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Verfassungsschutzpräsident Haldenwang ist raus

Jetzt ging es schneller als erwartet. Da er beabsichtigt, für die CDU zu kandidieren, ist für Haldenwang an der Spitze des Verfassungsschutzes Schluss. Was heißt das für die AfD?

Den Verfassungsschutzbericht für 2023 stellten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, im Sommer gemeinsam vor. (Archivfoto)
Foto: Kay Nietfeld/dpa

Thomas Haldenwang arbeitet nicht mehr als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV). Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die Mitglieder des Innenausschusses nach Angaben eines Sprechers am Mittwoch darüber informiert, «dass Herr Haldenwang aufgrund seiner angekündigten Kandidatur für den Deutschen Bundestag ab sofort die Amtsgeschäfte als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz nicht mehr wahrnimmt». Der Inlandsgeheimdienst soll den Angaben zufolge zunächst durch seine beiden Vizepräsidenten, Sinan Selen und Silke Willems, geleitet werden. 

«Das bisherige Amt des BfV-Präsidenten gilt es klar zu trennen von einer Kandidatur für den Deutschen Bundestag», sagte Faesers Sprecher. Haldenwang habe das Bundesamt aus Sicht von Faeser umsichtig geführt und angesichts der erheblich verschärften Bedrohungslagen durch islamistischen Terrorismus, durch die russische Aggression sowie durch Rechts- und Linksextremismus eine wichtige und erfolgreiche Arbeit geleistet.

Haldenwang informierte Faeser Anfang der Woche über seine geplante Kandidatur für die CDU in seiner Heimatstadt Wuppertal. Die beiden nahmen am Montagabend gemeinsam an einer Festveranstaltung zum 20-jährigen Bestehen des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums in Berlin teil.

In der Unionsfraktion sind viele überrascht

Für viele CDU-Bundestagsabgeordnete kam die Ankündigung des 64-Jährigen überraschend. Obwohl in Berlin seit Monaten bekannt war, dass Haldenwang in den Ruhestand gehen möchte, hat er nichts über den Wunsch nach einem Mandat verlauten lassen. Die Tatsache, dass er seine Kandidatur bereits vor dem Ausscheiden aus dem Amt angekündigt hat, hängt wahrscheinlich mit dem früheren Termin der Bundestagswahl zusammen, die aufgrund des Bruchs der Ampel-Koalition nun am 23. Februar stattfinden soll.

Laut Mitgliedern des Innenausschusses machte Faeser keine Angaben zu Haldenwangs Nachfolge an der Spitze des Bundesamtes. Es stellt sich die Frage, ob es sinnvoll wäre, kurz vor der geplanten Neuwahl des Bundestages einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin zu benennen.

Auch Maaßen zog es in die Politik

Haldenwang war nach dem Ausscheiden von Hans-Georg Maaßen 2018 von Faesers Vorgänger im Amt, Horst Seehofer (CSU), zum Chef der Behörde gemacht worden. Auch Maaßen war früher Mitglied der CDU. Nachdem er in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde, kam es jedoch allmählich zu einer Entfremdung zwischen ihm und der Partei. Heute ist Maaßen Vorsitzender der rechtskonservativen Kleinpartei Werteunion. Bei den Landtagswahlen in Brandenburg erlangte die Werteunion knapp 0,3 Prozent der Stimmen. Maaßen sagte hinterher, das sei absehbar gewesen. Das Ziel sei, 2025 «mit deutlich mehr als 5 Prozent» in den Bundestag einzuziehen.

Haldenwang ging auf Distanz zu Maaßen

Haldenwang betont, dass ihn sowohl politisch als auch persönlich nichts mit Maaßen verbindet. Zu Beginn seiner Amtszeit als Leiter des Verfassungsschutzes reagierte er auf die ständigen Fragen nach seinem Amtsvorgänger erst humorvoll, später jedoch zunehmend genervt.

Neubewertung der AfD erst nach der Wahl 

Ein weiterer Zeitplan ist durch die vorgezogene Neuwahl jetzt durcheinander geraten. Die Neubewertung der AfD durch den Verfassungsschutz, die von Haldenwang noch für dieses Jahr angekündigt wurde, soll nun erst nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr abgeschlossen werden. Sein Ausscheiden hat damit jedoch nichts zu tun. Aus Sicherheitskreisen heißt es vielmehr, Zurückhaltung sei im Umfeld von Wahlen geboten. Die Beobachtung der Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall werde jedoch fortgesetzt.

Im Mai hat das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden, dass der Verfassungsschutz die AfD zu Recht als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft hat, was den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel wie etwa Observation erlaubt. Der Rechtsstreit dauert noch an.

Drei Szenarien denkbar

Theoretisch sind drei Szenarien denkbar: Entweder hat sich der Verdacht der Verfassungsschützer nicht bestätigt, dann würde der Inlandsnachrichtendienst die Beobachtung der AfD als Verdachtsfall beenden. «Ich halte diese Variante für äußerst unwahrscheinlich», sagte Haldenwang im Oktober. 

Es besteht die Möglichkeit, dass der Verdacht bestätigt wird. Dies würde zu einer Einstufung der Gesamtpartei als gesichert extremistische Bestrebung führen. Eine alternative Option wäre eine weitere Beobachtung als Verdachtsfall mit entsprechender Begründung – beispielsweise, wenn aufgrund noch nicht abgeschlossener interner Vorgänge in der Partei unklar ist, in welche Richtung sich die AfD entwickelt.

Das neue Gutachten werde «unter Berücksichtigung aktuellster Entwicklungen innerhalb der Partei» erstellt, sagte Haldenwang damals. Auch «die sichtbaren Vorgänge rund um die Landtagswahlen in Ostdeutschland» spielten dabei eine Rolle. 

Der Landesvorstand der sächsischen AfD hatte vergangene Wochen angekündigt, drei Parteimitglieder ausschließen zu wollen, die zur mutmaßlichen militanten rechtsterroristischen Gruppierung «Sächsische Separatisten» gehören sollen. Entscheiden über das Parteiausschlussverfahren muss noch das Landesschiedsgericht der Partei. Bei einer Razzia gegen die eine mutmaßliche Neonazi-Gruppe hatten Einsatzkräfte in Sachsen und Polen acht Männer festgenommen. 

Einige Abgeordnete sehen Zeit für AfD-Verbot gekommen

Eine Gruppe von Abgeordneten verschiedener Fraktionen um Carmen Wegge (SPD), Marco Wanderwitz (CDU), Till Steffen (Grüne), Martina Renner (Linke) und Stefan Seidler (SSW) stellte am Mittwoch einen Antrag bei der Bundestagsverwaltung, um eine Überprüfung der AfD durch das Bundesverfassungsgericht gemäß Artikel 21 des Grundgesetzes zu beantragen.

In dem Artikel heißt es unter anderem: «Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.» Bisher zeichnet sich allerdings noch keine Mehrheit für den Antrag im Bundestag ab.

dpa