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Verfassungsgericht urteilt zu Drohneneinsatz via Ramstein

Muss Deutschland einschreiten, wenn über den US-Stützpunkt Ramstein tödliche Drohnenangriffe im Ausland laufen? Das höchste Gericht hat Fragen von Menschenrechten und globaler Verantwortung geprüft.

2010 informierten die amerikanischen Streitkräfte, dass auf dem Gelände der Air Base Ramstein eine Satelliten-Relais-Station zur Steuerung auch waffenfähiger Drohnen im Ausland gebaut werde. (Archivbild)
Foto: Uwe Anspach/dpa

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verantwortung Deutschlands für den Einsatz von Drohnenangriffen im Ausland durch die USA über technische Einrichtungen auf deutschem Boden untersucht. Der Zweite Senat wird sein Urteil am Dienstag (10.00 Uhr) in Karlsruhe verkünden (Az. 2 BvR 508/21). Der Fall betrifft speziell die US-Air-Base Ramstein in der Pfalz. Die deutsche Justiz beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit diesem Thema.

Worum es konkret geht

Die US-Streitkräfte informierten das Bundesverteidigungsministerium im Jahr 2010 darüber, dass in Ramstein eine Satelliten-Relais-Station errichtet werde, um auch waffenfähige Drohnen im Ausland zu steuern. Laut Gericht gab es keine Bedenken seitens des Ministeriums.

Im August 2012 wurden zwei Männer im Jemen bei einem Treffen mit drei mutmaßlichen Mitgliedern der Terrororganisation Al-Kaida durch einen US-Drohnenangriff getötet.

Zwei Verwandte, die Staatsangehörige des Jemen sind, haben in Deutschland alle Gerichtsinstanzen durchlaufen und schließlich Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht. Aufgrund der wichtigen Rolle der Militärbasis Ramstein bei den Einsätzen sehen sie auch die Bundesregierung in der Verantwortung. Seit 2014 klagen die Kläger hierzulande gegen die Drohneneinsätze der USA.

Gerichte bisher uneins

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat 2019 entschieden, dass die Bundesrepublik aktiv prüfen muss, ob Drohneneinsätze der USA im Jemen unter Verwendung des Militärstützpunkts in Rheinland-Pfalz gegen Völkerrecht verstoßen. Das Bundesverwaltungsgericht hob diese Entscheidung jedoch im folgenden Jahr auf.

Das Gericht argumentierte, dass es nicht ausreiche, dass Ramstein technisch wichtig für das US-Drohnenprogramm sei. Es müssten spezifische Entscheidungen in Deutschland getroffen werden, damit die grundrechtliche Schutzpflicht Deutschlands auch für Ausländer im Ausland gelte.

Zentrale Fragen fürs Verfassungsgericht

Die Beschwerdeführer am Bundesverfassungsgericht berufen sich auf das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Eine zentrale Frage ist, ob und unter welchen Umständen der deutsche Staat verpflichtet ist, das Leben von im Ausland lebenden Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit zu schützen.

Der Fall wirft mit Blick auf die Drohneneinsätze zudem Fragen zu humanitärem Völkerrecht und Menschenrechten auf: Wann verliert eine Person ihren Schutz als Zivilist? Und wann und wo darf sie dann angegriffen werden? Laut den Beschwerdeführern handelte es sich bei den Getöteten um einen Polizisten und einen Geistlichen, der gegen Al-Kaida in der Region gepredigt hatte.

Kläger sehen weiter «Bedrohung für ihr Leben»

Die Bundesregierung bestreitet eine Schutzpflicht im vorliegenden Fall. Unter anderem liege kein qualifizierter Bezug zum Inland vor. Zur Nutzung der Air Base Ramstein befinde man sich mit den USA in einem «fortlaufenden und vertrauensvollen Dialog», hatte das Verteidigungsministerium zur Verhandlung im Dezember erklärt. «Die Bundesregierung hat dabei wiederholt die Versicherung eingeholt, dass Einsätze von unbemannten Luftfahrzeugen von Deutschland aus in keiner Weise gestartet, gesteuert oder befehligt werden und dass die US-Streitkräfte bei ihren Aktivitäten geltendes Recht einhalten.»

Den Klägern reicht das nicht aus. «Ohne Ramstein könnten die Drohnenüberflüge in der Zahl gar nicht stattfinden», erklärte Rechtsanwalt Andreas Schüller vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das die Beschwerdeführer unterstützt. Die US-Streitkräfte nutzten die Basis als Knotenpunkt im globalen Drohnenprogramm. «Die ganzen Daten zu den Drohnen hin und von den Drohnen zurück laufen über Ramstein. Um das in Echtzeit steuern zu können, aus den USA, bedarf es Ramstein», sagte Schüller. 

Die Beschwerdeführer wohnten demnach weiterhin im Jemen. Seit dem Angriff auf ihre Verwandte gebe es weiter kontinuierlich Drohnenüberflüge und auch immer wieder Angriffe in der Region, sagte Schüller. «Das ist für die Beschwerdeführer kein Zustand, in dem sie leben können und wollen. Es ist eine permanente psychische Bedrohung, eine Bedrohung für ihr Leben.»

dpa