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Verband warnt: Viele Jugendliche von Armut bedroht

Eine eigene Wohnung, ein eigenes Auto? Für viele junge Menschen in Deutschland ist das undenkbar. Experten warnen: Bei Jugendarmut geht es nicht nur um finanzielle Nachteile.

40 Prozent der untergebrachten Wohnungslosen waren 2024 jünger als 25 Jahre. (Symbolbild)
Foto: Fabian Sommer/dpa/dpa-tmn

Armut nimmt jungen Menschen Chancen – und betrifft jeden vierten jungen Erwachsenen in Deutschland. Das geht aus dem «Monitor Jugendarmut in Deutschland» hervor, den die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) in Düsseldorf vorstellte. In der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen lag die sogenannte Armutsgefährdungsquote demnach 2023 bei 25 Prozent. Bei den unter 18-Jährigen betrug sie rund 21 Prozent. 

Die Armutsgefährdungsquote zeigt den Anteil der Bevölkerung, der mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen muss. Im Jahr 2023 lag dieser Schwellenwert für eine alleinlebende Person in Deutschland nach Steuern und Sozialabgaben bei 1.310 Euro im Monat. Bundesweit waren 2023 knapp zwölf Millionen Menschen armutsgefährdet. Laut dem Bericht machen sich mehr als zwei Drittel der deutschen Jugendlichen Sorgen, dass sie mit ihren Familien in Armut leben müssen.

Viele Sorgen um Wohnraum

Der Verband betonte, dass Armut für Jugendliche mit großen Ängsten verknüpft ist. Jeder zweite Auszubildende sowie zwei Drittel der Studierenden in Deutschland galten 2023 als «durch Wohnkosten überlastet». Das bedeutet, dass sie mehr als 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen verwenden mussten. 40 Prozent aller Wohnungslosen, die 2024 in Einrichtungen untergebracht waren, waren jünger als 25 Jahre.

«Die Situation hat sich verschärft», sagte Matthias Marienfeld, ehemaliger Leiter des Don-Bosco-Clubs Köln. Der Verein begann mit einem Freizeit- und Lernangebot für Kinder und bietet mittlerweile auch Schlafplätze für junge Obdachlose an. «Wir sind nur die Antwort auf die Not», berichtete Marienfeld. 

Der Verband forderte im Bericht eine deutliche Steigerung des sozialen Wohnungsbaus in ganz Deutschland. Außerdem schlug die Bundesarbeitsgemeinschaft Bürgerforen oder ähnliche Formate vor, um auch Armutsbetroffene an der Stadtplanung zu beteiligen.

Wie mobil sind arme Jugendliche?

Es wurde festgestellt, dass es für arme Jugendliche auch eine Herausforderung darstellt, unterwegs zu sein. Die Kosten für den Kauf eines Fahrrads oder den Erwerb eines Führerscheins sind in den letzten Jahren gestiegen. Das Deutschlandticket hat den öffentlichen Nahverkehr zwar günstiger gemacht. Die Tatsache, dass das Ticket jetzt nur noch digital verfügbar ist, schließt jedoch systematisch Menschen ohne Handy oder Bankkonto aus.

Der Verband beanstandete auch die aktuelle Preiserhöhung auf 58 Euro pro Monat und befürwortete die Einführung eines bundesweit gültigen Jugendtickets. Dieses sollte entweder kostenlos oder zumindest stark ermäßigt sein. In ländlichen Gebieten ist es wichtig, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen.

Strukturelle Folgen von Jugendarmut

Über die materiellen Aspekte hinaus habe Armut weitreichende Folgen, warnte die Bundesarbeitsgemeinschaft – etwa für den Bildungsweg und die Gesundheit von Jugendlichen. «Sie müssen schon früh lernen, dass sie auf Entwicklungschancen verzichten müssen», sagte der Verbandsvorsitzende Stefan Ottersbach. Wer seine Familie finanziell unterstützen müsse, könne sich weniger um die eigene Ausbildung kümmern.

Experten zufolge entstehen auch bei der Medienkompetenz und beim Finanzwissen oft große Lücken. Strukturelle Benachteiligung ist ein Grund, warum arme Jugendliche auch das Vertrauen in die Demokratie verlieren. Armutsgefährdete Menschen beteiligen sich seltener an Wahlen, wie der Verband betonte.

Verband will Grundsicherung für junge Menschen

Ottersbach sagte, dass “es endlich eine bundesweite Strategie gegen Jugendarmut brauche” und forderte “eine unbürokratische Grundsicherung für Kinder und Jugendliche”. Eine Kindergrundsicherung war als Vorhaben der ehemaligen Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP im Koalitionsvertrag festgelegt worden. Das Gesetz kam jedoch nicht mehr zustande, nachdem die Koalition gescheitert war.

«Die Zahlen belegen: Auch unter der Regierung aus SPD, Grünen und FDP ging es beim Thema Kinderarmut kein Stück vorwärts», kommentierte die Linken-Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl, Heidi Reichinnek. Neben einer Grundsicherung seien auch «massive Investitionen in Kitas und Schulen» gefragt.

Die BAG KJS hat für den Bericht Daten des Statistischen Bundesamtes sowie aus verschiedenen Studien analysiert.

dpa