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Deutschland und China: Diplomatische Spannungen und wirtschaftliche Herausforderungen

Deutsche Top-Politiker bewegen sich bei Besuchen in China diplomatisch immer auf dünnem Eis. China zählt Taiwan zu seinem Territorium, obwohl die Inselrepublik seit Jahrzehnten eine demokratisch gewählte Regierung hat.

Der Vizekanzler reist als erster Minister der schwarz-roten Bundesregierung nach Peking. (Archivbild)
Foto: Michael Kappeler/dpa

Die politische Beziehung zwischen Deutschland und China ist kompliziert, sowohl in außenpolitischen als auch wirtschaftlichen Fragen. Der deutsche Außenminister hat kürzlich einen geplanten Besuch in Peking nach einem diplomatischen Eklat verschoben.

So reist nun kein Kanzler oder Außenminister zum Antrittsbesuch der schwarz-roten Bundesregierung nach Peking, sondern Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil. «Wir sollten nicht über China reden, sondern mit China reden», begründet er das im Video-Interview der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist ein wichtiger internationaler Akteur: Es gibt viele Probleme auf dieser Welt, die wir nur mit China zusammen lösen können.»

Der SPD-Chef fliegt zum deutsch-chinesischen Finanzdialog, einem regelmäßigen Treffen der Finanzminister beider Länder. «Ich erwarte auch, dass wir einige Dinge dann klären mit der chinesischen Seite», sagt er vor der Reise. Es dürfte Klingbeils erste diplomatische Bewährungsprobe sein.

Drahtseilakt eins: Die Absage von Außenminister Wadephul

Ursprünglich sollte Außenminister Johann Wadephul als erster Vertreter der Regierung von Kanzler Friedrich Merz (beide CDU) nach China reisen. Doch in letzter Minute sagte Wadephul seine Reise ab. Die chinesische Seite hatte ihm lediglich ein Treffen mit seinem Amtskollegen Wang Yi zugesagt – aus deutscher Sicht zu wenig. Gleichzeitig wurden aus Peking deutliche Worte gegen Wadephuls wiederholte kritische Äußerungen zur chinesischen Taiwan-Politik laut.

Auch ein klärendes Telefonat schaffte offenkundig nicht alles aus der Welt: Laut chinesischem Außenamt warnte Wang sein Gegenüber darin, von «Mikrofon-Diplomatie» und unbegründeten Anschuldigungen abzusehen. Gelingt es Vizekanzler Klingbeil in dieser angespannten Situation, den richtigen Ton zu treffen? Er reise in enger Abstimmung mit Außenminister und Kanzler, betont er. 

Drahtseilakt zwei: Machtstreben und Menschenrechte

Deutsche Spitzenpolitiker bewegen sich bei Besuchen in China stets auf dünnem diplomatischem Eis. Lehrmeister aus dem Westen sind dort nicht beliebt. Dennoch gibt es Themen, die ein deutscher Politiker nicht unerwähnt lassen kann. In der Volksrepublik werden regelmäßig schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen kritisiert, außerdem müssen sich westliche Gäste in der Regel zur Taiwan-Frage äußern.

China betrachtet Taiwan als sein Territorium, obwohl die Inselrepublik seit Jahrzehnten eine demokratisch gewählte Regierung hat. In Peking zieht man Parallelen zur deutschen Wiedervereinigung – schließt aber auch einen Militäreinsatz nicht aus. Fast täglich übt die Volksbefreiungsarmee Chinas mit Kriegsschiffen und Kampfjets vor Taiwan.

Es wird berichtet, dass das Thema bei Treffen mit ausländischen Gästen in letzter Zeit deutlicher angesprochen wurde. Daher lässt sich wohl auch die Reaktion auf Wadephuls Äußerung erklären, die im Grunde die bekannte Haltung der Bundesregierung widerspiegelte.

Auch Klingbeil sagt vorab deutlich: «Wir gucken sehr genau, was in Taiwan passiert.» Wenn es zu einer militärischen Aktion komme, «dann wird das dazu führen, dass es einen anderen Blick auf China gibt.»

