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Wahl-Duell in Brandenburg: AfD und SPD kämpfen um den Sieg

Die Brandenburger Landtagswahl ist so spannend wie nie. Sie könnte eine Richtungswahl für oder gegen rechts werden. Im Kampf gegen die AfD setzt SPD-Regierungschef Woidke alles auf eine Karte.

Sie treten für ihre Parteien bei der Landtagswahl an: die Spitzenkandidaten der Brandenburger Parteien. (Archivfoto)
Foto: Annette Riedl/dpa

Seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 hat die SPD in Brandenburg den Regierungschef gestellt. Vor der Wahl liefern sich AfD und SPD einen Zweikampf. Drei Wochen nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen geht es am Sonntag nicht nur darum, ob die AfD stärkste Kraft wird – es wäre das erste Mal in Brandenburg und das zweite Mal nach Thüringen bei einer Landtagswahl überhaupt. Der Brandenburger Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein. Eine Regierungsoption ist jedoch bisher nicht in Sicht, da keine Partei mit ihr koalieren will.

Es geht am Sonntag auch um die Zukunft von Ministerpräsident Dietmar Woidke. Der 62-Jährige hat alles auf eine Karte gesetzt. Die Wahl ist für ihn die «größte politische Herausforderung meines ganzen Lebens», sagte er dem Sender n-tv. Er will bei einem AfD-Wahlsieg nicht in Regierungsverantwortung bleiben. «Dann bin ich weg.» Beim Gewinn seines Direktmandats will Woidke aber weiter Landtagsabgeordneter sein.

Die neuesten Umfragen zeigen kein eindeutiges Bild. Laut dem ZDF-Politbarometer Extra der Forschungsgruppe Wahlen vom Donnerstag liegt die AfD bei 28 Prozent und die SPD bei 27 Prozent. Die CDU folgt mit 14 Prozent und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erreicht 13 Prozent. Grüne, Linke und BVB/Freie Wähler scheitern laut Umfrage an der Fünf-Prozent-Hürde. Eine Partei oder Vereinigung kann jedoch auch mit mindestens einem Direktmandat in den Landtag einziehen, wenn sie darunter liegt. Frühere Umfragen hatten die AfD teilweise mit größerem Abstand vor der SPD gesehen.

Aufholjagd mit Distanz zur Bundesregierung

Der Amtsinhaber Woidke ist optimistisch hinsichtlich des Wahlausgangs. Er bezieht diesen Optimismus unter anderem aus dem vergleichsweise hohen Wirtschaftswachstum, der von ihm eingefädelten Tesla-Ansiedlung, der Mehrheit aus Umfragen, die ihn im Amt halten will – und daraus, dass es der SPD schon bei der Wahl 2019 gelungen ist, die AfD auf den letzten Metern einzuholen. Der Vorsprung der AfD drehte sich damals neun Tage vorher zugunsten der SPD.

Woidke hat in den vergangenen Wochen eine Aufholjagd gestartet, die völlig konträr zur Lage der SPD bundesweit ist. In den jüngsten Umfragen kam die Partei bundesweit auf um die 15 Prozent. Kein Wunder, dass Woidke nicht unbedingt mit SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz Wahlkampf machen will, auch wenn der in Potsdam wohnt. Scholz ist allerdings im Rahmen seiner Sommerreise mehrfach in Brandenburg unterwegs. Überraschende Unterstützung bekam Woidke von Sachsens CDU-Regierungschef Michael Kretschmer, der für Stabilität warb und sagte: «Wir müssen zusammenhalten.»

In Sachsen gelang es Kretschmer, die CDU auf den ersten Platz zu bringen. Wenn die AfD in Brandenburg die stärkste Kraft wird und die SPD den zweiten Platz belegt, hätte Finanzministerin Katrin Lange als stellvertretende SPD-Landeschefin wahrscheinlich den ersten Anspruch auf eine Nachfolge von Woidke. Zuerst muss die schwierige Aufgabe bewältigt werden, eine Regierung zu bilden. Aber auch Wissenschaftsministerin Manja Schüle und Fraktionschef Daniel Keller werden als potenzielle Kandidaten betrachtet.

AfD will Ampel «zertrümmern»

Die AfD will Woidke aus der Staatskanzlei «jagen», wie es Landeschef René Springer bei einer Wahlkampfveranstaltung in Forst (Lausitz) – der Heimat von Woidke – formulierte. AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt, den der Verfassungsschutz als rechtsextrem einordnet, will mit der Wahl auch ein Zeichen gegen die Bundesregierung setzen: «Wir haben es auch in der Hand, mit diesen Schlägen die Ampel zu zertrümmern», sagte er in Forst.

Der Extremismusforscher Gideon Botsch ist der Ansicht, dass die AfD in Brandenburg im Zuge der Migrationsdebatte radikaler geworden ist. «Die Sprache ist deutlich radikalisiert, das Auftreten ist deutlich radikalisiert, und der Tendenz nach findet auch eine Nazifizierung statt», sagte der Potsdamer Politikforscher.

CDU sieht «doppelten Woidke»

Der vermutlich islamistische Anschlag in Solingen Ende August mit drei Toten hat die Diskussion über Migration und Asyl intensiviert. CDU-Innenminister Michael Stübgen stößt kurz vor der Wahl auf Kritik, indem er die Möglichkeit anspricht, das Asylrecht im Grundgesetz aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention abzuschaffen. Woidke fordert, die Migrationspolitik der letzten zehn Jahre zu überprüfen.

CDU-Landeschef Jan Redmann spricht vom «doppelten Woidke», der die SPD im Bund kritisiert und bei Themen das Ufer wechselt. Redmann will Woidke als Ministerpräsident beerben. Die Wahl sieht er auch als Chance, die Ampel im Bund «auszuschalten». Redmanns Fahrt mit einem Elektroroller im Juli mit 1,3 Promille Alkohol im Blut scheint abgehakt, er muss 8.000 Euro Strafe zahlen.

Möglicherweise schwierige Regierungsbildung

In den jüngsten Umfragen steht die CDU in Brandenburg aber nur bei 14 bis 16 Prozent – knapp vor dem neuen Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das für manche eine «Black Box» ist, also eine Partei mit unbekanntem Inhalt. Das BSW kommt in jüngsten Befragungen auf 13 bis 14 Prozent. Bislang regiert die SPD in Brandenburg mit CDU und Grünen. Die Grünen, aber auch die Linke und die Freien Wähler müssen um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. Allerdings reicht ein Direktmandat aus, um wieder im Parlament vertreten zu sein. Die FDP ist in den jüngsten Umfragen nicht einzeln ausgewiesen – sie liegt deutlich unter 5 Prozent.

Die Koalitionsmöglichkeiten nach der Wahl sind offen: Möglicherweise reicht es nicht für die Fortsetzung der bisherigen Regierungskoalition. Woidke äußerte sich bisher nicht zum Thema «Wunschkoalition» – er setzt erst einmal auf eine starke SPD. Das BSW könnte bei der Regierungsbildung ins Spiel kommen. Spitzenkandidat Robert Crumbach will nicht mitregieren um jeden Preis. Er fordert als Bedingung für eine Regierungsbeteiligung ein deutliches Signal, dass Deutschland diplomatische Beziehungen für ein Ende des Ukraine-Kriegs ergreift. Eine Zusammenarbeit mit der AfD lehnt er ab, die Unterstützung für einzelne Anträge der AfD schließt er aber nicht aus.

dpa