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«Vertrauensbruch»: Verbrenner-Blockade frustriert EU-Partner

Eigentlich sollte das weitgehende Verbrenner-Aus ab 2035 in der EU längst beschlossen sein. Doch Verkehrsminister Wissing hat das Vorhaben auf den letzten Metern gestoppt. In Brüssel sorgt das für Kritik.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) betont immer wieder, dass die EU-Kommission einen Vorschlag unterbreiten müsse, wie nach 2035 noch private Neuwagen zugelassen werden können, die klimaneutrale, synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels tanken.
Foto: Julian Weber/dpa

Die deutsche Last-Minute-Blockade des geplanten Aus für neue Verbrenner ab 2035 stößt bei europäischen Partnern auf Unverständnis und Entsetzen. EU-Diplomaten in Brüssel sprechen von einem Vertrauensbruch und kritisieren die Uneinigkeit der Regierung in Berlin. Auch die Führungsstärke von Kanzler Olaf Scholz (SPD) wird infrage gestellt. Die Regierungen in Paris und Madrid äußern ihr Missfallen auch öffentlich.

So warnte Spaniens Vize-Regierungschefin Teresa Ribera kürzlich vor Szenarien, in denen andere Regierungen ähnlich wie Deutschland vorgehen und Gesetze kurz vor einer entscheidenden Abstimmung blockieren könnten. Frankreichs beigeordneter Minister für Verkehr, Clément Beaune, sagte: «Wir müssen den Ehrgeiz bewahren, bis 2035 von Autos mit Verbrennungsmotoren wegzukommen. Andernfalls werden wir ökologisch und industriell weggefegt.»

In Brüssel werden Vertreter von Ländern, die Deutschland eigentlich nahestehen, deutlicher: «Wir finden, es ist ein Vertrauensbruch», sagt eine Diplomatin. «Man würde sich wünschen, dass die koalitionsinternen Streitigkeiten vorher ausgetragen werden.» In Zukunft werde man sich immer fragen, «was ein Abkommen mit Deutschland überhaupt noch wert ist». Auch ein anderer Diplomat sagt, dass es vor allem um das Funktionieren der Koalition in Berlin mit einer geschwächten FDP gehe.

Denn eigentlich sollte schon seit Dienstag beschlossen sein, wovon Politiker, Autobauer und andere Beobachter ohnehin seit Monaten ausgegangen waren: dass in der EU ab 2035 nur noch Neuwagen verkauft werden dürfen, die im Betrieb keine Treibhausgase ausstoßen. Darauf hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten bereits im Oktober geeinigt. Im November bestätigten die ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten das Verhandlungsergebnis mit deutscher Zustimmung und das Europaparlament segnete es Mitte Februar ab.

Für den vergangenen Dienstag war nun der allerletzte Schritt in dem langen Gesetzgebungsverfahren geplant: die endgültige Zustimmung der EU-Staaten – eine Formalie, die normalerweise ohne Debatte auskommt. Die Kritik an Deutschland ist nunmehr eher selten inhaltlicher Art, sondern bezieht sich meist darauf, wie Deutschland die Annahme des Gesetzes verhindert hat.

Denn es gab ja bereits ausreichend Möglichkeiten, eigene Wünsche einzubringen, wie mehrere Diplomaten betonen. Im Sommer etwa, als die EU-Staaten ihre Verhandlungsposition abstimmten. Oder später, als die Gespräche mit dem Parlament liefen. Aber jetzt Bedenken anzumelden – «das ist ziemlich ungewöhnlich», sagt ein EU-Diplomat. Die anderen Länder seien sehr überrascht gewesen, sagt die Diplomatin eines anderen Landes, das mit der Einigung gut hätte leben können.

Was fordern Wissing und Lindner?

Erst Ende Februar, rund eine Woche vor der geplanten Abstimmung, äußerte FDP-Verkehrsminister Volker Wissing via «Bild» Bedenken – und drohte damit, dem Ergebnis nicht zuzustimmen. Seitdem betonen Wissing und FDP-Chef Christian Lindner immer wieder, dass die EU-Kommission einen Vorschlag unterbreiten müsse, wie nach 2035 noch private Neuwagen zugelassen werden können, die klimaneutrale, synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels tanken. Für eine klimaneutrale Mobilität müssten alle technologischen Optionen – und nicht nur das Elektroauto – offengehalten werden. Mit E-Fuels können Verbrenner theoretisch klimafreundlich betrieben werden, ihre Herstellung ist aber verhältnismäßig energieintensiv.

Auf Druck der FDP hatte die Bundesregierung im Sommer 2022 einen Zusatz in das Gesetz hineinverhandelt, wonach die EU-Kommission einen Vorschlag zu CO2-neutralen Kraftstoffen vorlegen soll. In der Brüsseler Behörde ist man allerdings der Ansicht, dass dieser nicht auf Privatwagen, sondern nur auf Sonderfahrzeuge wie Feuerwehrautos abzielen kann. Und so blockiert die Bundesregierung derzeit das fertig verhandelte Gesetz – zusammen mit Polen, Italien und Bulgarien. Die Abstimmung wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Italiens Ministerpräsidentin sprach von einem «italienischen Erfolg» und fordert ebenfalls «technologische Neutralität».

Dabei ist sich die Ampel-Koalition selbst nicht einig. Die FDP und auch SPD-Kanzler Scholz sehen die Kommission am Zug. Das grün geführte Umweltministerium kritisiert dagegen die Blockade.

Heftige Kritik von anderen EU-Staaten

Doch der Schaden ist längst angerichtet. Solch ein Verhalten erwarte man von der ungarischen Regierung unter Viktor Orban, sagt ein weiterer Diplomat. Deutschland habe in der EU jedoch eine besondere Verantwortung. Die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel habe verstanden, dass eine gut funktionierende EU im besten Interesse Deutschlands als größtem Mitglied und der größten Volkswirtschaft sei. «Scholz hat dies noch nicht verstanden und scheint mehr als nationaler Minister denn als Bundeskanzler zu agieren», betont der Diplomat.

Er verweist darauf, dass es nicht das erste Mal sei, dass die Ampel-Regierung in Brüssel als zerstritten wahrgenommen wird. Ein hochrangiger EU-Diplomat sagte bereits Anfang des Jahres, dass Deutschland das einzige Land sei, das es sich erlauben könne, gleichzeitig drei Positionen zu ein und demselben Thema zu vertreten – je nachdem, mit welcher Partei man spreche.

dpa