Drahtseilakt drei: Die Wirtschaftsbeziehungen

China betrachtet sich als Sieger der Handelsstreitigkeiten mit den USA und hat an Selbstvertrauen gewonnen. Eine Machtdemonstration fand kürzlich in der für deutsche Autobauer wichtigen Chipindustrie statt. Obwohl sich in der Nexperia-Krise nun eine Entspannung abzeichnet, ist dies nicht der einzige wirtschaftspolitische Hebel Chinas. Peking setzte in den Handelsgesprächen mit den USA erfolgreich seltene Erden als Druckmittel ein.

Die Metalle und Magnete, die daraus hergestellt werden, sind in Bildschirmen von Smartphones oder Fernsehern, in den Antrieben von Elektromotoren, Halbleitern oder Turbinen enthalten. Die deutsche Industrie ist daher darauf angewiesen. China hat den Export dieser Materialien eingeschränkt, was bedeutet, dass deutsche Unternehmen aufwändige Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen.

Darüber wolle er sprechen, kündigt Klingbeil an. «Seltene Erden sind ein Thema, wo ich finde, wir nicht akzeptieren können, wenn ein Partner den Vorteil, den er hat, dort ausnutzt», sagt er. Generell habe er den Eindruck, China wolle eine Zusammenarbeit mit Deutschland und schätze es, «wenn man politisch auch Klartext redet an verschiedenen Stellen, wenn man Differenzen nicht versucht zu kaschieren, sondern wenn man offen auch in der politischen Debatte ist».

Drahtseilakt vier: Chinas Beziehung zu Russland

Ein weiteres Thema, bei dem der deutsche Vizekanzler das tun will, ist Chinas Rolle im russischen Krieg gegen die Ukraine. «Das Signal werde ich auch noch mal geben dort, dass wir eine starke chinesische Rolle sehen und dass wir uns natürlich auch wünschen, dass der Druck auf Russland hochgefahren wird, diesen völkerrechtswidrigen Krieg zu beenden», sagt Klingbeil. 

Im Hinblick auf Russland wird den Chinesen viel Einflussmöglichkeit zugesagt. Staats- und Parteichef Xi Jinping empfing Anfang des Monats Russlands Ministerpräsidenten Michail Mischustin, die Beziehung der beiden Atommächte wird enger. Kremlchef Wladimir Putin bezeichnet der Chinese gerne als «alten Freund». Die bisherigen chinesischen Friedensvorschläge verfolgen aus Sicht der Ukraine russische Interessen. Hinzu kommt, dass China mit seinen Öl-Importen aus Russland weiter Geld in deren Kriegskasse spült.

Drahtseilakt fünf: Die Koalition daheim

Die SPD wird von Kritikern beschuldigt, nach der Absage von Wadephul eine Schatten-Außenpolitik zu betreiben – insbesondere da Bundeskanzler Merz wahrscheinlich erst im nächsten Jahr nach China reisen wird. Klingbeil wird von einer größeren Delegation begleitet, die auch am traditionellen Parteiendialog der Sozialdemokraten mit der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) teilnimmt.

Es wird befürchtet, dass die chinesische Regierung dies als Regierungskonsultationen aussehen lassen könnte und somit einen weiteren Keil zwischen den deutschen Koalitionspartnern treibt. Es könnte den Eindruck erwecken, dass die SPD den Dialog sucht, während die Union Konfrontation mit China anstrebt.

Klingbeil selbst weist die Vorwürfe zurück. Mit Merz und Wadephul spreche er sich eng ab, im Grunde reise er nur zufällig als Erster der Bundesregierung. Gleichzeitig gehöre zu den Aufgaben eines Finanzministers und eines Vizekanzlers auch das Pflegen internationaler Kontakte «und das erst recht in diesen Zeiten, wo so wahnsinnig viel sich weltpolitisch entwickelt».

dpa