Scholz verlässt Kanzleramt, bleibt im Bundestag und plant Zukunft – "Man hat sich bemüht."
Olaf Scholz: Abschied als Kanzler und Neustart als Abgeordneter
Olaf Scholz hat bereits seine Entlassungsurkunde. Vor sechs Wochen erhielt er sie vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier nach der Konstituierung des neuen Bundestags und ist seitdem nur noch geschäftsführender Bundeskanzler. Seine Amtszeit endet jedoch erst am kommenden Dienstag – zumindest, wenn nichts dazwischenkommt.
Wenn CDU-Chef Friedrich Merz dann wie erwartet vom Bundestag zu seinem Nachfolger gewählt wird, war’s das für Scholz. 1.245 volle Tage wird er dann im Amt gewesen sein. Nur zwei seiner acht Vorgänger kamen auf eine kürzere Zeit: Ludwig Erhard (1963 bis 1966) mit 1.142 Tagen und Kurt Georg Kiesinger (1966 bis 1969) mit 1.055.
Was bleibt: Zeitenwende und Ampel-Krach
Nachdem Scholz abgetreten ist, werden Historiker darüber entscheiden, was von seiner Kanzlerschaft bleibt. Seine Zeitenwende-Rede im Bundestag vier Tage nach der russischen Invasion in der Ukraine wird langfristig in Erinnerung bleiben. Damals brach Scholz das Tabu, keine Waffen in laufende Kriege zu liefern, und richtete ein 100 Milliarden schweres Sondervermögen für die Bundeswehr ein – ein historischer Moment, der das Land verändert hat.
Das Experiment der ersten Ampel-Koalition auf Bundesebene aus SPD, FDP und Grünen ist gescheitert. Scholz plante, dass es über eine Legislaturperiode hinaus Bestand haben sollte. Die Ampel zerbrach jedoch bereits vor ihrem dritten Geburtstag an anhaltenden Streitigkeiten, insbesondere über die Finanzen.
Was es zum Abschied gibt: «Respect» und die Beatles
In den vergangenen Wochen war Scholz kaum zu hören. Es gab zwei Abschiedsreisen nach Warschau und Paris, und die letzte Kabinettssitzung endete mit einer Rentenerhöhung als Abschluss seiner Amtszeit. Sein letzter Arbeitstermin als Kanzler ist am Montag eine Podiumsdiskussion mit Schülerinnen und Schülern über Europa an einem Gymnasium in Eichwalde bei Berlin, bevor ihn die Bundeswehr am Abend mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet.
«Respect» von Aretha Franklin hat er sich dafür vom Stabsmusikkorps gewünscht. Respekt war das zentrale Schlagwort in seinem erfolgreichen Wahlkampf 2021. Auch «In my Life» von den Beatles ist auf Scholz‘ Playlist. Von den Beatles sei seine erste Platte gewesen, hat er mal in einem Interview verraten, und zwar «Let it be».
Was wird: Direkt gewählter Abgeordneter
«Lass es sein» hätte aber nicht so gut zu seinem Abschied gepasst, denn so ganz will Scholz dann doch noch nicht Schluss machen mit der Politik. Er wird vom Kanzleramt auf die Hinterbank des Bundestags wechseln und will dort als direkt gewählter Abgeordneter in seinem Wahlkreis Potsdam auch die ganze Legislaturperiode bleiben. «Das höchste Amt, in das man in Deutschland direkt gewählt werden kann, ist das des Abgeordneten im Deutschen Bundestag», hat er schon vor der Wahl als Begründung gesagt.
Es ist nicht ungewöhnlich, dass die meisten seiner Vorgänger genauso gehandhabt haben. Willy Brandt (SPD) war nach seinem Rücktritt im Jahr 1974 sogar noch 18 Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 1992 im Bundestag und eröffnete das Parlament dreimal als Alterspräsident. Helmut Kohl (CDU) blieb nach seiner Wahlniederlage im Jahr 1998 trotz Spendenaffäre volle vier Jahre im Bundestag. Sein Nachfolger Gerhard Schröder (SPD) begann dagegen als Lobbyist in der russischen Energiewirtschaft zu arbeiten. Angela Merkel (CDU) hat sich 2021 gar nicht mehr für den Bundestag zur Wahl gestellt.
Was sonst noch geht: Laufen und Rudern
Welchen Fachausschüssen Scholz angehören wird und wie oft es ihn noch ans Rednerpult zieht, wird man sehen. Ob er von der Hinterbank des Bundestags nach interessanten Nebenjobs Ausschau hält, ist ebenfalls ungewiss. Scholz hat mal gesagt, er sei Anwalt für Arbeitsrecht geworden, «weil ich finde, dass Arbeit unser Leben ausmacht». Rente mit 66 kommt für einen wie ihn jedenfalls nicht in Frage.
Auf ein bisschen mehr Freizeit freut er sich aber schon. «Ausschlafen würde ich gerne öfter», hat er im «Zeit»-Podcast «Alles gesagt?» auf eine Frage nach der Zeit danach verraten. Scholz läuft und rudert gerne, ab und zu schaut er sich ein Konzert an, eher selten geht er ins Kino oder ins Theater.
Warum Scholz ins Kanzleramt zurückkehrt
Seine Leidenschaft sind Bücher. Zeit hätte er nun zum Beispiel für die etwa 700-seitigen Memoiren, die seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU) ihm zugeschickt hat – falls er sie inzwischen nicht schon gelesen hat. Dass er das fest vorhat, hatte er vor einiger Zeit mal im Podcast «Das Scholz-Update» verraten. «Weil ich sie mag, und wir auch gut miteinander zusammengearbeitet haben.»
Scholz hat während seiner Amtszeit als Kanzler regelmäßig mit Merkel gesprochen. Es ist durchaus möglich, dass er sich jetzt häufiger mit ihr trifft. Die beiden teilen die Meinung, dass sie sich überhaupt nicht mit dem zukünftigen Kanzler Friedrich Merz (CDU) verstehen. Dies bildet eine gute Basis für lebhafte Gespräche.
Die beiden haben noch etwas gemeinsam. Sie werden in naher Zukunft ins Kanzleramt zurückkehren. Aber nur als Gemälde in die Porträtgalerie im ersten Stock der Regierungszentrale. Merkel hat dieses Projekt in den letzten Jahren vernachlässigt, will aber noch in diesem Jahr liefern. Scholz hat auch schon einen Künstler im Auge, aber noch nicht verraten, wen.
Wie er in die Geschichte eingehen will: «Man hat sich bemüht»
Und wie will Scholz selbst in Erinnerung bleiben? Was sollte in den Geschichtsbüchern über ihn stehen? «Es gibt dazu keinen besseren Satz als den, von dem Willy Brandt mal sagte, dass er ihn gerne auf seinem Grabstein lesen wollte», sagte er im Januar auf diese Frage in einem «Stern»-Interview. Der Satz laute: «Man hat sich bemüht.»
[Olaf Scholz: Abschied als Kanzler und Neustart als Abgeordneter],[Scholz verlässt Kanzleramt, bleibt im Bundestag und plant Zukunft – „Man hat sich bemüht.“]