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Waffenruhe zwischen Israel und Hisbollah in Kraft

Bis kurz vor Inkrafttreten der Waffenruhe liefern sich beide Kriegsparteien weiter heftigen Beschuss. Nun sollen die Waffen schweigen. Hält die vereinbarte Feuerpause?

Bis zum Ende der Waffenruhe sind Israels Kampfflugzeuge über dem Libanon unterwegs.
Foto: Bilal Hussein/AP/dpa

 Nach mehr als einem Jahr Krieg zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz gilt seit dem frühen Morgen eine Waffenruhe. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu warnte die vom Erzfeind Iran unterstützte Miliz mit scharfen Worten: «Die Dauer der Waffenruhe hängt davon ab, was im Libanon geschieht.» Die Feuerpause war von den USA und Frankreich vermittelt worden, um auf Sicht eine «dauerhafte Einstellung der Feindseligkeiten» zu erreichen, wie US-Präsident Joe Biden sagte. Von der Hisbollah selbst gab es zunächst keine Reaktion auf die Verkündung der Waffenruhe. 

Bis kurz vor dem Inkrafttreten der vereinbarten Kampfpause um 4.00 Uhr Ortszeit (3.00 Uhr MEZ) flog die israelische Luftwaffe weiterhin besonders massive Angriffe auf die libanesische Hauptstadt Beirut und deren südlichen Vororte. Das libanesische Gesundheitsministerium berichtete, dass bei den Angriffen in zentralen Vierteln von Beirut mindestens zehn Menschen getötet wurden. Überall in der Hauptstadt waren schwere Explosionen zu hören, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur in der Nacht berichtete. Um 4.00 Uhr verstummten dann die Explosionen und das Donnern der Kampfflugzeuge. Die Hisbollah hatte ebenfalls zuvor weiterhin Raketen auf den Norden Israels abgefeuert, wo erneut die Sirenen heulten.

Hält die Waffenruhe? 

Laut unbestätigten Medienberichten soll sich die Schiiten-Miliz gemäß der Vereinbarung zunächst hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze zurückziehen. Innerhalb von 60 Tagen sollten dann Israels Bodentruppen den Libanon verlassen. Um zu verhindern, dass Hisbollah-Kämpfer zurückkehren, sollen Soldaten der libanesischen Armee, die nicht direkt am Krieg beteiligt ist, entlang der Grenze stationiert werden, wie ein hochrangiger Vertreter der US-Regierung berichtet hat.

Laut Angaben wurde nicht mit der Hisbollah über die Waffenruhe verhandelt, sondern mit der libanesischen Regierung. Es liegt nun an der libanesischen Regierung, die Verantwortung für das Geschehen in ihrem Land zu übernehmen. Es ist fraglich, ob sie dazu in Anbetracht der Schwäche des libanesischen Staates in der Lage sein wird. Der geschäftsführende Ministerpräsident des Libanon, Nadschib Mikati, hat die sofortige Umsetzung der Vereinbarung gefordert. Medienberichten zufolge wird eine Gruppe von Staaten unter Führung der USA zusammen mit Frankreich, dem Libanon, Israel und der UN-Friedenstruppe Unifil die Waffenruhe überwachen, die seit Jahren im Libanon stationiert ist.

Netanjahu warnt die Hisbollah

Die Überwachungskommission soll zudem sicherstellen, dass sich die Miliz nicht neu bewaffnet. Israel reklamiert für sich das Recht, jederzeit im Libanon militärisch einzugreifen, falls die Hisbollah die Übereinkunft brechen sollte und die libanesische Armee sowie die internationale Staatengruppe untätig bleiben. «Mit dem vollen Einverständnis der USA behalten wir die volle militärische Handlungsfreiheit», sagte Netanjahu. «Wenn die Hisbollah das Abkommen verletzt und versucht, sich zu bewaffnen, werden wir angreifen.» Nach Angaben eines hochrangigen US-Regierungsvertreters behält neben Israel auch der Libanon das Recht auf Selbstverteidigung gemäß Völkerrecht.

Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach von einer Chance für den Libanon. «Es ist wichtig, dass diese Waffenruhe eingehalten wird und das auf Dauer», sagte Macron in einem auf X veröffentlichten Video. Das Abkommen unterstütze die Souveränität des Landes und läute «einen Neuanfang für den Libanon» ein, sagte auch US-Präsident Biden. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sprach von einem «Lichtblick für die ganze Region». Hunderttausende Frauen, Kinder und Familien im Libanon könnten nun neue Hoffnung schöpfen, ebenso Zehntausende Menschen aus dem Norden Israels, sagte die Grünen-Politikerin am Abend.

Gaza-Krieg geht weiter

Die Hisbollah hat bisher Israel nach eigenen Angaben unterstützt, um die islamistische Hamas im weiterhin umkämpften Gazastreifen zu unterstützen. Die Hamas hatte mit dem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 auf Israel den Gaza-Krieg ausgelöst, kurz danach begann der Beschuss aus dem Libanon. Ursprünglich plante die mit der Hamas verbündete Hisbollah, ihre Angriffe auf Israel zu beenden, sobald eine Waffenruhe in Gaza erreicht ist. Offenbar hat sie nun auf die Erfüllung dieser Bedingung verzichtet.

Ein Ende des Kriegs mit der Hisbollah lasse die Hamas im Gazastreifen isoliert zurück, sagte Netanjahu. «Wir werden den Druck auf die Hamas erhöhen», kündigte er am Abend an. Dies könne den Weg zu einer Vereinbarung über die Freilassung der rund 100 Geiseln ebnen, die noch immer im Gazastreifen vermutet werden – wobei unklar ist, wie viele von ihnen noch am Leben sind.

Kurz vor Beginn der Waffenruhe im Krieg gegen die Hisbollah gab die israelische Armee bekannt, dass ein weiteres ranghohes Mitglied der Hamas getötet wurde. Mumin al-Dschabari gehörte der Scharfschützen-Einheit der Hamas-Brigade in der Stadt Gaza an. Er wurde bei einem präzisen Angriff auf ein Gebäude getroffen, das zuvor als Schule genutzt wurde. Die Angaben des israelischen Militärs konnten nicht unabhängig überprüft werden.

USA hoffen auch in Gaza auf Waffenruhe

US-Präsident Biden setzt sich auch für eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas ein. «Genauso wie das libanesische Volk eine Zukunft in Sicherheit und Wohlstand verdient, verdienen auch die Menschen in Gaza eine Zukunft in Sicherheit und Wohlstand. Auch sie verdienen ein Ende der Kämpfe», sagte er.

Die USA haben seit Wochen auf eine Waffenruhe zwischen der Hisbollah und Israel gedrängt. Viele Dörfer und Stadtviertel auf der libanesischen Seite wurden bei Angriffen der israelischen Armee zerstört. Laut Armee wurden insgesamt etwa 12.000 Ziele im Libanon bombardiert.

Es wurden laut libanesischen Angaben, die nicht unabhhängig überprüft werden können und keine Unterschiede zwischen Zivilisten und Bewaffneten machen, über 3.700 Tote und ungefähr 15.500 Verletzte gezählt. Mehr als 800.000 Menschen wurden schätzungsweise durch die Kämpfe im Land vertrieben, und Hunderttausende flohen ins benachbarte Syrien.

Im gleichen Zeitraum gab es in Israel 76 Tote durch Angriffe der Hisbollah, hauptsächlich Zivilisten, sowie über 700 Verletzte und erhebliche Sachschäden. Die Raketenabwehr Israels konnte jedoch die meisten Geschosse der Miliz abfangen. Etwa 60.000 Bewohner Nordisraels mussten evakuiert werden.

Die erreichte Übereinkunft entspricht Berichten zufolge weitgehend der UN-Resolution 1701, die nach dem Libanon-Krieg von 2006 vergeblich versuchte, ein dauerhaftes Ende der Gewalt zu erreichen. Ein wichtiger Punkt der Einigung betrifft das Arsenal der Hisbollah, die vor Kriegsbeginn als eine der stärksten paramilitärischen Gruppen der Welt galt und im Libanon lange Zeit wie ein Staat im Staate agierte. Die derzeit nur geschäftsführend amtierende libanesische Regierung soll die Waffeneinfuhren ins Land sowie deren Herstellung auf eigenem Staatsgebiet so kontrollieren, dass sie nicht in die Hände der Hisbollah oder anderer bewaffneter Gruppen gelangen. Es wird jedoch bezweifelt, ob der vergleichsweise schwache Staat dazu in der Lage sein wird.

dpa