Er war das einzige Ergebnis der russisch-ukrainischen Gespräche in Istanbul: der Austausch von 1.000 Gefangenen. Die ersten wurden übergeben, weitere sollen nun folgen. Die Kämpfe gehen weiter.
Ukraine-Krieg: Großer Gefangenenaustausch soll weitergehen
Russland und die Ukraine planen, den größten Gefangenenaustausch seit Kriegsbeginn heute und am Sonntag fortzusetzen. Dies gab der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft bekannt. Das Moskauer Verteidigungsministerium äußerte sich ähnlich: Der vereinbarte Austausch von je 1.000 Gefangenen soll in den kommenden Tagen fortgesetzt werden, sagte es am Freitag.
«Es gibt keine größere Freude», schrieb der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha bei der Plattform X. «Solche humanitären vertrauensbildenden Maßnahmen sind von entscheidender Bedeutung für unsere kontinuierliche Arbeit, den Frieden wiederherzustellen.»
Beim größten Austausch im seit mehr als drei Jahren anhaltenden russischen Angriffskrieg wurden am Freitag jeweils 390 Rückkehrer an die andere Seite übergeben. Nach Angaben des zuständigen Kiewer Koordinierungsstabs wurden drei Frauen und 387 Männer aus russischer Gefangenschaft freigelassen. Die befreiten Soldaten hatten die Ukraine in den Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja, Charkiw und Cherson verteidigt. Alle Freigelassenen werden medizinisch untersucht und erhalten physische und psychologische Hilfe.
Dem Verteidigungsministerium in Moskau zufolge wurden 270 Kriegsgefangene und 120 Zivilisten aus ukrainischer Gefangenschaft freigelassen. Unter den Zivilisten seien auch Bürger aus den zeitweilig von Kiews Truppen kontrollierten Orten im russischen Gebiet Kursk. «Derzeit befinden sich die russischen Soldaten und die Zivilisten im Hoheitsgebiet der Republik Belarus, wo sie die notwendige psychologische und medizinische Hilfe erhalten», hieß es in der Mitteilung. Sie alle sollten bald nach Russland kommen, um ihre Behandlung und Rehabilitation in medizinischen Einrichtungen fortzusetzen.
Der Austausch wurde letzte Woche bei Gesprächen in Istanbul vereinbart. Es war das einzige konkrete Ergebnis der ersten direkten russisch-ukrainischen Verhandlungen seit 2022, auf die vor allem US-Präsident Donald Trump gedrängt hatte.
Lawrow stellt nächsten Schritt in Aussicht
Der russische Außenminister Sergej Lawrow stellte in Aussicht, der Ukraine bald Bedingungen für eine Beendigung des seit mehr als drei Jahren andauernden Kriegs zu präsentieren, wie die russische Agentur Interfax berichtete. «Sobald der Kriegsgefangenenaustausch abgeschlossen ist, dann werden wir bereit sein, der ukrainischen Seite den Entwurf eines solchen Dokuments, den die russische Seite jetzt vollendet, zu übergeben», sagte er.
Selenskyj sagte, wenn Russland eine ganze Woche brauche, um ein sogenanntes Memorandum als Antwort auf die Forderung nach einer Waffenruhe vorzulegen, «dann ist das nichts anderes als eine Verhöhnung der Welt. So viel vergeudete Zeit». Neue Sanktionen gegen Russland seien notwendig, bekräftigte der ukrainische Präsident.
Luftalarm in der Ukraine
Die Angriffe gingen unterdessen weiter. Bei einem russischen Drohnenangriff auf die ukrainische Hauptstadt Kiew und deren Umgebung wurden in der Nacht mindestens acht Menschen verletzt. Sie seien von herabfallenden Trümmern abgeschossener Drohnen getroffen worden. Nach dem Einflug erster Gruppen von Kampfdrohnen warnte Bürgermeister Vitali Klitschko die Bewohner der Metropole vor weiteren Angriffen. «Geht in Deckung», forderte er die Bewohner Kiews auf der Plattform Telegram auf.
Der Militärverwalter Timur Tkatschenko berichtete auf Telegram von Schäden, die durch herabfallende Trümmer von Drohnen verursacht wurden. In zwei Bezirken sind Brände in Wohnhäusern ausgebrochen. Die Rettungsdienste sind im Einsatz.
Laut dem Gouverneur Oleh Kiper bei Telegram sei die Zahl der Toten in der ukrainischen Hafenstadt Odessa nach einem russischen Angriff mit zwei ballistischen Raketen auf zwei gestiegen. Zuvor war von einem Toten und acht Verletzten die Rede gewesen.
Auch bei einem weiteren russischen Raketenangriff auf die ostukrainische Stadt Tschuhujiw wurde eine Person getötet. Eine Frau sei ums Leben gekommen, berichtete der Gouverneur des Charkiwer Gebiets, Oleh Synjehubow, in einer Nachricht bei Telegram. Darüber hinaus wurden zwei Männer verletzt. Später am Abend wurde in vielen Teilen der Ukraine, einschließlich der Hauptstadt Kiew, Luftalarm ausgelöst.
Putin will russische Waffenexporte ausbauen
Kremlchef Wladimir Putin kündigte derweil an, russische Waffenexporte in andere Länder ankurbeln zu wollen. «Es ist nötig, den Umfang der Exportlieferungen aktiv zu vergrößern», sagte er bei einer im Staatsfernsehen übertragenen Rede bei einer Sitzung des Ausschusses für militärisch-technische Zusammenarbeit. Der Auftragsbestand für russische Militärerzeugnisse sei hoch – im Umfang von Dutzenden Milliarden Euro.
Putin sagte, dass die Versorgung der Einheiten im Ukraine-Krieg entscheidend und an erster Stelle bleibe. Er forderte neue staatliche Anreize dafür. Gleichzeitig müsse Russland seine Position auf dem internationalen Rüstungsmarkt behaupten und inmitten harter Konkurrenz bestehen. Im vergangenen Jahr habe Moskau im Großen und Ganzen seine Exportverpflichtungen bei ausländischen Partnern erfüllt. Ihnen solle in Zukunft ein breiteres Spektrum an Dienstleistungen angeboten werden.