Ein angeblicher 28-Punkte-Plan für ein Kriegsende in der Ukraine sorgt für Aufsehen. Kiew sieht sich unter Druck. In der EU regt sich Kritik. US-Außenminister Rubio erklärt seine Sicht. Und der Kreml?
Selenskyj erhält US-Friedensplan – Kritik in EU

Laut seines Büros hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj offiziell einen in den USA ausgearbeiteten Plan für eine Friedenslösung im Krieg mit Russland erhalten. Medienberichten zufolge traf er sich in Kiew mit einer US-Delegation.
«Im Ergebnis des heutigen Treffens haben wir vereinbart, an den Punkten des Plans so zu arbeiten, dass dies zu einem würdigen Ende des Krieges führt», teilte das Präsidentenbüro bei Telegram mit. Die Ukraine strebe seit Kriegsbeginn Frieden an und werde jeden inhaltlichen Vorschlag unterstützen, der einen «realen Frieden» näher bringt.
Selenskyj will bald mit Trump telefonieren
Seit Jahresbeginn habe Kiew die Vorschläge von US-Präsident Donald Trump unterstützt. «Wir sind auch jetzt bereit, mit der amerikanischen Seite und unseren Partnern in Europa und der Welt konstruktiv zu arbeiten, damit es im Ergebnis zu Frieden kommt», hieß es. Selenskyj hoffe zudem auf ein baldiges Gespräch mit Trump für eine Diskussion der Hauptpunkte. Details des Plans wurden nicht genannt.
Es war in den USA und Großbritannien über die Medien bekannt, dass Washington einen angeblich 28 Punkte umfassenden Plan für ein Ende des seit Februar 2022 andauernden russisch-ukrainischen Krieges ausgearbeitet hat. Der Inhalt soll hauptsächlich an russischen Positionen orientiert sein. Daher wird eine Ablehnung durch Kiew als wahrscheinlich angesehen.
EU fordert Beteiligung an Verhandlungen
Die EU forderte nach diesen Berichten eine Beteiligung an Verhandlungen. «Damit irgendein Plan funktioniert, braucht es die Ukraine und die Europäer an Bord», sagte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in Brüssel. Auch Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) verlangte eine Einbeziehung der EU und der Ukraine. Zuvor hatte US-Außenminister Marco Rubio erklärt, dass an einer «Liste möglicher Ideen» gearbeitet werde. Er bestätigte dabei nicht, dass es einen fertigen Plan gebe.
Rubio rief beide Kriegsparteien zu Zugeständnissen für eine Lösung in dem Konflikt auf. «Um einen komplexen und tödlichen Krieg wie den in der Ukraine zu beenden, ist ein umfassender Austausch ernsthafter und realistischer Ideen erforderlich», schrieb Rubio in seinem persönlichen Account bei X.
Ein dauerhafter Frieden verlange von beiden Seiten – also Russland und der Ukraine -, dass sie «schwierigen, aber notwendigen Konzessionen zustimmen», schrieb Rubio in dem Post, den er nicht auf den offiziellen Accounts der Regierung veröffentlichte. «Deshalb erstellen wir derzeit eine Liste mit möglichen Ideen zur Beendigung dieses Krieges, die auf Beiträgen beider Konfliktparteien basiert, und werden diese Liste auch weiterentwickeln.»
Kritik an russischen Maximalforderungen
An einigen Stellen des vermeintlichen Plans, über den bisher nur teilweise in den Medien berichtet wurde, wurde Kritik geäußert. Es wird bemängelt, dass die bisherigen russischen Maximalforderungen zu dominant sind.
Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) warnte davor, dass Kremlchef Wladimir Putin «damit Kriegsziele erreichen könnte, die er auf dem Schlachtfeld nicht erreicht hat». «Und das wäre sicherlich ein Ergebnis, das nicht akzeptabel wäre», sagte Frei in der Sendung «Frühstart» von RTL/ntv.
Gemäß den Medienberichten soll die Ukraine angeblich Gebiete an Russland abtreten – in den Regionen Donezk und Luhansk -, die Moskau bisher nicht vollständig militärisch kontrolliert. Dies hatte die ukrainische Regierung bisher entschieden abgelehnt. Auch die EU betont immer wieder, dass sie keine gewaltsame Verschiebung von Grenzen akzeptieren werde. Dem Bericht zufolge soll die Ukraine im Rahmen des vermeintlichen Friedensplans im Gegenzug Sicherheitsgarantien erhalten – zum Schutz vor einer möglichen zukünftigen russischen Aggression.
Wadephul: Ukraine muss Souveränität wahren
«Wir alle sehen, dass Russland in einem Maß aufrüstet, dass man sich berechtigterweise in Europa die Frage stellen muss, zu welchem Zwecke geschieht das», sagte Außenminister Wadephul in Brüssel vor dem Treffen der EU-Außenministerinnen und -minister. «Es muss klar sein, dass die Ukraine ihre Souveränität wahren kann, in welchem territorialen Umfang auch immer.»
Die britische Regierung teilte mit, dass nur die Ukraine selbst ihre Zukunft entscheiden könne. Zugleich teile London das Streben von US-Präsident Trump, «den barbarischen Krieg» zu beenden, sagte ein Regierungssprecher. In der Zwischenzeit unterstütze Großbritannien die Ukraine auch militärisch.
Ukraine sieht sich unter Druck
Trump hat wiederholt Russland und die Ukraine aufgefordert, die Kampfhandlungen zu beenden, und beide Kriegsparteien kritisiert. Nun gerät besonders der ukrainische Präsident unter Druck – nicht nur wegen des Vorrückens russischer Truppen im Osten des Landes, sondern auch aufgrund eines Korruptionsskandals, der bis in die Regierung des EU-beitrittswilligen Landes reicht.
Die US-Vertreter würden Druck auf Selenskyj ausüben, dem von den USA und Russland ausgearbeiteten Friedensplan zuzustimmen, berichtete das Nachrichtenportal «RBK-Ukraina» unter Berufung auf eine nicht näher genannte Quelle. Vorgesehen ist demnach auch, dass die Ukraine auf einen Nato-Beitritt verzichtet, eine Amnestie für Kriegsverbrecher und die Rückkehr Russlands in die Weltwirtschaft akzeptiert. Das bisherige Ziel der Ukraine ist dagegen, neben dem militärischen Druck durch westliche Waffenhilfe Russland auch immer weiter mit Sanktionen unter Druck zu setzen, damit es wirtschaftlich künftig nicht mehr in der Lage ist, den Krieg fortzusetzen.
Kreml: Keine russisch-amerikanischen Konsultationen
Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte zu den Berichten am Donnerstag wie schon am Tag zuvor, dass es keine neuen Entwicklungen gebe. Russland bleibt daher bei seinen bisherigen Forderungen, die Putin auch beim Treffen mit Trump im August in Anchorage im US-Bundesstaat Alaska vorgebracht hat. Es gibt zwar weiterhin Kontakte zwischen Moskau und Washington, aber derzeit keine russisch-amerikanischen Konsultationen zur Ukraine, sagte Peskow laut der Nachrichtenagentur Interfax. Russland begrüßt seit langem, dass Trump sich für eine Beendigung des Krieges in der Ukraine einsetzt.








