Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

«Geschichte der Stärke»: Abschied von Margot Friedländer

Nach dem Tod von Margot Friedländer trauern viele um eine besondere Frau, die als Holocaust-Überlebende unermüdlich für Menschlichkeit eintrat. Bei ihrer Beisetzung nahmen hochrangige Gäste Abschied.

Zu den Trauergästen gehören Bundeskanzler Friedrich Merz, der frühere Bundespräsident Joachim Gauck und die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel.
Foto: Kay Nietfeld/dpa Pool/dpa

Es war ein ergreifender Abschied mit zahlreichen prominenten Gästen: Margot Friedländer (103), eine Überlebende des Holocaust, wurde unter großer Anteilnahme in Berlin beerdigt. Die Beisetzung erfolgte nach einer Trauerfeier im engsten Freundeskreis auf dem jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee. Friedländer verstarb letzte Woche im Alter von 103 Jahren.

Unter den Anwesenden bei der Trauerfeier waren Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzler Friedrich Merz, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner und Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (alle CDU). Auch der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck sowie die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Nachfolger Olaf Scholz (SPD) waren anwesend.

Margot Friedländer war eine der bekanntesten Zeitzeuginnen, die den Massenmord der Nazis an den Juden überlebten. Als Jüdin wurde sie während der NS-Zeit ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg emigrierte sie in die USA, kehrte aber fast 90-jährig nach Berlin zurück.

Einsatz für Menschlichkeit

Seitdem hat sie sich bei zahlreichen Veranstaltungen unermüdlich für Menschlichkeit und Demokratie eingesetzt, gegen das Vergessen der NS-Verbrechen und gegen Hass. Besonders am Herzen lag Friedländer die junge Generation. Regelmäßig erzählte die Überlebende ihre Geschichte in Schulen. Sie wollte für die Millionen ermordeter Menschen sprechen, die nicht mehr für sich sprechen konnten.

Mehrere Redner würdigten ihr Lebenswerk bei der Trauerfeier. Gideon Joffe, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, erinnerte daran, dass die Nazis die Mutter, den Vater und den Bruder Friedländers ermordeten und sie selbst inhaftiert gewesen sei.

Friedländer symbolisierte Wärme und Mitgefühl

«Aber aus dieser Vergangenheit heraus sind Sie jemand geworden, der nicht hassen wollte, sondern erinnern, nicht anklagen, sondern erzählen», so Joffe. Friedländer symbolisiere das, was einen Menschen ausmache: Wärme, Nahbarkeit und Mitgefühl.

Der Rabbiner der Jüdische Chabad Berlin, Yehuda Teichtal, äußerte sich ähnlich: «Margot, Deine Geschichte ist eine Geschichte der Stärke und der unzerbrechlichen Menschlichkeit.» Das Vermächtnis Friedländers sei es, immer zu versuchen, die Welt zu einem menschlicheren und besseren Ort zu machen.

«Dämonen der Vergangenheit» 

Friedländers Worte «Seid Menschen!» hätten Generationen erreicht, sagte Leeor Engländer, enger Freund der Holocaust-Überlebenden, in seiner Trauerrede. Es habe Friedländer aber immense Anstrengung gekostet, sich gegen Desinteresse und Verdruss einzusetzen. 

Engländer sagte, dass das Trauma des Erlebten sie nie wieder losgelassen habe, auch wenn sie nach außen hin immer positiv aufgetreten sei. Immer wieder habe sie sich gefragt, was aus all den Kindern geworden wäre, die ins Gas geschickt wurden.

Es habe kein Gespräch mit Friedländer gegeben, in dem sie ihm nicht anvertraut habe, wie sehr die Dämonen der Vergangenheit sie bedrückten, so Engländer. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem seit diesem Zeitpunkt in Deutschland wieder offen zutage tretenden Judenhass sei Friedländer entsetzt und resigniert gewesen. «So hat es damals bei uns auch angefangen», habe sie gesagt. 

«Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück»

Sänger Max Raabe sang bei der Trauerfeier das Lied «Irgendwo auf der Welt». Dort heißt es unter anderem: «Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück, und ich träum‘ davon in jedem Augenblick.» Friedländer hatte sich den Song ausdrücklich so gewünscht. 

An der Trauerfeier nahmen auch Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Medienhauses Axel Springer, und Friede Springer, die Witwe des Verlagsgründers, teil. Georg Friedrich Prinz von Preußen, Mitglied des Kuratoriums der Margot Friedländer Stiftung, war ebenfalls unter den Gästen.

Auf dem Friedhof versammelten sich auch Schauspielerin Iris Berben, Moderatorin Dunja Hayali, Journalistin Sandra Maischberger, Filmemacher Wim Wenders und der ehemalige Fußball-Nationalspieler Arne Friedrich.

Friedländer, als Berliner Ehrenbürgerin, wird ein Ehrengrab gewährt, bei dem der Staat die Pflege- und Instandhaltungskosten übernimmt. Die Flaggen an Berliner Behörden und anderen Gebäuden des Landes wurden anlässlich der Beisetzung auf halbmast gesenkt. Eine große Trauerfeier zu Ehren von Friedländer in Berlin steht noch aus, jedoch sind Datum und Ort noch nicht bekannt.

Friedländer trat noch kurz vor ihrem Tod auf

Ihren letzten öffentlichen Auftritt absolvierte die Holocaust-Überlebende am 7. Mai zwei Tage vor ihrem Tod bei einer Gedenkveranstaltung des Landes Berlin zum 80. Jahrestag des Kriegsendes. Im Roten Rathaus las sie – im Rollstuhl sitzend – Passagen aus ihrem Buch «Versuche, dein Leben zu machen». 

Mit leiser Stimme schilderte sie in bewegenden Worten die Stunden ihrer persönlichen Befreiung, die sie 1945 im Ghetto Theresienstadt erlebte. Zum Abschluss gab Friedländer den Gästen die Mahnung mit auf den Weg: «Seid Menschen!»

dpa