In einem Dorf im Jemen wurden 2012 bei einem US-Drohnenangriff zwei Zivilisten getötet. Ihre Verwandte ziehen daraufhin vor Gericht – in Deutschland. Welche Verantwortung trägt die Bundesrepublik?
US-Drohnen via Ramstein und die Frage nach der Schutzpflicht
Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob Deutschland eine Schutzpflicht für Menschen im Jemen hat, wenn die USA dort unter Nutzung der pfälzischen US-Air-Base Ramstein bewaffnete Drohnen einsetzt. In Karlsruhe verhandelt der Zweite Senat des obersten deutschen Gerichts am Dienstag zu einem Fall, der schon seit mehr als zehn Jahren die deutsche Justiz beschäftigt. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.
Es handelt sich konkret um die Verfassungsbeschwerde von zwei jemenitischen Staatsangehörigen, deren Verwandte 2012 bei einem US-Drohnenangriff in ihrem Heimatort ums Leben kamen. Die beiden Opfer – ein Polizist und ein Geistlicher, der gegen die Terrororganisation Al-Kaida in der Region gepredigt hatte, wurden damals bei einem Treffen mit drei mutmaßlichen Al-Kaida-Mitgliedern getötet.
Seit 2014 klagen ihre Familienmitglieder vor deutschen Gerichten gegen die Drohneneinsätze der USA. Die Kläger sind der Ansicht, dass die Bundesregierung aufgrund der wichtigen Rolle der Militärbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz ebenfalls in der Verantwortung steht.
Die Gerichte hatten bisher unterschiedliche Meinungen dazu. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster verpflichtete die Bundesrepublik 2019 dazu, aktiv zu prüfen, ob Drohneneinsätze der USA im Jemen unter Verwendung des Militärstützpunkts gegen Völkerrecht verstoßen. Das Bundesverwaltungsgericht hob jedoch im folgenden Jahr die Entscheidung des OVG wieder auf.
Für wen gilt die grundrechtliche Schutzpflicht?
Die Beschwerdeführer berufen sich am Bundesverfassungsgericht nun auf ihr im Grundgesetz festgeschriebenes Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Bundesrepublik habe ihre Schutzpflichten verletzt. Denn die gelte auch für im Ausland befindliche Ausländer. (Az. 2 BvR 508/21)
Die Frage, ob es tatsächlich eine solche extraterritoriale Schutzpflicht geben kann und unter welchen Umständen, war ein zentraler Punkt der mündlichen Verhandlung. Die Bundesregierung bestreitet eine solche Schutzpflicht im vorliegenden Fall. Es fehlt unter anderem an einem qualifizierten Bezug zum Inland.
Zur Nutzung der Air Base Ramstein befinde man sich mit den USA in einem «fortlaufenden und vertrauensvollen Dialog», so das Verteidigungsministerium. «Die Bundesregierung hat dabei wiederholt die Versicherung eingeholt, dass Einsätze von unbemannten Luftfahrzeugen von Deutschland aus in keiner Weise gestartet, gesteuert oder befehligt werden und dass die US-Streitkräfte bei ihren Aktivitäten geltendes Recht einhalten.»
Kläger sehen weiter «Bedrohung für ihr Leben»
Den Klägern reichen die bisherigen Konsultationen aber nicht aus. «Ohne Ramstein könnten die Drohnenüberflüge in der Zahl gar nicht stattfinden», erklärte Rechtsanwalt Andreas Schüller vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). Die Basis werde von den US-Streitkräften als Knotenpunkt im globalen Drohnenprogramm genutzt. «Die ganzen Daten zu den Drohnen hin und von den Drohnen zurück laufen über Ramstein. Um das in Echtzeit steuern zu können, aus den USA, bedarf es Ramstein», sagt Schüller.
Das ECCHR unterstützt im Verfahren die beiden Beschwerdeführer, die demnach weiterhin im Jemen wohnen. Seit dem Angriff auf ihre Verwandte vor zwölf Jahren gebe es weiter kontinuierlich Drohnenüberflüge und auch immer wieder Angriffe in der Region, so Schüller. «Das ist für die Beschwerdeführer kein Zustand, in dem sie leben können und wollen. Es ist eine permanente psychische Bedrohung, eine Bedrohung für ihr Leben.»