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Verrohung im Wahlkampf – Rufe nach Konsequenzen

Ein SPD-Politiker wird in Dresden im Wahlkampf brutal zusammengeschlagen – das Entsetzen ist groß. Nun wird über Konsequenzen diskutiert. Es werden aber auch noch mutmaßliche Täter gesucht.

In Deutschland gibt es viel Solidarität mit den Angegriffenen. Die Menschen fordern nun Konsequenzen.
Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Die Suche nach den drei bisher unbekannten Tätern, die den SPD-Politiker Matthias Ecke beim Anbringen von Wahlplakaten in Dresden brutal angegriffen haben, dauert an. Die Hintergründe des Überfalls sind ebenfalls noch unklar.

Der 17-jährige Tatverdächtige, der sich gestellt hatte, hat sich bisher nicht zum Tatmotiv geäußert, wie die Polizei auf der Plattform X (früher Twitter) mitteilte. Die Diskussion über mögliche Konsequenzen aus der Gewalteskalation rückt gleichzeitig in den Mittelpunkt. Am Dienstag wollen Bund und Länder zu diesem Thema beraten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) fordert einen verbesserten Schutz für Politiker und Helfer im Wahlkampf.

Am Freitagabend wurde Ecke, der sächsische SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl, beim Anbringen von Wahlplakaten in Dresden angegriffen. Der 41-Jährige erlitt einen Bruch des Jochbeins und der Augenhöhle sowie Hämatome und Schnittverletzungen im Gesicht und wurde ins Krankenhaus gebracht. Ecke wurde am Sonntag operiert und es geht ihm den Umständen entsprechend gut, sagte Sachsens SPD-Chef Henning Homann. Kurz vor dem Angriff auf den SPD-Politiker hatte laut Polizei mutmaßlich dieselbe Gruppe in der Nähe bereits einen 28 Jahre alten Wahlkampfhelfer der Grünen angegriffen und verletzt.

Suche nach weiteren Tätern

Die Polizei verdächtigt vier Personen. In der Nacht zum Sonntag stellte sich ein 17-Jähriger der Polizei und gestand den Angriff auf Ecke. Die Identitäten der drei anderen Tatverdächtigen sind noch unbekannt. Laut Polizei sind die jungen Männer zwischen 17 und 20 Jahre alt. Zeugenberichten zufolge waren sie dunkel gekleidet, wie ein Polizeisprecher sagte. Ein Zeuge ordnete sie dem rechten Spektrum zu.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) prangerte die wachsende Aggressivität und zunehmende Gewalt innerhalb der Gesellschaft an. «Das sind Feinde der Demokratie (…) Es ist wirklich fünf vor Zwölf», sagte er in der ARD-Sendung «Caren Miosga». Dem gelte es ein Stopp-Zeichen entgegenzusetzen. Man habe es immer noch in der Hand, Dinge zu verändern. Es gebe aber eine neue Qualität. Das dürfe nicht unwidersprochen bleiben. Rechtspopulisten würden die Bevölkerung anstacheln.

Ebenso sprach sich der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) für eine harte Bestrafung von Tätern aus, die Wahlkämpfer attackieren. Das müsse «maximal geahndet» werden. «Denn wenn Wahlplakate heruntergerissen werden, geht es nicht nur um Sachbeschädigung, sondern um die Beeinträchtigung freier Wahlen», sagte er der «Süddeutschen Zeitung». Hetze habe ganz konkrete Auswirkungen auf der Straße.

Schuster kündigte zudem eine enge Abstimmung mit den Parteien zum Schutz ihrer Wahlkämpfer an. «Wir werden sicherlich nicht jeden einzelnen Wahlkämpfer beschützen können, das geht schon rein zahlenmäßig nicht. Aber wir werden noch stärker als bisher versuchen, eine kluge Raumdeckung hinzubekommen», sagte Schuster. Man wolle mit Informationen der Parteien die Aktionen und Veranstaltungen besser ausmachen können, die besonders schutzbedürftig seien – und das nicht nur beim Besuch von Parteiprominenz.

