Beim Treffen der führenden Wirtschaftsmächte wird es auch um das Kriegsgeschehen in Nahost gehen. Israels Regierung will ihre Interessen gewahrt sehen – steht im eigenen Land aber selbst unter Druck.
Israel macht Druck vor G20-Gipfel – Proteste in Tel Aviv

Vor dem G20-Gipfel der führenden Wirtschaftsmächte in der kommenden Woche macht Israels Regierung Druck auf die Teilnehmerstaaten, um eine Abschlusserklärung in ihrem Sinne zu erreichen. Der israelische Chefdiplomat Gideon Saar brachte in Telefonaten mit mehreren Außenministern von G20-Ländern sein Missfallen über einen «unausgewogenen und einseitig zulasten Israels gefassten» Entwurf des geplanten Abschlussdokuments zum Ausdruck.
In Israel steht die Regierung unter Druck, da Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beschuldigt wird, eine mögliche Freilassung der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln aus politischen Gründen zu verzögern, wie bei Protesten in verschiedenen Städten deutlich wurde.
Forderung an die G20
In der Abschlusserklärung des zweitägigen G20-Gipfels, der am Montag im brasilianischen Rio de Janeiro beginnt, müssten mehrere Punkte zwingend Erwähnung finden, forderte Saar auf der Onlineplattform X. Dazu gehöre, Israels Recht auf Selbstverteidigung anzuerkennen, die Freilassung aller Geiseln zu verlangen und die Terrororganisationen Hamas und Hisbollah zu verurteilen, gegen die Israel im Gazastreifen und im Libanon Krieg führt. «Eine Erklärung, die diese Punkte nicht erwähnt, gefährdet Frieden und Sicherheit und wird nur den Iran und seine Verbündeten ermutigen, weiter Instabilität im ganzen Nahen Osten zu säen», heißt es in Saars Beitrag.
Der Iran wird als Hauptunterstützer der Hamas und der Hisbollah sowie anderer islamistischer Milizen im Nahen Osten angesehen, die dem einzigen jüdischen Staat feindlich gesinnt sind. Israel ist kein Mitglied der G20. Der einzige arabische Vertreter in der Gruppe ist Saudi-Arabien. Bei dem Gipfeltreffen in Rio werden jedoch auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und Katar als Gastländer vertreten sein. Das Golfemirat Katar war in den letzten Monaten zusammen mit Ägypten und den USA als Vermittler in den Verhandlungen für eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas involviert. Gleichzeitig bemühen sich die USA um eine Kampfpause im Libanon.
«Mörderische Regierung lässt Geiseln im Stich»
In der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv gingen am Abend wieder Hunderte Demonstranten für ein Abkommen zur Beendigung des Gaza-Kriegs auf die Straße, darunter zahlreiche Angehörige der von der Hamas im Oktober 2023 Entführten. «Eine mörderische Regierung lässt die Geiseln im Stich», skandierte die Menge auf einer der Kundgebungen. Sie warfen dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten Netanjahu vor, einen Geisel-Deal mit der Hamas zu sabotieren, um nicht die Unterstützung religiöser Hardliner in seiner Koalition zu verlieren. Gegen Netanjahu läuft seit längerem ein Korruptionsprozess, sein politisches Überleben wäre bei einem Aus der Regierung akut gefährdet.
Leuchtraketen auf Netanjahus Anwesen
Laut der israelischen Polizei und des Inlandsgeheimdiensts Schin Bet wurden am Samstag auf dem Gelände von Netanjahus Privatanwesen in Caesarea zwei Leuchtraketen abgefeuert. Netanjahu und seine Familie waren zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause und es wurden keine Schäden gemeldet. Berichten zufolge wurden drei Verdächtige festgenommen.
Ob es einen Zusammenhang mit den landesweiten Protesten gegen die Regierung gibt, war zunächst unklar – in Caesarea gab es zumindest keine Demonstrationen. Viele Politiker reagierten dennoch entsetzt, darunter Oppositionsführer Jair Lapid und Präsident Izchak Herzog. Der Staatschef sprach von einem «gefährlichen Vorfall» und warnte vor zunehmender Gewalt im öffentlichen Raum.
Israels Armee und Hisbollah beschießen sich gegenseitig
Die Spannung in Israel bleibt hoch, während die Streitkräfte des Landes weiterhin an zwei Fronten gegen Feinde des jüdischen Staates kämpfen. Die Luftangriffe auf die Hisbollah im Libanon wurden in den letzten Tagen erneut intensiviert, vor allem in den südlichen Vororten von Beirut, die als Hochburg der schiitischen Miliz gelten. Laut Angaben der Armee wurden am Samstag unter anderem Kommandozentralen und Waffenlager der Hisbollah angegriffen, außerdem gab es Berichte über schwere Gefechte im Süden des Landes.
Laut einem Bericht des israelischen Senders Channel 12 wird die Miliz angeblich durch militärischen Druck gezwungen, ein von den USA vermitteltes Abkommen über eine Waffenruhe zu akzeptieren. Die Bedingung, dass die Hisbollah alle Waffen abgeben müsse und ein militärisches Vorgehen gegen terroristische Aktivitäten im Libanon erlaubt bleibe, dürfte für den iranischen Verbündeten jedoch kaum akzeptabel sein.
Die Hisbollah hat einen bedeutenden Einfluss in der Region und agiert im Libanon praktisch wie ein Staat im Staat. Seit Beginn des Gaza-Kriegs vor mehr als einem Jahr beschießt sie regelmäßig Israel mit Raketen und setzt auch Kampfdrohnen ein. Die israelische Armee meldete allein am Samstag wieder rund 80 Angriffe. Mehrere Drohnen und Raketen wurden abgefangen, jedoch wurde am Abend eine Synagoge in der Küstenstadt Haifa getroffen und beschädigt.
Blutvergießen im Gazastreifen geht weiter
Währenddessen wird auch im Gazastreifen gekämpft, wo die Armee Israels weiterhin gegen die Hamas vorgeht. Im Flüchtlingsviertel Al-Schati im Norden des Küstengebiets wurde ein ehemaliges Schulgebäude bei einem Luftangriff getroffen, wie der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz mitteilte. Laut Berichten wurden zehn Menschen getötet, darunter Frauen und Minderjährige. Das Gebäude beherbergte Vertriebene, so die Angaben. Nach palästinensischen Medien suchen Retter in den Trümmern nach Überlebenden.
Am Abend gab Israels Armee bekannt, dass die Luftwaffe ein Kommandozentrum der Hamas auf dem Gelände einer ehemaligen Schule angegriffen habe. Dort planten Terroristen Anschläge auf israelische Truppen. Vor dem Luftangriff wurden Maßnahmen ergriffen, um zivile Opfer zu vermeiden. Darüber hinaus wurden im Flüchtlingsviertel Dschabalija mehrere palästinensische Terroristen vom Militär getötet. Zwei Raketen, die aus dem Norden des Küstengebiets abgefeuert wurden, konnten abgefangen werden. Die Angaben beider Seiten konnten nicht unabhängig überprüft werden.