Ägypten, Katar und die USA ringen um Verlängerung der Feuerpause. Die Hamas erfüllte erste Phase der Vereinbarungen.
Verhandlungen um Waffenruhe im Gazastreifen auf der Kippe
Die fragilie Waffenruhe im Gazastreifen zwischen Israel und der islamistischen Hamas steht an einem entscheidenden Punkt. Nachdem die Hamas die letzten vier toten Geiseln übergeben hat, um ihre Verpflichtungen für die erste Phase der Waffenruhe zu erfüllen, wird nun um die Verlängerung des Waffenstillstands gerungen. Vertreter aus Israel, Katar und den USA haben in Kairo intensive Gespräche über die nächsten Schritte der Waffenruhe geführt, wie der ägyptische Staatsinformationsdienst am Abend mitteilte.
Die erste Phase endet offiziell am Wochenende, aber die Waffen sollen weiterhin schweigen gemäß den bisherigen Vereinbarungen, solange Verhandlungen über eine zweite Phase im Gange sind. „Es muss alles getan werden, um die Waffenruhe aufrechtzuerhalten“, sagte der britische Premierminister Keir Starmer während seines Besuchs bei US-Präsident Donald Trump. Die Gespräche über die zweite Phase der seit dem 19. Januar geltenden Waffenruhe sollten eigentlich Anfang Februar beginnen.
Gespräche über Fortsetzung der Waffenruhe
Ägypten vermittelt gemeinsam mit Katar und den USA in dem Konflikt, da Israel und die Hamas nicht direkt miteinander reden. Die Vermittler drängten derzeit darauf, die erste Phase der Waffenruhe zu verlängern, während heiklere Fragen auf später verschoben werden sollen, berichtete das «Wall Street Journal». Die Gespräche konzentrierten sich darauf, einen zusätzlichen Austausch toter oder lebender israelischer Geiseln gegen weitere palästinensische Häftlinge zu arrangieren, hieß es. Es seien jedoch noch keine Einigungen erzielt worden.
Israel und Hamas erfüllen Verpflichtungen aus erster Phase
Die Hamas hat 33 Geiseln, darunter acht Tote, übergeben. Somit hat sie die Vereinbarungen für die erste Phase der Waffenruhe erfüllt. Nach der Identifizierung der letzten vier Toten ließ Israel mehr als 600 weitere palästinensische Häftlinge frei, darunter Frauen und Minderjährige. Israel hatte die Freilassung aufgrund der entwürdigenden Inszenierungen bei den Geiselübergaben der Hamas zunächst verzögert.
Die Hamas übergab die letzten vier Leichen dann in der Nacht zu Donnerstag ohne Zeremonie. In der ersten Phase ließ Israel insgesamt 1.777 palästinensische Häftlinge frei. Eigentlich waren 1.904 vorgesehen. Einige weigerten sich jedoch, zum Beispiel weil sie aufgrund der Schwere ihrer Straftaten gemäß dem Abkommen ins Ausland gebracht worden wären.
Israel will Truppen in Teilen des Gazastreifens lassen
Es gibt derzeit noch 59 israelische Geiseln im abgeriegelten Gazastreifen, von denen wahrscheinlich nur noch 27 am Leben sind. Die Überlebenden sollen in einer zweiten Phase freigelassen werden. Israels Truppen sollen sich erneut aus dem Küstengebiet zurückziehen und der Krieg soll endgültig beendet werden. Die rechtsextremen Koalitionspartner des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu lehnen dies jedoch ab und fordern die vollständige Vernichtung der Hamas.
Israels Verteidigungsminister Israel Katz hat bereits klargestellt, dass die Soldaten nicht aus dem Philadelphi-Korridor entlang der Grenze des Gazastreifens zu Ägypten abgezogen werden. Damit soll verhindert werden, dass die Hamas wie früher Waffen durch Tunnel unter der Grenze schmuggelt. Ursprünglich war geplant, dass Israel am Wochenende mit dem schrittweisen Abzug der Truppen aus dem Korridor beginnt. Die Verweigerung könnte die Waffenruhe und die Freilassung der verbliebenen Geiseln gefährden.
Wie geht es jetzt weiter?
Die Hamas hat bestätigt, dass sie die restlichen Geiseln nur freigeben wird, wenn Israel die Vereinbarungen einhält und Gespräche über die zweite Phase der Waffenruhe aufnimmt. Eine dritte Phase beinhaltet den Wiederaufbau des weitgehend zerstörten Gazastreifens und eine alternative Regierung ohne Beteiligung der Hamas. Wie es jedoch vorerst weitergeht, ist unklar.
Die israelische Regierung in Jerusalem hat nicht offenbart, worüber die israelischen Vertreter bei den Gesprächen in Kairo verhandeln sollen und welche Vollmachten sie haben. Laut unbestätigten Berichten israelischer Medien könnte die israelische Regierung zunächst eine Verlängerung der ersten Phase des Abkommens anstreben und die Freilassung weiterer Geiseln fordern.
Der Gaza-Krieg begann mit dem von Hamas-Terroristen und anderen Islamisten in Israel verübten Massaker vom 7. Oktober 2023, bei dem etwa 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 weitere nach Gaza entführt wurden. Seitdem wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 48.300 Menschen in Gaza getötet. Es wird nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden.
Israels Armee: Hamas-Absichten jahrelang falsch eingeschätzt
Unterdessen hat die Armee Israels Berichten zufolge eine interne Untersuchung über ihre Versäumnisse vor und während des Terrorüberfalls vorgelegt. Laut israelischen Medien ging das Militär davon aus, dass die Hamas kein Interesse an einem groß angelegten Krieg habe und sich nicht darauf vorbereite. Geheimdienstinformationen wurden trotz Warnsignalen über Jahre hinweg falsch interpretiert. Die Armee glaubte, dass der Grenzzaun zu Israel unüberwindbar sei. Zu Beginn des Überfalls waren nur 767 Soldaten auf der israelischen Seite der Gaza-Grenze stationiert.
Israelische Medien kritisierten, dass die Regierung von Ministerpräsident Netanjahu die Einrichtung einer unabhängigen staatlichen Kommission zur Untersuchung des Überfalls blockiere. Kritiker werfen Netanjahu vor, keine persönliche Verantwortung für das politische und militärische Versagen während des Massakers zu übernehmen und sich an die Macht zu klammern.
Starmer: Zweistaatenlösung nach Gaza-Krieg einziger Weg
Starmer beschrieb unterdessen beim Treffen mit Trump eine Zweistaatenlösung als den einzigen Weg «für einen dauerhaften Frieden» nach Ende des Krieges. Im Gegensatz zu früheren Aussagen Trumps sagte der britische Premier, den Palästinensern müsse die Rückkehr und der Wiederaufbau ihres Lebens ermöglicht werden. «Wir alle müssen sie dabei unterstützen», sagte Starmer.
Trump hatte vor einigen Wochen vorgeschlagen, die rund zwei Millionen palästinensischen Bewohner und Bewohnerinnen des Gazastreifens in andere arabische Staaten «umzusiedeln» und das zerstörte Küstengebiet unter Kontrolle der USA in eine wirtschaftlich florierende «Riviera des Nahen Ostens» zu verwandeln. International stießen diese Aussagen auf heftige Kritik. Eine Zwangsumsiedlung würde Experten zufolge gegen das Völkerrecht verstoßen.