Nach tagelang unentschlossener Kommunikation von Trump nimmt das US-Militär nun doch iranische Atomanlagen ins Visier – und riskiert damit eine Eskalation im Nahen Osten.
USA greifen Atomanlagen im Iran an – Was man nun wissen muss
Die USA haben in der Nacht Atomanlagen im Iran angegriffen: die unterirdische Uran-Anreicherungsanlage in Fordo sowie Einrichtungen in Natans und Isfahan. US-Präsident Donald Trump spricht von einer vollständigen Zerstörung der Anlagen und droht mit noch größeren Attacken, sollte die iranische Seite nicht einen Weg des Friedens einschlagen. Irans Atomorganisation erklärte unterdessen, dass trotz der «bösartigen Verschwörungen der Feinde» Irans Nuklearprogramm nicht gestoppt werde.
Es gibt noch viele Unklarheiten – jedoch können bereits einige Fragen beantwortet werden. Hier sind die wichtigsten zum aktuellen Zeitpunkt:
Wie begründen die USA ihre Angriffe?
Wie Israel behaupten auch die USA, dass militärisches Eingreifen notwendig sei, um eine drohende nukleare Aufrüstung des Irans zu verhindern. Vor den nächtlichen Angriffen betonte Trump immer wieder, dass Teheran niemals im Besitz einer Atombombe sein dürfe. Die Angriffe Israels, die den amerikanischen Attacken vorausgingen, könnten aus Sicht der US-Regierung die Gelegenheit geboten haben, das iranische Atomprogramm mit einem eigenen Schlag entscheidend zu schwächen.
Es existiert jedoch innerhalb von Trumps republikanischer Partei auch eine Fraktion, die schon lange einen politischen Regimewechsel in Teheran anstrebt.
Ist das US-Militär besonders ausgestattet?
Experten sagen, dass die iranische Atomanlage Fordo in der Nähe der Stadt Ghom so tief unter der Erde liegt, dass sie nur mit einer tonnenschweren Bunkerbrecher-Bombe effektiv angegriffen werden kann. Diese Bombe ist nur im Besitz des US-Militärs. Für den Transport der schweren Munition werden auch US-Flugzeuge benötigt, wie zum Beispiel Tarnkappenbomber vom Typ B-2. Laut dem gut informierten israelischen Journalisten Barak Ravid, der sich auf einen hochrangigen israelischen Beamten beruft, wurden genau diese Flugzeuge eingesetzt.
Experten behaupteten, dass Israel sein erklärtes Kriegsziel ohne direkte militärische Unterstützung aus Washington kaum erreichen könne.
Wollte Trump nicht eigentlich mit den Iranern verhandeln?
In den Wochen vor der Eskalation setzte Trump noch auf eine Verhandlungslösung und leierte mehrere Atomgesprächsrunden mit Teheran an. Laut «New York Times» war er deshalb zunächst skeptisch gegenüber einem israelischen Alleingang. Demnach drängte er Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, mit einem Militärschlag noch zu warten. Doch aus Trumps Sicht zog sich der Dialog mit Teheran zunehmend in die Länge. Er wurde ungeduldig.
Israel trieb den Angriff gegen den Iran voran, ohne offene Rückendeckung aus Washington. Trump änderte dann seinen Kurs – sehr zum Missfallen des isolationistischen Flügels seiner Partei, der eine militärische Intervention der USA im Iran klar ablehnt.
Hat der Iran überhaupt Atomwaffen?
Die politische Führung in Teheran versichert, dass ihr Atomprogramm ausschließlich zivilen Zwecken dient. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) und viele Staaten äußern jedoch Bedenken, dass Teheran dem Bau einer Atombombe näherkommt. Der Iran ist der einzige kernwaffenfreie Staat, der Uran mit beinahe waffentauglichem Reinheitsgrad produziert. Es gibt keine Beweise für einen systematischen Versuch des Irans, Atomwaffen zu erlangen, laut der IAEA. IAEA-Chef Rafael Grossi schloss jedoch nicht aus, dass es verdeckte Aktivitäten gegeben haben könnte, beim US-Sender CNN.
Es gibt seit langem Kontroversen darüber, wie weit entsprechende Aktivitäten möglicherweise fortgeschritten sind. Vor diesem Hintergrund ist das militärische Vorgehen der USA und Israels gegen den Iran völkerrechtlich umstritten. Denn um Selbstverteidigung zu rechtfertigen, muss ein Angriff der Gegenseite unmittelbar bevorstehen oder bereits im Gange sein. Eine mögliche Bedrohung in der Zukunft reicht eigentlich nicht aus, auch wenn einige Staaten schon eine weiter gefasste Auslegung vertreten haben.
