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Vor 20 Jahren: Größte Erweiterung der Nato

Am 29. März 2004 traten sieben osteuropäische Länder der Nato bei. Nicht bei allen sorgte dies für Begeisterung. Auch der russische Angriffskrieg in der Ukraine änderte daran nicht viel.

Ein riesige blaue Fahne mit der Aufschrift «Latvija Nato 20» wird vor dem Freiheitsdenkmal entrollt. Lettland feiert 20 Jahre Nato-Mitgliedschaft.
Foto: Alexander Welscher/dpa

Vor 20 Jahren wurde die NATO mit einem Schlag um sieben Mitglieder erweitert, während die Welt noch unter dem Eindruck der islamistischen Terroranschläge in den USA stand. Aus diesem Grund lobte der damalige US-Präsident George W. Bush die Regierungschefs der neuen Mitglieder – Rumänien, Bulgarien, Slowenien, die Slowakei und die drei baltischen Staaten – insbesondere für ihren Einsatz im Krieg gegen den Terror.

Er tat dies am 29. März 2004 im Weißen Haus, nachdem die sieben Länder ihre Ratifizierungsurkunden für den Nato-Beitritt im US-Außenministerium hinterlegt hatten. Schon ein Jahr zuvor waren alle diese Länder der von Bush geschmiedeten «Koalition der Willigen» zur Unterstützung der umstrittenen Interventionen der USA in Afghanistan und im Irak beigetreten.

Es war die größte Erweiterungsrunde der Nato. Sofort wurde klar, dass Moskau davon verärgert war. Russland, dessen Präsident damals Wladimir Putin war, war vor allem darüber verärgert, dass die baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen, die bis 1991 unfreiwillig zur Sowjetunion gehörten, dem westlichen Bündnis beitraten. Die anderen neuen Mitglieder hatten – abgesehen von Slowenien – zum sowjetisch geführten Warschauer Pakt gehört.

Die Nato wurde am meisten in den Ländern begeistert aufgenommen, die geografisch am nächsten zu Russland liegen: in Rumänien und den baltischen Staaten, mit Zustimmungswerten von über 80 Prozent. Dieser Trend hat bis heute angehalten. In Rumänien gab es eine lange Tradition der antirussischen Stimmung. Darüber hinaus war der Nato-Beitritt eine Frage des nationalen Prestiges: Endlich war man in der westlichen Welt angekommen. Der Höhepunkt war bisher der Bau des Raketenschutzschild-Systems der USA in Deveselu im Süden Rumäniens im Jahr 2016.

Rumäniens Staatschef will Nato-Generalsekretär werden

Rumäniens Staatschef Klaus Iohannis bewirbt sich nun offen für das Amt des Nato-Generalsekretärs. Es ist unklar, ob die Osteuropäer ihn dabei unterstützen. Auf jeden Fall ist der Niederländer Mark Rutte, der von den USA und Deutschland favorisierte Bewerber für die Nato-Spitze, im Osten kein Wunschkandidat. Der Westen behandelt die Länder Osteuropas mit Geringschätzung, beklagte kürzlich der frühere estnische Präsident Toomas Hendrik Ilves auch mit Bezug auf den Kandidaten Rutte.

Für die Balten mit ihren insgesamt nur etwa sechs Millionen Einwohnern gilt die noch nie umstrittene Nato-Mitgliedschaft als wichtigste Sicherheitsgarantie vor ihrem Nachbarn Russland. Ohne Nato wäre ihr Land «eines dieser Länder wie etwa Georgien oder Moldau (…), die sich derzeit in der Grauzone befinden. Von denen wir nicht wissen, (…) was in Zukunft mit ihnen passieren wird», erläuterte jüngst die ehemalige lettische Präsidentin Vaira Vike-Freiberga, die ihr Land 2004 in die EU und Nato führte.

Gemäß der NATO gaben die Balten von den sieben Ländern im Jahr 2023 den größten Anteil ihres BIP für Verteidigung aus: Estland 2,89 Prozent, Lettland 2,37 Prozent und Litauen 2,75 Prozent. Um den Schutz zu verbessern, soll an der Grenze zu Russland und Belarus die baltische Verteidigungslinie errichtet werden – mit Panzergräben, Munitionsdepots und Minenlagern.

Geringere Sympathie für die Allianz

Ganz anders ist die Stimmung in Bulgarien, Slowenien und in der Slowakei. Zwar hatte Bulgariens damaliger Außenminister Solomon Passi Tränen in den Augen, als die Fahne seines Landes 2004 erstmals am Nato-Hauptquartier gehisst wurde. Nicht alle Bulgaren teilten diese Gefühle, tun es auch heute nicht. «Ich würde nicht sagen, dass es jemals eine Euphorie für die Nato-Mitgliedschaft gab», sagte der Exekutivdirektor von Gallup International Balkan, Parwan Simeonow, in Sofia. Das Vertrauen zur Nato habe Anfang dieses Jahres bei nur 35 Prozent gelegen. In der Slowakei war der Beitritt von Anfang an umstritten. Umfragen ergaben im Vorfeld keine sichere Mehrheit dafür. Der russische Krieg gegen die Ukraine hat allerdings die Sympathie für die Allianz erhöht.

Die Unterstützung für die Ukraine in Sofia und Bratislava war bisher auf einer rhetorischen Ebene abhängig davon, wer politisch den Ton angab. Die prowestliche Regierung Bulgariens hat bisher auch militärische Unterstützung für Kiew geleistet. Staatschef Rumen Radew gilt jedoch als russlandfreundlich, ebenso wie der seit Oktober 2023 amtierende slowakische Regierungschef Robert Fico. Beide Länder liefern Munition an die Ukraine – Bulgarien tut dies bereits seit Beginn des Krieges über Vermittler. Die Slowakei hat auch ihr Luftabwehr-Raketensystem und ihre Kampfflugzeuge sowjetischer Bauart an die Ukraine übergeben.

Radew und Fico setzen sich dafür ein, den Krieg durch Verhandlungen zu beenden – im Gegensatz zu ihren Kollegen im Baltikum, die unter dem Motto «Was auch immer es braucht» dazu aufrufen, alles für den Sieg der Ukraine zu tun.

Das kleine ehemalige jugoslawische Adrialand Slowenien hatte seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1991 den NATO-Beitritt als wichtiges Ziel festgelegt. Allerdings stimmten nur 66 Prozent der Slowenen bei einem Referendum im Jahr 2003 dafür. Heutzutage liegt dieser Anteil laut Umfragen nur bei 52 Prozent. Die Verteidigungsausgaben des Landes belaufen sich lediglich auf 1,33 Prozent des BIP, wodurch Slowenien zu den Schlusslichtern innerhalb der NATO gehört. In Ljubljana ist sogar eine Partei an der Regierung beteiligt, die einen Austritt aus der NATO befürwortet: Die kleine Linkspartei Levica bleibt daher demonstrativ den NATO-Jubiläumsfeiern der Regierung fern.

dpa