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Greift Nordkorea in den Ukraine-Krieg ein?

Nach Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes halten sich bereits Tausende nordkoreanische Soldaten in Russland auf. Die Ukraine warnt vor einer neuen Eskalationsstufe im russischen Angriffskrieg.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin blickt mit Sorge auf eine Entsendung nordkoreanischer Soldaten nach Russland. (Archivbild)
Foto: Andreas Arnold/dpa

Die zahlreichen Berichte über nordkoreanische Soldaten zur Unterstützung Russlands im Angriffskrieg gegen die Ukraine sind offiziell nicht bestätigt. Trotzdem herrscht in Kiew höchste Alarmstimmung. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warnt vor einer möglichen Eskalation, falls Nordkoreaner Erfahrungen in moderner Kriegsführung sammeln. Hier sind einige Fragen und Antworten zur aktuellen Situation:

Warum könnte Russland nordkoreanische Soldaten im Ukraine-Krieg einsetzen?

Bisher bestreiten Moskau und Pjöngjang, dass nordkoreanische Soldaten für einen Kriegseinsatz in der Ukraine oder im russischen Grenzgebiet Kursk vorbereitet werden. Allerdings haben Russland und Nordkorea einen gegenseitigen militärischen Beistand vereinbart, falls einer von ihnen von einem anderen Staat angegriffen wird. Da die Ukraine Anfang August in der Grenzregion Kursk eingedrungen ist und dort Dutzende Ortschaften besetzt hat, könnte Moskau diese Option in Betracht ziehen. Am kommenden Donnerstag soll der Vertrag über die umfassende strategische Partnerschaft beider Länder in der Duma ratifiziert werden. Die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, betonte, dass die militärische Zusammenarbeit beider Länder keine Gesetze verletzt.

Auch russische Medien haben bereits über Nordkoreaner auf dem russischen Truppenübungsplatz Sergejewka an der Grenze zu China und Nordkorea berichtet. Zitiert werden auch Experten in Moskau, die einen Kampfeinsatz zwar für möglich halten, aber die Auswirkungen auf den Krieg für begrenzt halten. Sie sind der Meinung, dass Russland sich stattdessen nur weitere Komplikationen einhandeln würde. Auch der internationale Gesichtsverlust für Russland würde ins Gewicht fallen, wenn es gezwungen wäre, im Krieg auf ausländische Truppen zurückzugreifen.

Was hätte Nordkorea davon?

Das nordkoreanische Militär könnte hauptsächlich daran interessiert sein, direkte Kampferfahrung in einem modernen Großkrieg mit einem massiven Einsatz von Drohnen und weitreichenden Raketen zu sammeln. Nach ukrainischen Angaben sollen nordkoreanische Experten bereits seit einiger Zeit im besetzten ostukrainischen Gebiet tätig sein, auch in Verbindung mit angeblich gelieferter nordkoreanischer Raketentechnik. Es wird berichtet, dass Anfang Oktober mehrere Nordkoreaner bei einem ukrainischen Raketenschlag getötet wurden.

Nordkorea, dem die USA schon jetzt Munitions- und Waffenlieferungen an Russland vorwerfen, könnte Moskau durch weitere Militärhilfe stärker an sich binden und vor allem für eine mögliche Gegenleistung in der Zukunft vorbauen. Der ukrainische Militärgeheimdienstchef Kyrylo Budanow behauptete im Gespräch mit dem britischen «The Economist», dass es Nordkorea neben Geld um die Umgehung von Sanktionen und den Erhalt russischer Technologien für taktische Atomwaffen und U-Boot-Raketensysteme gehe.

Was bedeutet das für die Ukraine?

Laut südkoreanischem Geheimdienst hat Nordkorea bereits insgesamt 3.000 Soldaten nach Russland geschickt, bis Ende Dezember sollen es insgesamt 10.000 sein. Angesichts des großen russischen Kontingents dürfte die Zahl kaum ins Gewicht fallen. Russland soll derzeit 600.000 bis 700.000 Soldaten in der Ukraine und dem Grenzgebiet Kursk im Kampfeinsatz haben. Allerdings könnte eine nordkoreanische Interventionsarmee von 100.000 Mann oder mehr die ohnehin von den Ukrainern nur noch mit Mühen gehaltene Front zum Zusammenbruch führen.

Die Bedrohung liefert Kiew zusätzliche Gründe, von den westlichen Verbündeten ähnliche Maßnahmen zu fordern. Ein Vorschlag, der bereits von dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in die Diskussion eingebracht wurde, die Stationierung westlicher Truppen entlang der belarussischen Grenze vorzunehmen, um ukrainische Truppen an die Ostfront zu verlegen, könnte dadurch neuen Schwung erhalten.

Wie reagiert der Westen?

Der Westen würde ein Eingreifen nordkoreanischer Soldaten in den Krieg als erhebliche Eskalation mit Auswirkungen über die Ukraine hinaus werten. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin warnte vor einem «sehr, sehr ernsten Problem» mit Folgen nicht nur für Europa, sondern auch für die ohnehin angespannte Lage im Indopazifik. Genauer wurde er aber nicht. Auch das Auswärtige Amt in Berlin fand klare Worte: «Die Unterstützung des russischen Angriffskriegs durch Nordkorea bedroht auch die Sicherheit Deutschlands und die europäische Friedensordnung unmittelbar.» 

Das Ministerium hat den nordkoreanischen Geschäftsträger einbestellt, um Besorgnis über eine Truppenentsendung zum Ausdruck zu bringen. Die westlichen Staaten versuchen nun also zunächst diplomatischen Druck auszuüben, um Nordkorea zu einem Verzicht auf ein militärisches Eingreifen zu bewegen. Auch der deutsche Botschafter Alexander Graf Lambsdorff protestierte im russischen Außenministerium gegen diese Entwicklung.

Was machen die Nato-Staaten, wenn Nordkorea trotzdem ernst macht?

Es ist unklar, und die Ressourcen sind begrenzt. Aufgrund von Nordkoreas Bestrebungen nach Atomwaffen und der bereits erfolgten Unterstützung des russischen Angriffskriegs wurden in der Vergangenheit bereits viele Sanktionen verhängt. Eine deutliche Verschärfung ist kaum mehr möglich. Es bliebe dann noch die Möglichkeit, die militärische Unterstützung für die Ukraine deutlich zu erhöhen.

Eine Nato-Entscheidung zur Entsendung von Kampftruppen gilt dagegen derzeit als ausgeschlossen, weil Bündnismitglieder wie Deutschland und die USA befürchten, dass dadurch ein Dritter Weltkrieg ausgelöst werden könnte. Dieses Szenario hat auch der ukrainische Präsident Selenskyj in der vergangenen Woche in einer Pressekonferenz in Brüssel bereits offen angesprochen. «Das ist der erste Schritt zu einem Weltkrieg», sagte er zu einem möglichen Eingreifen Nordkoreas.

dpa