Sorge um deutsche Staatsangehörige in der Region wächst, Bundesregierung organisiert Rückflüge und bespricht Sicherheit der deutschen Soldaten vor Ort.
Deutschland und Europa düpiert: USA intervenieren im Nahost-Konflikt
Innerhalb weniger Tage wurde deutlich, dass Deutschland und Europa trotz ihrer diplomatischen Bemühungen in Genf mit leeren Händen dastehen. Der US-Präsident hat sie übergangen, nachdem der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU), seine Kollegen Jean-Noël Barrot (Frankreich) und David Lammy (Großbritannien) sowie die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in der Schweiz versucht hatten, Trumps Anordnung zu verhindern.
Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat sich persönlich in die diplomatischen Bemühungen eingeschaltet, um eine befürchtete Ausweitung der Kämpfe in der Region zu verhindern. Er unterstützte eindeutig den Vermittlungsvorstoß seines Außenministers in Genf. Darüber hinaus führte er Telefonate mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der sich ebenfalls als Vermittler sieht, sowie mit Kollegen aus der Golfregion.
Was hat das Eingreifen der USA an der Seite Israels im Krieg für Deutschland und Europa nun bedeutet – und deren diplomatische Bemühungen?
Sorge um deutsche Staatsangehörige in der Region
In Berlin ist jetzt die Sorge um die deutschen Staatsangehörigen in Israel, Iran und der ganzen Region eines der wichtigsten Themen – niemand weiß, wie stark ein iranischer Gegenschlag sein könnte. In den vergangenen Tagen hatte die Bundesregierung mehrmals geholfen, ausreisewillige Deutsche und ihre engen Familienangehörigen mit Sonderflügen aus der jordanischen Hauptstadt Amman nach Deutschland zu bringen. Die Deutschen mussten auf eigene Faust ins israelische Nachbarland Jordanien reisen, die Route über Amman wurde gewählt, weil der Luftraum über Israel weiterhin gesperrt ist.
Am Samstag teilte das Auswärtige Amt über die Plattform X mit, dass mit einem weiteren Sonderflug 123 Deutsche aus der Region ausreisen konnten. Das Außenministerium hatte zuvor bereits zwei Charterflüge mit 345 Menschen an Bord über Amman nach Deutschland organisiert. In der Nacht zum Samstag landeten auch zwei Maschinen der Bundeswehr mit 64 deutschen Israel-Rückkehrern am Flughafen Köln/Bonn in Nordrhein-Westfalen. Die Luftwaffe hat damit erstmals seit Beginn des Krieges zwischen Israel und dem Iran vor rund einer Woche deutsche Staatsbürger direkt aus Israel ausgeflogen.
Auch deutsche Soldaten in der Region
Die Bundesregierung macht sich neben der Sorge um deutsche Zivilisten auch Gedanken über die Sicherheit der deutschen Soldaten, die auf dem Luftwaffenstützpunkt Al-Asrak in Jordanien gemeinsam mit US-Soldaten stationiert sind. Als Wadephul vor gut zwei Wochen Jordanien besuchen wollte, musste er aufgrund des Kriegsausbruchs zwischen Israel und dem Iran seine Reisepläne ändern, während sich etwa 180 Bundeswehrsoldaten dort aufhielten.
Zusammen mit einem deutschen Kontingent im irakischen Erbil beteiligen sie sich am internationalen Einsatz zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und zur Stabilisierung des Iraks. Der Einsatz mit dem Namen «Counter Daesh /Capacity Building Iraq» besteht aus den zwei Teilen «Operation Inherent Resolve» und «Nato Mission Iraq».
Fenster der Diplomatie am Freitag einen Spalt geöffnet
Wadephul und Co. trafen sich am Freitag in Genf, um Möglichkeiten für eine diplomatische Lösung des Atomkonflikts zwischen Israel und dem Iran zu diskutieren. Die Chefdiplomaten in Europa versuchten herauszufinden, ob der Iran bereit ist, sein Atomprogramm zu überdenken und auf Atomwaffen zu verzichten, aufgrund der großen Sorgen vor einer Eskalation der Kämpfe.
Anschließend war klar: Ein konkretes Ergebnis hatten die Gespräche mit Irans Außenminister Abbas Araghtschi zwar nicht gebracht. Aber Wadephul, seine Kollegen und mit Kallas auch die EU sahen das Fenster für Diplomatie wenigstens einen Spalt geöffnet. Weitere Gespräche mit dem Iran seien sinnvoll, machten die Europäer deutlich. Wadephul gab sich zurückhaltend optimistisch: «Das gute Ergebnis heute ist, dass wir den Raum verlassen mit dem Eindruck, dass die iranische Seite grundsätzlich bereit ist, über alle wichtigen Fragen weiter zu sprechen.» Auch der Iran signalisierte die Bereitschaft, die Gespräche fortzuführen.
Trump schon am Freitag: Europa kann nicht helfen
Doch nur ein paar Stunden später, noch am Freitagabend, machte Trump klar, was er vom diplomatischen Vorstoß der Europäer hält: Nichts. Die Vermittlungsbemühungen europäischer Staaten seien nicht zielführend, ließ er auf die Journalistenfrage wissen, ob jüngste Gespräche der Europäer mit Teheran hilfreich gewesen seien. «Iran will nicht mit Europa sprechen. Sie wollen mit uns sprechen. Europa kann dabei nicht helfen», fügte er hinzu.
Dabei hatte Trump erst am Donnerstag erklärt, er wolle diplomatischen Bemühungen noch rund zwei Wochen Zeit geben, bevor er eine Entscheidung über eine mögliche Kriegsbeteiligung der USA treffen wolle. «Zwei Wochen sind das Maximum», hatte er auf dem Weg ins Wochenende am Flughafen in Morristown im Bundesstaat New Jersey gesagt. Das Maximum. Schon bei diesen Worten dürfte vielen klar gewesen sein: Der US-Angriff auf den Iran kann auch viel schneller kommen.
Nach den nächtlichen US-Angriffen könnte das Zeitfenster für Diplomatie vorerst geschlossen worden sein. Die Europäer werden jedoch wahrscheinlich nicht zufrieden sein. Regierungssprecher Stefan Kornelius teilte nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts unter Leitung von Kanzler Merz mit, dass man im Laufe des Tages mit den EU-Partnern und den USA über weitere Schritte abstimmen werde. Merz bekräftigte die Aufforderung an den Iran, sofort Verhandlungen mit den USA und Israel aufzunehmen und zu einer diplomatischen Lösung des Konflikts zu kommen.
Nato-Gipfel mit neuem Hauptthema?
Nicht zu vergessen ist der Nato-Gipfel an diesem Dienstag und Mittwoch in Den Haag, zu dem auch Trump anreisen wollte. Es ist durchaus möglich, dass das US-Eingreifen in den Nahost-Krieg die Diskussion über die zukünftige Finanzierung des transatlantischen Verteidigungsbündnisses überschattet.