SPD will nur noch tagsüber plakatieren

Die Ermittlungen dauern an, unter Hochdruck, wie Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU) erklärte. «Wir werden dafür sorgen, dass alle Täter ihrer Strafe zugeführt werden.» Zugleich sprach er sich dafür aus, die Zusammenarbeit zwischen Parteizentralen und der sächsischen Polizei im Wahlkampf zu intensivieren, um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer etwa bei Veranstaltungen besser schützen zu können. Sachsens SPD-Chef kündigte an, man werde nur noch tagsüber plakatieren und die Teams vergrößern.

«Wir brauchen noch mehr sichtbare Polizeipräsenz vor Ort, um Demokraten an Wahlkampfständen und bei Veranstaltungen zu schützen», sagte Bundesinnenministerin Faeser der «Rheinischen Post» angesichts der Attacke auf Ecke und auf weitere Politiker und Wahlhelfer in den vergangenen Tagen. «Rechtsstaatlich müssen wir jetzt mit mehr Härte gegen Gewalttäter und mehr Schutz für die demokratischen Kräfte handeln», betonte sie. Darüber werde sie «sehr schnell» mit den Innenministern der Länder beraten. Für Dienstag hat der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchef Michael Stübgen (CDU), zu einer Sonderkonferenz der Ressortkollegen eingeladen.

Breite Solidarisierung mit Angegriffenen

In Dresden und Berlin haben zahlreiche Menschen für Demokratie und gegen Gewalt im Wahlkampf demonstriert, darunter zahlreiche bekannte Politiker. In Sachsens Landeshauptstadt kamen rund 3000 Menschen zusammen, in Berlin vor dem Brandenburger Tor waren es nach Angaben des Bündnisses «Zusammen Gegen Rechts», das die Demos organisiert hatte, ebenso viele Menschen.

Politiker fast aller großen Parteien haben sich zudem gemeinsam gegen Gewalt in der politischen Auseinandersetzung gewandt. Bis Sonntagnachmittag unterschrieben mehr als 100 Abgeordnete diverser Parlamente die sogenannte Striesener Erklärung, die sich gegen «die immer weiter eskalierende Gewalt gegen politisch engagierte Menschen im öffentlichen Raum» wendet. Die Angriffe in Dresden hatten sich im gutbürgerlichen Stadtteil Striesen ereignet.

Warnungen vor Rotstift bei innerer Sicherheit

Hintergrund von Angriffen auf Wahlkämpfern warnen Innenpolitiker von SPD und Grünen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) davor, bei der inneren Sicherheit zu sparen. «Wer in diesen Zeiten im Innenressort sparen will, legt die Axt an die Demokratie. Wir müssen das Gegenteil tun und ein Sicherheits- und Demokratiepaket auflegen». Der Grünen-Innenexperte Marcel Emmerich mahnte im «Spiegel» ebenfalls: «Angesichts des inneren und äußeren Drucks auf unsere Sicherheit und Demokratie wären solche Kürzungen im Bereich der inneren Sicherheit töricht und fahrlässig.» Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz bekräftigte die Forderung nach einem «Sondervermögen innere Sicherheit».

Wahlen auch in Tausenden Kommunen

In diesem Jahr finden neben der Europawahl und den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg auch zahlreiche Kommunalwahlen statt. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, André Berghegger, wies darauf hin, dass gerade Kommunalpolitikerinnen und -politiker leicht für Beleidigungen, Hetze, Hass oder sogar tätliche Angriffe erreichbar seien und sorgt sich wegen der zunehmenden Angriffe auf Wahlkämpfer. «Im Jahr 2024 werden in rund 6000 Städten und Gemeinden mehr als 110 000 Mandate neu gewählt», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag). Daher gäben die Ereignisse der vergangenen Tage Anlass zu großer Sorge.

dpa