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Hohe Rentenlücke in Deutschland, Ostdeutsche Rentner besonders betroffen

Mehr als jeder Fünfte mit 45 Versicherungsjahren erhält unter 1.200 Euro Rente, in Brandenburg sogar 71.000 Menschen.

Oft zu Sparsamkeit gezwungen: Seniorinnen in Deutschland. (Symbolbild)
Foto: Thomas Banneyer/dpa

Etwa jeder fünfte Deutsche mit mindestens 45 Versicherungsjahren erhält eine Rente von weniger als 1.200 Euro. Laut einer Antwort der Bundesregierung an Sahra Wagenknecht, Leiterin der BSW-Bundestagsgruppe, lag der Rentenzahlbetrag Ende des letzten Jahres bei rund 1,08 von 5,40 Millionen Altersrenten mit mindestens 45 Versicherungsjahren unter 1.200 Euro pro Monat.

Ostdeutsche mit langer Einzahldauer öfter betroffen

In den neuen Bundesländern sind die Anteile der besonders lange Versicherten mit kleiner Rente sogar höher als im Westen. In Brandenburg beziehen rund 71.000 Menschen eine Rente nach 45 Jahren unter 1.200 Euro, 212.000 dieser besonders lange versicherten Rentnerinnen und Rentner liegen darüber. In Sachsen liegt das Verhältnis bei 145.000 zu 363.000, in Thüringen sind es 74.000 mit niedrigerer und 189.000 mit höherer Rente.

Schlusslicht Thüringen

Wagenknecht fragte auch nach der Durchschnittsrente nach mindestens 45 Versicherungsjahren – die Antwort: bundesweit 1.604 Euro. Im Westen sind es – Stand Dezember 2023 – 1.663 Euro, im Osten 1.471 Euro. Alle westdeutschen Länder sowie Berlin liegen über 1.600 Euro, angeführt von Hamburg mit 1.721 und Nordrhein-Westfalen mit 1.709 Euro.

Unter anderem: Brandenburg (1.500 Euro), Sachsen (1.458), Mecklenburg-Vorpommern (1.455), Sachsen-Anhalt (1.452 Euro) und zuletzt Thüringen (1.437 Euro) – die ostdeutschen Flächenländer. Jedoch hatte Wagenknecht nur nach den Renten nach mindestens 45 Jahren gefragt. Im Gegensatz dazu sind die Durchschnittsrenten im Osten höher als im Westen – da viele hier länger gearbeitet haben, insbesondere Frauen.

«Deutsche sollten sich Niedrig-Renten nicht mehr bieten lassen»

«1.604 Euro Durchschnittsrente nach mindestens 45 Arbeitsjahren – dieser Wert zeigt, wie leistungsschwach die deutsche Rentenversicherung ist», sagte Wagenknecht der dpa. «Dass jeder fünfte Rentner nach 45 Arbeitsjahren sogar weniger als 1.200 Euro Rente bekommt, ist ein politischer Skandal.» 

Der anstehende Bundestagswahlkampf wird nach der Erwartung Wagenknechts auch eine Volksabstimmung über die gesetzliche Rente, wie die frühere Linksfraktionschefin sagte. «Die Deutschen sollten sich derart niedrige Renten, die dann auch noch hoch besteuert werden, nicht länger bieten lassen», sagte sie. 

Warum sind Renten niedrig?

Niedrige Renten haben verschiedene Gründe. Laut dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung beziehen auch viele Selbstständige, Beamte oder Hausfrauen eine gesetzliche Altersrente, weil sie mindestens fünf Jahre lang Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt haben. Fünf Jahre sind die Mindestdauer für eine Rente. Die resultierenden Bezüge bleiben niedrig.

Rentenmindernd für viele westdeutsche Frauen sind auch: längere Arbeitspausen, mehr Teilzeit, niedrigere Löhne. Das Bundesarbeitsministerium betont in seiner Antwort an Wagenknecht zudem, dass aus der Rentenhöhe nicht auf die Höhe des Gesamteinkommens geschlossen werden kann. Viele ältere Frauen und Männer haben zusätzliche Einkommen. Das Ministerium wies zudem auf den Haushaltskontext hin – also Fälle von meist Partnerinnen mit geringer Rente, aber insgesamt ausreichender Situation.

Österreich als Vorbild?

Wagenknecht fordert, Deutschland möge sich ein Beispiel an einem Nachbarland nehmen – Österreich. Dort liege die Durchschnittsrente für langjährig Versicherte 800 Euro höher. «Was dort geht, muss auch bei uns möglich sein», sagte Wagenknecht. «Wir brauchen höhere Renten nach dem Vorbild Österreichs und eine Rentensteuerbremse.» Im Vergleich zum EU-Schnitt sei das Rentenniveau in Deutschland rund zehn Prozentpunkte zu niedrig. 

Beim Vergleich der Renten mit Österreich fällt auf, dass die Renten tatsächlich früher und höher ausfallen. Dies ist hauptsächlich auf eine Rentenreform vor etwa 20 Jahren zurückzuführen: Fast alle Erwerbstätigen zahlen in Österreich in die gesetzliche Rentenkasse ein, einschließlich der Staatsbediensteten. Sowohl der Steuerzuschuss als auch die Beitragssätze für die Rente sind höher als in Deutschland, und zwar deutlich. In Österreich erhält man die Rente auch erst nach 15 Jahren, weshalb die Durchschnittsrenten höher sind. Der Beitragssatz in Österreich ist höher als in Deutschland, wobei der Arbeitgeber mehr als der Arbeitnehmer zahlt und die Aufteilung nicht paritätisch ist.

dpa