Sinan Selen tritt aus der zweiten Reihe an die Spitze des Inlandsgeheimdienstes. Dobrindt hat sich für den Kandidaten entschieden, der schon seit Monaten als Nachfolger von Haldenwang gehandelt wurde.
Vize-Präsident Selen wird neuer Chef des Verfassungsschutzes
Nach etwa zehn Monaten ohne Leiter soll das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) einen neuen Präsidenten erhalten. Laut Angaben aus Koalitions- und Sicherheitskreisen fiel die Wahl von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) auf Sinan Selen, den langjährigen Vizepräsidenten der Sicherheitsbehörde mit Sitz in Köln.
An der Spitze des Amts, das sich mit der Bekämpfung von Spionage, Extremismus und Terrorismus befasst, steht erstmals ein Beamter mit Migrationshintergrund. Seine Herkunft – Selen wurde in der Türkei geboren und kam im Alter von vier Jahren nach Köln – ist jedoch kein Thema, über das der zukünftige Behördenleiter viel spricht. Innenpolitiker verschiedener Parteien schätzen ihn für seine ruhige, sachliche Art.
Der 53-Jährige hat den Inlandsgeheimdienst seit dem Ausscheiden des früheren BfV-Präsidenten, Thomas Haldenwang, in den vergangenen Monaten gemeinsam mit Vizepräsidentin Silke Willems interimsmäßig geleitet. Laut Koalitionskreisen zählt die Position des BfV-Präsidenten, die seit dem Herbst des vergangenen Jahres vakant war, zu einer Reihe von Spitzenposten, über deren Besetzung Union und SPD im Voraus miteinander sprechen wollten.
Die Personalie wird voraussichtlich in der nächsten Kabinettssitzung beschlossen. Zuvor hatten verschiedene Medien berichtet.
Seit 2019 Vizepräsident des Verfassungsschutzes
Selen ist seit Anfang 2019 Vizepräsident des BfV. Vorher hatte sich der Kölner, der auf eine lange Karriere in verschiedenen Sicherheitsbehörden und im Bundesinnenministerium zurückblickt, während eines dreijährigen Ausflugs in die Privatwirtschaft um Sicherheitsfragen beim TUI-Konzern gekümmert. Zu den Bereichen, mit denen er sich im BfV schwerpunktmäßig beschäftigt hat, gehören unter anderem Fragen der Cybersicherheit und islamistischer Terrorismus.
«Sinan Selen ist ein kompetenter und viel geachteter Spitzenbeamter», sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete, Hakan Demir, der ihn aus dem Innenausschuss kennt. «Menschen mit Migrationsgeschichte sind heutzutage selbstverständlich auch Politiker, Beamte und Unternehmer – das tut unserem Land gut», sagt Demir, der ebenfalls als Kind mit seiner Familie aus der Türkei nach Deutschland kam.
Selen bringe viel Erfahrung und Kompetenz mit, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Konstantin von Notz, dem «Handelsblatt». «Ich freue mich, dass er diese Position in sicherheitspolitisch schwierigen Zeiten übertragen bekommt.»
Haldenwang folgte auf Maaßen
Thomas Haldenwang, der frühere Präsident des Bundesamtes, kündigte im November an, dass er sich um die CDU bei der Bundestagswahl bewerben würde. Es war bereits bekannt, dass Haldenwang bald in den Ruhestand gehen wollte. Die Ankündigung, als Direktkandidat der CDU in Wuppertal anzutreten, kam für viele überraschend. Seine Kandidatur war nicht erfolgreich. Vor seiner Ernennung zum BfV-Präsidenten im Jahr 2018 war Haldenwang auch Vizepräsident – unter Hans-Georg Maaßen, der Anfang 2024 selbst ins Visier des Verfassungsschutzes geriet.