Es ist eine erste diplomatische Bewährungsprobe für den neuen Außenminister: In Israel dürfte er die enge Freundschaft beider Länder betonen. Wie deutlich wird er sich zur Lage im Gazastreifen äußern?
Wadephul reist zu Antrittsbesuch nach Israel

Der neue Außenminister Johann Wadephul fordert angesichts der katastrophalen Lage im Gazastreifen rasche Verhandlungen über einen Waffenstillstand. «Die humanitäre Situation im Gazastreifen ist mittlerweile unerträglich geworden», sagte der CDU-Politiker vor der Abreise zu seinem Antrittsbesuch in Israel. «Deshalb braucht es jetzt unbedingt einen Einstieg in ernsthafte Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit dem Ziel der Freilassung aller Geiseln und der Versorgung der Menschen in Gaza.»
Wadephul will morgen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Israels Außenminister Gideon Saar treffen. Dabei werde er «das strategische Ziel der seit März wieder intensivierten Kampfhandlungen» erfragen. Die israelische Regierung hatte Anfang der Woche eine Ausweitung der Angriffe beschlossen. Das Verhältnis zwischen Wadephuls Vorgängerin Annalena Baerbock (Grüne) und Netanjahu galt wegen Meinungsverschiedenheiten zum Vorgehen der Israelis im Gazastreifen sowie im Westjordanland als belastet.
Gedenken in Yad Vashem
Morgen plant Wadephul zuerst die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem zu besuchen. Dort wird er einen Kranz niederlegen, um an die sechs Millionen Jüdinnen und Juden zu erinnern, die von Nazi-Deutschland ermordet wurden. Bereits heute Abend wollte der Minister mit den Geiseln sprechen, die von der islamistischen Hamas entführt wurden. Am Sonntag ist ein Treffen mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mohammed Mustafa in Ramallah im Westjordanland geplant.
Wadephul: Palästinenser brauchen Perspektive
Auch im Westjordanland bräuchten die Palästinenser eine Perspektive auf eine politische und wirtschaftliche Zukunft, «damit Hass und Extremismus nicht weiter fruchtbaren Boden finden», sagte Wadephul. Neben dem israelischen Siedlungsbau werde in Ramallah Thema sein, wie Deutschland die Palästinenser bei dringend notwendigen Reformen unterstützen könne. Die Perspektive einer Zweistaatenlösung sei, so entfernt sie scheine, die beste Chance für Frieden und Sicherheit für Israel und seine Nachbarn. «Sie darf nicht verbaut werden.»
Die „Zweistaatenlösung“ bezieht sich auf einen unabhängigen palästinensischen Staat, der friedlich neben Israel existiert. Sowohl Netanjahu als auch die Hamas lehnen diese Lösung ab.
60 Jahre deutsch-israelische diplomatische Beziehungen
Wadephul reist im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 60 Jahren nach Israel. Am Sonntag wird der israelische Präsident Izchak Herzog zu einem offiziellen Besuch in Berlin erwartet. Gemeinsam mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird er am 13. Mai nach Israel zurückreisen.
Wadephul: Zu freiheitlicher Gesellschaft gehört Regierungskritik
80 Jahre nach dem Holocaust erneuere die Bundesregierung das Bekenntnis, dass die Existenz und Sicherheit Israels Teil der deutschen Staatsräson seien, erklärte Wadephul. Dieses Bekenntnis müsse aber auch heute neu interpretiert werden, «immer im Lichte unserer Geschichte und der internationalen Rechtsordnung, der wir besonders verpflichtet sind», fügte er hinzu.
Offensichtlich vor dem Hintergrund der Kritik an der Politik Netanjahus ergänzte Wadephul: «In unseren beiden Demokratien gehören kritische Diskussionen über die Politik der eigenen Regierung und befreundeter Nationen dazu.» Dies dürfe aber nie für Antisemitismus missbraucht werden. Raum für sachliche Kritik sei ein unverzichtbares Merkmal freiheitlicher Gesellschaften. «Um diese Balance und Differenzierung müssen wir immer wieder neu ringen.»