weitere Frage betrifft die Einbeziehung von Stellen aus Nachbarstaaten oder europäischen und internationalen Einrichtungen.

«Cicero» stützt seine Berichterstattung zum Thema auf internen Schriftverkehr der beiden Ministerien. Ein Journalist des Magazins hatte erfolgreich auf die Herausgabe der bis dahin unter Verschluss gehaltenen Unterlagen geklagt.

Deutschland hat den Atomausstieg am 15. April 2023 endgültig vollzogen und die letzten drei Meiler abgeschaltet. Ursprünglich hätten die Kraftwerke bereits zum Jahreswechsel davor vom Netz gehen sollen, jedoch wurde der Betrieb zur Sicherung der Stromversorgung verlängert. Die Grünen haben sich lange gegen diesen Schritt gewehrt, unterstützten jedoch schließlich das Konzept einer vorübergehenden Einsatzreserve für zwei der drei letzten deutschen Atomkraftwerke, das von Habeck und den AKW-Betreibern im September 2022 vorgelegt wurde. Die FDP war grundsätzlich für eine längere Laufzeit. Im Oktober 2022 setzte Kanzler Olaf Scholz (SPD) dann durch, dass alle drei Meiler bis zum Frühjahr weiterbetrieben werden.

Der deutsche Atomausstieg hat seinen Ursprung in der Entscheidung einer schwarz-gelben Bundesregierung unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Diese Maßnahme war eine Reaktion auf die Atomkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011.

dpa