Welche Rolle spielt Israel für Trump?
Der Nahe Osten ist für die USA von großer geopolitischer Bedeutung. Israel wird als zuverlässiger Partner in einer instabilen Region angesehen. US-Präsidenten beider Parteien haben wiederholt betont, dass die Sicherheit Israels zum amerikanischen Selbstverständnis gehört – notfalls auch unter Einsatz militärischer Mittel. Dies gilt insbesondere für Trump. Der Republikaner verfolgte bereits in seiner ersten Amtszeit einen demonstrativ proisraelischen Kurs.
Israel betrachtet den Iran als seinen Erzfeind und sah sich durch die vermutete Entwicklung iranischer Atombomben in seiner Existenz bedroht. Auch das Verhältnis zwischen Washington und Teheran ist seit Jahrzehnten extrem angespannt. Die beiden Länder unterhalten keine diplomatischen Beziehungen miteinander. Für Irans schiitische Führung gehört der Slogan «Tod für Amerika» zum Standardrepertoire.
Verfolgen die USA mit dem Angriff weitere Ziele?
Die USA werfen dem Iran auch vor, den Nahen Osten durch die Unterstützung verschiedener Milizen, die sie als Terrorgruppen einstufen, zu destabilisieren – darunter die Hisbollah im Libanon, die Huthi im Jemen und die Hamas im Gazastreifen. Daher wird eine Schwächung Teherans in Washington auch als Gelegenheit betrachtet, den Einfluss dieser Gruppen zu begrenzen.
In diesem Kontext spielen auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle. Seit Beginn des Gaza-Kriegs hat sich die Sicherheitslage auf bedeutenden Seewegen in der Region verschärft. Die Huthi haben vermehrt Handelsschiffe im Roten Meer angegriffen. Für die USA geht es daher auch um die Stabilität globaler Lieferketten und Energiepreise.
Wie kann der Iran die USA treffen?
Das US-Militär hat viele Stützpunkte rund um den Persischen Golf, zum Beispiel in Bahrain und Katar. Sie sind Luftlinie nicht sehr weit vom Iran entfernt und könnten zu Zielen werden. In der gesamten Region sind derzeit etwa 40.000 US-Soldatinnen und Soldaten stationiert. Die Frage ist, ob eine solche Eskalation im Interesse Teherans wäre, da die USA darauf mit voller Härte reagieren würden.
Eine alternative Maßnahme wäre die Blockade der Straße von Hormus. Die etwa 55 Kilometer breite Meerenge zwischen dem Iran und Oman ist eine der bedeutendsten Schifffahrtsrouten für den globalen Ölexport, insbesondere für Ausfuhren aus Saudi-Arabien – und aufgrund der Angriffe der USA sind bereits Verwerfungen auf dem Ölmarkt zu erwarten.
Besteht nun die reale Gefahr eines Dritten Weltkriegs?
Russland warnt immer wieder vor der Gefahr eines Dritten Weltkriegs – allerdings mit Blick auf seine eigene Invasion in der Ukraine, sollte der Westen dort eigene Truppen einsetzen und die Lage weiter eskalieren. Mit Blick auf den Nahen Osten mahnt Moskaus Außenministerium, es gebe eine echte atomare Gefahr durch Israels Angriffe auf die Kernenergie-Anlagen, die Welt treibe auf «eine nukleare Katastrophe» zu. Dass Russland dem Iran mit Truppen zur Seite steht, gilt indes als unwahrscheinlich.
Ist Russland nicht ein Verbündeter des Irans?
Moskau und Teheran haben in diesem Jahr offiziell eine strategische Partnerschaft geschlossen, die jedoch keine Klausel über militärischen Beistand enthält, im Gegensatz zum Abkommen zwischen Russland und Nordkorea.
Russland hat einerseits Ressourcen durch seinen Krieg gegen die Ukraine gebunden. Andererseits hat Russland möglicherweise nach einer langjährigen Beteiligung am syrischen Bürgerkrieg keinen Appetit auf weitere Verwicklungen im Nahen Osten. In Syrien scheiterte Russland letztlich mit seinen Ambitionen, den damaligen Machthaber Baschar Al-Assad, der auch vom Iran unterstützt wurde, zu unterstützen. Die russische Führung versuchte schließlich, die USA davon abzuhalten, den Iran anzugreifen.