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Verfassungsschutz-Präsident: Wir brauchen mehr Befugnisse

Wie gefährlich hybride Angriffe für Deutschland sind, zeigte im vergangenen Jahr der Paketbrand am Flughafen Leipzig/Halle. Verfassungsschutz-Chef Selen sagt: Wir müssen alle noch schneller werden.

Vor einigen Wochen feierte das Bundesamt für Verfassungsschutz sein 75-jähriges Bestehen.
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) fordert angesichts zunehmender Bedrohungen durch hybride Angriffe, insbesondere aus Russland, mehr Befugnisse und eine bessere Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden sowie der Bundeswehr.

Angesichts extrem kurzer Planungsphasen für gefährliche Aktionen müssten entsprechende Akteure und ihre Netzwerke frühzeitig entdeckt und identifiziert werden, mahnte BfV-Präsident Sinan Selen vor Teilnehmern eines Symposiums mit dem Titel «Zeitenwende – und jetzt? Die Rolle des BfV in Deutschlands Sicherheitsarchitektur». Eine entscheidende Rolle spiele dabei auch die «Beobachtung relevanter Plattformen im virtuellen Einsatzraum». Selen sagte: «Ich hoffe, dass uns zukünftig Befugnisse und Fähigkeiten zur Verfügung stehen, über die auch andere europäische Partnerdienste in diesem Zusammenhang verfügen.» Selen zeigte sich zuversichtlich, dass das Bundesinnenministerium unter der Führung von Alexander Dobrindt (CSU) entsprechende rechtliche Änderungen vorantreiben wird.

Weg vom Zuständigkeitsdenken

Er betonte: «Hybride Aktionen folgen keinen Zuständigkeiten.» Deshalb sei es wichtig, weniger in Zuständigkeiten zu denken, sondern stärker in Fähigkeiten. Ein verbesserter Austausch zwischen verschiedenen Behörden – so wie dies für aktuelle Risiken durch gewaltbereite Islamisten bereits im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum von Bund und Ländern (GTAZ) etabliert wurde – sei daher auch mit Blick auf hybride Bedrohungen unabdingbar. 

In der vorherigen Amtszeit wurde vom Bundesinnenministerium eine solche Runde ins Leben gerufen, die eine Task Force gegen Desinformation beinhaltet. Experten sind jedoch größtenteils der Meinung, dass dies nicht ausreicht und mindestens durch einen engeren Austausch von operativ Verantwortlichen ergänzt werden sollte.

Sabotage, Spionage und Desinformation

Der Umgang mit sogenannten hybriden Bedrohungen, denen sich Deutschland seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine verstärkt ausgesetzt sieht, war auch ein Schwerpunkt der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern vergangene Woche gewesen. Unter hybrider Kriegsführung wird eine Kombination aus militärischen, wirtschaftlichen, geheimdienstlichen und propagandistischen Mitteln verstanden, mit der auch die öffentliche Meinung beeinflusst werden kann, auch staatlich gelenkte Cyberattacken zählen dazu.

Ein Beispiel für einen hybriden Angriff, das aus Sicht des BfV besonders gefährlich war, ereignete sich am 20. Juli 2024. Dabei handelte es sich um einen mutmaßlich im russischen Auftrag platzierten Brandsatz in einem Paket, das noch vor dem Verladen in einem Frachtzentrum am Flughafen Leipzig/Halle in Brand geriet und einen Container entzündete. Laut dem ehemaligen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, entging Deutschland an diesem Tag nur knapp einem Flugzeugabsturz. Er betonte damals, dass es einem glücklichen Zufall zu verdanken war, dass das Paket noch am Boden lag und nicht während des Fluges in Brand geriet, möglicherweise über bewohntem Gebiet.

dpa